Was ist Konstanz eigentlich, Herr Burchardt, eine Umweltstadt oder eine Touristenstadt?
Uli Burchardt: Die Frage kann man so nicht beantworten. Es gibt kein einzelnes Etikett, das für Konstanz passt. Die Stadt ist von beidem etwas. Einkaufs- und Urlaubstourismus spielen eine große wirtschaftliche Rolle. Und der Titel Umweltstadt stimmt ganz sicher auch.
Hat sich Konstanz mit dem Klimanotstand in eine Zwickmühle manövriert? Die beiden Aspekte scheinen relativ schwer zu vereinbaren.
Burchardt: Das sehe ich überhaupt nicht so. Konstanz kann beides.
Die Diskussionen im Gemeinderat um Büdingen lassen das Gegenteil vermuten.
Burchardt: Das dort geplante Hotel verkörpert ja gewissermaßen unsere Idealvorstellung von entschleunigtem Tourismus: weniger Wechsel, weniger Verkehr, viele Übernachtungen pro Person. Genau das ist unser Ziel, um weg zu kommen vom Tagesmassentourismus. Unser Job ist es also, Ökonomie und Ökologie miteinander zu vereinen. Wir können auf beides nicht verzichten.
Nicht alle Konstanzer sehen sich als Klimaschützer. Wie aber wollen Sie es bewerkstelligen, alle Bürger zufriedenzustellen?
Burchardt: Alle Anliegen haben ihrer Berechtigung, auch die Forderung nach weniger Verkehr. Aber ich kann morgens nicht die Stadt absperren. Wer etwas von der Sache versteht, der weiß: Veränderung ist nicht von heute auf morgen möglich. Wir müssen ein Bewusstsein schaffen, nach den richtigen Maßnahmen suchen und entsprechende Beschlüsse fassen. Das dauert seine Zeit – leider. Für mich dürfte es manchmal auch schneller gehen.
Veränderungen stehen auch beim Seenachtfest an. Das Feuerwerk steht in der Diskussion. Was ist Ihre Position: Feuerwerk ja oder nein?
Burchardt: Ich bin der Meinung, dass wir es modernisieren müssen. Auf der einen Seite sind da zehntausende Menschen, die das Spektakel mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung betrachten. Auf der anderen Seite sind viele große Städte auf der Welt längst weiter. Ein Feuerwerk dieser Größe war vor 50 Jahren eine Sensation. Heute ist es das nicht mehr. Dafür gibt es zu viele davon. Deshalb würde es Konstanz gut stehen, das Feuerwerk weiterzuentwickeln.
Und es durch Laser und Drohnen zu ersetzen, wie es auch die Gemeinderatsfraktion der Freien Grünen Liste (FGL) vorschlägt.
Burchardt: Zum Beispiel. Etwas, das leiser ist und ressourcenschonender. Ich kann mir das für Konstanz sehr reizvoll vorstellen. Aber wie gesagt, wir sollten dabei in Schritten vorgehen. Ich habe gelernt, dass heute noch nicht jeder an diesem Punkt ist.
Damit spielen Sie an auf die Ergebnisse der Bürgerumfrage zum Seenachtfest. Hat es Sie wirklich überrascht, welche Bedeutung das Feuerwerk für die Bürger hat?
Burchardt: Wir waren überrascht, dass so viele Konstanzer das Seenachtfest besuchen. Jeder, mit dem ich darüber gesprochen habe, war der Meinung, sie meiden es eher. Die Umfrage aber hat eine andere Erkenntnis gebracht. Und für mich ist die leitende Frage, welche Rolle das Seenachfest für die Konstanzer spielt.
Wir sollten das Seenachfest nicht aus rein ökologischen oder ökonomischen Gründen veranstalten. Es sollte ein Konstanzer Fest sein, das man gerne feiert, weil es Spaß macht und Freude bereitet. Der Bedarf nach Veränderung hat sich in der Umfrage bestätigt. Die Konstanzer wollen weniger Verkehr, weniger Müll, weniger Absperrungen, weniger Polizei, weniger Eintritt, mehr Familien, mehr Vereine, mehr Konstanz. Das war, wie Sie wissen, schon immer ein Thema für mich.
Stimmt. Schon im OB-Wahlkampf 2012 haben Sie sich vorgenommen, das Seenachtfest wieder zu einem Fest für die Konstanzer zu machen. Warum ist das in den vergangenen sieben Jahren nicht passiert?
Burchardt: Weil wir mehrfach die Prioritäten verschoben haben. Weil die Aufgabe sehr schwierig ist. Und weil wir in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme hatten, an den entsprechenden Stellen Personal zu finden. Irgendwann standen wir schließlich vor der Frage: Verlängern wir das Seenachtfest, so wie es ist, zur Vereinfachung noch einmal und sehen danach weiter? So haben wir es damals dann mit dem Gemeinderat beschlossen. Weil wir es bis zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft hatten, ein neues Seenachfest zu erfinden. Das werden wir jetzt aber tun, ab 2021. Für 2020 habe ich – wie der Gemeinderat auch – die Erwartung, dass der Veranstalter Full Moon das Seenachtfest noch einmal ausrichtet. Das haben wir ihm so mitgeteilt. Und jetzt hoffe ich, dass wir in Kürze weitere Gespräche führen.
Herr Burchardt, Sie merken wahrscheinlich, dass wir in unseren Fragen das Thema Klimanotstand sehr häufig erwähnen. Hätten Sie erwartet, dass Ihnen dieses Thema immer wieder aufgetischt wird? Dass es über jede Maßgabe und jede Richtungsentscheidung gestülpt wird, wie auch beim Seenachtfest?
Burchardt: Der Beschluss des Gemeinderates weckt hohe Erwartungen, hinter die wir nicht mehr zurückkommen, auch ich nicht. Dem müssen wir gerecht werden. Das hat mit dem Seenachtfest aber relativ wenig zu tun. Nicht richtig ist, dass ich die Verbindung hergestellt hätte zwischen Klimanotstand und Feuerwerk. Ich weiß bis heute nicht sicher, wie klimaschädlich Feuerwerk tatsächlich ist. Ich habe damals gesagt, das riesige Feuerwerk ist eine Art Symbol für eine Veranstaltung alten Formates, die wir durchaus infrage stellen sollten.
Das Feuerwerk hat doch aber eine Strahlkraft weit über die Bodenseeregion hinaus. Es steht symbolisch für das Seenachtfest. Was sagen Sie zu den Vorwürfen von Gastronomen und Hoteliers, dass es der Marke Konstanz schade, das Feuerwerk abzuschaffen und das Seenachtfest zu verkleinern?
Burchardt: Um die Konstanzer Strahlkraft mache ich mir wenig Sorgen. Das Seenachtfest ist sicher sehr bekannt aufgrund seiner Fernsehpräsenz. Es ist aber hoffentlich nicht das Einzige, wofür Konstanz steht: Die Fasnacht hat die gleiche Strahlkraft. Die Außenwirkung der Hochschulen ist sehr wichtig. Und in meiner Wahrnehmung ist auch die Resonanz auf das Thema Klimanotstand eine äußerst positive.
Herr Burchardt, blicken wir auf den OB-Wahlkampf 2020: Sie haben bereits 2012 Nachhaltigkeit als Leitlinie ihrer Politik vorgestellt. Wird dieses Thema auch den anstehenden Wahlkampf prägen?
Burchardt: Also meine Positionierung sicherlich. Die Überschrift meiner Kandidatur soll sein: Konstanz zu einer der nachhaltigsten Städte in Deutschland entwickeln. Und dabei müssen wir uns mit den Besten messen.
Im SWR-Talk Nachtcafé wurden Sie zuletzt als „Klima-Pionier unter Deutschlands Bürgermeistern“ vorgestellt. Glauben Sie, dass Ihnen dieser Titel im anstehenden Wahlkampf helfen wird?
Burchardt: Ich glaube, Konstanz wird jetzt insgesamt sehr stark mit dem Thema Klimaschutz verbunden.
Und Sie selbst?
Burchardt: Ich hab ja vorhin gesagt, ich selber komme hinter den Beschluss auch nicht mehr zurück – und will das auch gar nicht. Ich glaube, dass ich mich selber daran werde messen lassen müssen.
Wird Ihnen der Titel des Klima-Pioniers im Wahlkampf also helfen?
Burchardt: Das weiß ich nicht. Ich hoffe, mir hilft, dass wir Konstanz in den vergangenen siebeneinhalb Jahren sehr gradlinig in diese Richtung entwickelt haben, ohne ideologisch oder radikal zu sein.