Wenige Tage, nachdem die CDU mit ihrem Gesetz zur Migrationsbegrenzung im Bundestag gescheitert ist, ist der Diskussionsbedarf weiter groß. Die CDU hätte dabei in Kauf genommen, dass sie das Gesetz unter Umständen mithilfe der Stimmen der AfD zur Rechtskraft bringt. Letztlich kam es wegen des Scheiterns der Gesetzesinitiative nicht dazu.
Andreas Jung, Abgeordneter der CDU für den Wahlkreis Konstanz, hat dabei mit Ja gestimmt. Das können viele Menschen, die ihn und seine politischen Positionen kennen, nicht verstehen. So schreibt Christel Thorbecke, ehemalige FGL-Stadträtin, in einem Brief an Jung: „Deshalb war es für mich ein Schock, dass Sie gestern im Bundestag dem Antrag für eine allgemeine Verschärfung der Migrationspolitik ohne Not zugestimmt haben.“
Und weiter heißt es: „Dabei wollen gerade Sie auf Ihrem Plakat ‚die Mitte stärken‘. Das ist ein sehr notwendiges Versprechen in meinen Augen. Und ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass Ihnen dieses Anliegen sehr wichtig ist. Dass Sie die Mitte aber nur stärken können, wenn Sie sich eindeutig von den rechten Mitgliedern der AfD distanzieren, bedeutet ja, dass Sie damit die Mitte im Gegenteil empfindlich geschwächt haben!“
Kritik auch an „Kooperation“ mit AfD
Auch Florian Roth, Politikwissenschaftler und beim Jungen Forum Konstanz politisch engagiert, wendet sich an den Bundestagsabgeordneten. Er habe Andreas Jung öfter bei seinen Auftritten erlebt, er scheine ihm ein sehr vernünftiger Mensch zu sein, schickt Roth im Gespräch mit dem SÜDKURIER voraus. Roth schreibt: „Mit Bestürzung musste ich diesen Mittwoch feststellen, dass Ihre Partei bereit ist, erstmals mit der AfD im Bundestag zusammenzuarbeiten (ausgerechnet im Anschluss zur Gedenkstunde an Auschwitz!). Und leider musste ich dem namentlichen Abstimmungsergebnis entnehmen, dass auch Sie persönlich dazu bereit sind.“
Dass es keine Absprachen mit der AfD gab, lässt Florian Roth gelten. „Aber es ist zu kurz gegriffen, dass Zusammenarbeit lediglich bedeutet, dass man gemeinsam einen Plan schmiedet“, erläutert Roth. „Wenn man ein ähnliches Ziel hat, muss man nicht miteinander sprechen, um zusammenzuarbeiten.“ In Bezug auf Andreas Jung persönlich ist dem Konstanzer wichtig, dass er „diese Situation nochmals politisch reflektiert“. Und für die Zukunft, dass Jung deutlich mache, wo er politisch stehe und klar sage, dass er für die Zukunft eine nochmalige Kooperation mit der AfD ausschließe.
Andreas Jung erklärt sich
Was aber sagt Andreas Jung selbst zu der denkwürdigen Situation im Bundestag und zum eigenen Handeln? Sieht er seine Glaubwürdigkeit beschädigt? Leicht habe er sich die Entscheidung nicht gemacht, sagt Jung. Und fügt hinzu, dass es sich für ihn um die schwerste Sitzungswoche seines politischen Lebens gehandelt habe.

Bereits am Montag vor der Abstimmung habe sich eine schwierige Lage abgezeichnet: Abgeordnete der AfD hätten angekündigt, entgegen allen parlamentarischen Gepflogenheiten, den Gesetzentwurf der CDU in dieser Woche im Bundestag zur Aufsetzung zu stellen. Das erläutert Andreas Jung gegenüber dem SÜDKURIER und auf einem Video, das er auf Instagram und Facebook gepostet hatte.
Damit sei die CDU in eine knifflige Lage gekommen: Dem eigenen Entwurf, aber von der AfD aufgesetzt, zustimmen, das sei für die Fraktion nie eine Option gewesen. Aber den eigenen Antrag abzulehnen, weil die AfD ihn stellt, hätte die CDU ebenfalls angreifbar gemacht, erläutert Jung. Ihr wäre vorgeworfen worden, dass sie in der wichtigen Frage der Begrenzung der Migration nicht handelt. Deshalb habe CDU-Chef Friedrich Merz verstärkt um die Stimmen der SPD und der Grünen geworben, allerdings erfolglos.
„Eine absolute Ausnahmesituation“
Für Andreas Jung bleiben zwei Dinge zentral: Zum einen habe er in der Fraktion klargemacht: „Wir wollen die Stimmen der AfD nicht“.Man zielte mit der Positionierung ausschließlich auf eine Mehrheit in der politischen Mitte. Zweitens, und das sei ihm besonders wichtig: Das sei kein Präzendenzfall, sondern eine absolute Ausnahmesituation, die sich nicht wiederholen werde.
Was die Zukunft betrifft, so bezieht Jung klar Stellung: „Wir schließen nicht nur eine Koalition mit der AfD und eine Zusammenarbeit mit der AfD klar aus. Wir schließen auch eine Kanzlerwahl ohne eine gesicherte Mehrheit in der politischen Mitte, bei der es auf Stimmen der AfD ankommen könnte, glasklar aus.“
Über die AfD äußert sich der Abgeordnete deutlich: „Die AfD ist rechtsradikal, extremistisch und ausländerfeindlich. Sie vertritt offen das menschenverachtende und verfassungswidrige Konzept der Remigration.“ Deshalb gehe eine enorme Gefahr von der AfD aus und dies wiederum bedeute, dass die politische Mitte Handlungsfähigkeit beweisen müsse – was auch eine Stärkung der inneren Sicherheit und eine bessere Steuerung der Migration beinhalte.
Am Wochenende hat Andreas Jung bereits viele Gespräche mit Bürgern geführt, wie er am Telefon berichtet. Dabei habe er Zustimmung und Kritik erlebt, allerdings auch Verständnis nach seinen Erläuterungen. „Selbst diejenigen, die meine Begründung nicht nachvollziehen konnten, haben meine Entscheidung nicht verurteilt.“ Er habe, das betont Jung mehrfach, nur mit Ja stimmen können, weil es sich bei dem Vorgang um eine absolute Ausnahme handelte.
Bei einer Podiumsdebatte zur Asylpolitik hatte Jung berichtet, dass er im Januar 2024 an der großen Demo gegen rechts teilgenommen hatte. Wird er am 8. Februar in Konstanz wieder dabei sein, wenn für die Demokratie demonstriert wird? „Ja, ich werde teilnehmen, weil ich davon ausgehe, dass es beim Aufruf zur Demonstration bleibt: Alle demokratischen Kräfte demonstrieren überparteilich für unsere Demokratie. Für mich geht es dabei um den Zusammenhalt der Demokraten gegen Rechtsextreme.“