Sebastian Küster und Andreas Schuler

Sollte er sich als Täter herausstellen, beging der Feierabend-Räuber sechs Überfälle in sechs Wochen, jeweils kurz vor Ladenschluss. Doch der Einzelhandel kann beruhigt durchatmen. Der SÜDKURIER fand am Vormittag heraus, dass ein Mann nach dem Überfall auf einen Obi in der Carl-Benz-Straße am Mittwochabend festgenommen worden sein soll. Die Polizei bestätigte die Information auf Nachfrage. Erst am Nachmittag informierte sie dann selbst ausführlicher.

Freitag, 8. Mai, 21 Uhr: Der Netto-Markt in der Sepp-Biehler-Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener schwarzer ...
Freitag, 8. Mai, 21 Uhr: Der Netto-Markt in der Sepp-Biehler-Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener schwarzer Waffe Geld. | Bild: Schuler, Andreas

Zwei Mitarbeiter verletzt

Die Tat soll sich laut Polizei so abgespielt haben: Der Mann war als Kunde in der Filiale. Plötzlich zog er eine schwarze Pistole aus der Jacke und zwang die Kassiererin die Kasse zu öffnen und ihm das Geld zu geben. Zwei Mitarbeiter versuchten den Täter noch vergeblich an der Flucht zu hindern. Dabei wurden sie verletzt.

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Die Polizei war so schnell vor Ort, dass sich der Feierabend-Räuber unter einem Lastwagen ganz in der Nähe verstecken musste und auf dem Weg dorthin das erbeutete Geld verlor. Ermittler durchsuchten die nähere Umgebung des Tatorts, entdeckten den Mann und nahmen ihn fest. Sie stellten „umfangreiche Beweismittel“ sicher, wie aus der Pressemitteilung hervorgeht. Welche das sind, wollte die Polizei nicht mitteilen.

Donnerstag, 14. Mai, 19.40 Uhr: Der Edeka-Markt in der Staader Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener Waffe Geld.
Donnerstag, 14. Mai, 19.40 Uhr: Der Edeka-Markt in der Staader Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener Waffe Geld. | Bild: Schuler, Andreas

Noch wird geprüft, „ob der 38-Jährige für weitere Straftaten in Betracht kommt“, heißt es weiter. Dass auch die Überfälle auf Discounter, einen Supermarkt und einen Imbiss der vergangenen Wochen auf sein Konto gehen, gilt als wahrscheinlich. Der Verdächtige sitzt in Untersuchungshaft.

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Patrick Margraf, Geschäftsführer des überfallenen Obi in der Carl-Benz-Straße, reagierte so auf SÜDKURIER-Anfrage: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir zum Schutz unserer Mitarbeiter einstweilen keine Fragen im Zusammenhang mit dem Ereignis beantworten und kommentieren können.“ Nur so viel schrieb er dann doch noch: „Wir gratulieren der Polizei zur schnellen und professionellen Reaktion und freuen uns über die zeitnahe Festnahme des Tatverdächtigen.“

Mitarbeiter dürfen nicht mit der Presse sprechen

Die Mitarbeiter des Hauses sind zum Schweigen verpflichtet. Die Frau, die zum Zeitpunkt des Überfalles an der Kasse saß und mit der Waffe bedroht wurde, ging am Tag danach nicht zur Arbeit – zu tief saß der Schrecken.

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Pamela Baumhardt, Leiterin der Unternehmenskommunikation Edeka Baur in Konstanz, reagierte erleichtert, als sie vom SÜDKURIER von der Festnahme des vermeintlichen Räubers erfuhr. „Wir sind wirklich super beruhigt jetzt, zumal wir uns ernsthaft Sorgen um unserer Mitarbeiter gemacht haben“, sagt sie. „Die Gewaltbereitschaft der Person hatte ja offenbar zugenommen.“

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Edeka Baur war kurz davor, Sicherheitsleute zu engagieren

Das Unternehmen stellte sich immer wieder Fragen, wie Pamela Baumhardt erzählt: „Wie können wir unsere Mitarbeiter schützen? Sollen wir Security aufstellen? Und wo wäre das am sinnvollsten?“ Sie spricht von einer gewissen Hilflosigkeit der Situation gegenüber, die man so glücklicherweise nicht kannte.

Klar sei aber auch: „Wenn jemand mit einer Pistole Geld fordert, muss man das sofort herausgeben und darf nicht den Held spielen“, sagt sie. „Wir können es ja niemandem zumuten, in so einer Situation sich selbst in Gefahr zu bringen.“

Samstag, 13. Juni, 21 Uhr: Der Lidi-Markt in der Kreuzlinger Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener, schwarzer ...
Samstag, 13. Juni, 21 Uhr: Der Lidi-Markt in der Kreuzlinger Straße wird überfallen. Der Täter erbeutet mit vorgehaltener, schwarzer Waffe Geld. Er schlägt dem Mitarbeiter an der Kasse mit der Waffe mehrmals gegen den Kopf. | Bild: Schuler, Andreas

Kassiererinnen und Mitarbeiter diverser Konstanzer Einkaufsmärkte nahmen die Nachricht von der Festnahme ähnliche erleichtert auf – sie wollen aus Angst vor Problemen mit ihren Arbeitgebern jedoch weder mit Name noch mit Bild in Erscheinung treten. „Wir hatten zwar keine Angst vor einem Überfall“, sagt eine Kassiererin mittleren Alters. „Aber diese Überfallserie war schon ständig ein Thema bei uns. Wir hatten auch die deutliche Anordnung, im Falle eines Überfalles alles herzugeben, notfalls auch unsere Handtaschen oder Uhren.“

„Wir haben maximal 2000 Euro in unseren Kassen“

Der Täter hat stets gegen Abend zugeschlagen. Womöglich in der Erwartung, zu diesem Zeitpunkt am meisten Geld erbeuten zu können. Eine Kassiererin kann diese Vermutung zerschlagen: „Wir haben maximal 2000 Euro in unseren persönlichen Kassen“, erklärt sie – jede Kassiererin hat eine eigene Kasse, die sie selbst verwaltet, abrechne und für die sie Verantwortung trägt. „Regelmäßig müssen wir unsere individuellen Einnahmen in einen Tresor in den Büroräumen bringen. Den öffnen wir mit einem Code.“

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Geld aus dem Tresor? Automatisch wird die Polizei alarmiert

Sollte ein Täter auf die Idee kommen, mit vorgehaltener Waffe die Öffnung des Tresors zu erzwingen, wird er mit der Beute nicht weit kommen. „Wenn wir dann nämlich den Tresor mit einem speziellen Code öffnen, erhält die Polizei sofort Alarm und ist in wenigen Minuten vor Ort.“

Mittwoch, 24. Juni, 20.32 Uhr: Die Netto-Filiale in der Wendelsbergstraße in Dettingen wird überfallen. Der Täter verlangte Geld, ...
Mittwoch, 24. Juni, 20.32 Uhr: Die Netto-Filiale in der Wendelsbergstraße in Dettingen wird überfallen. Der Täter verlangte Geld, bedrohte eine Kassiererin mit vorgehaltener Waffe und schlug sie schließlich damit. | Bild: Schuler, Andreas

Märkte in der Region halten sich bedeckt

Auch die Netto-Filialen in Allmannsdorf und in Dettingen wurden überfallen. Eine Sprecherin der Discounter-Kette schrieb auf Nachfrage: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir sensible Informationen wie unsere Sicherheitsmaßnahmen oder weitere Details zu solchen Vorfällen grundsätzlich nicht kommunizieren, um Nachahmeffekte zu vermeiden und unsere Mitarbeiter zu schützen.“

Mitarbeiter bekommen Schulungen, wie sie sich bei Überfällen verhalten sollen

Melanie Pöter von der Lidl-Pressestelle schreibt: „Uns ist die Sicherheit der Kunden und Mitarbeiter sehr wichtig. Daher setzen wir vielfältige Maßnahmen zur Überfallprävention und -aufklärung um: Wir schulen zum Beispiel unsere Filialmitarbeiter regelmäßig zum Verhalten bei Überfällen sowie zu Präventivmaßnahmen – Sicherheit in der Filiale, an der Kasse oder in den Nebenräumen.“

Auch für die Führungskräfte des Unternehmens würden dazu Schulungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Polizei und der BGHW, der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution, stattfinden.

Mittwoch, 8. Juli, 19.23 Uhr: Der Obi in der Carl-Benz-Straße wird überfallen. Zwei Mitarbeiter werden verletzt. Der Täter kann kurz ...
Mittwoch, 8. Juli, 19.23 Uhr: Der Obi in der Carl-Benz-Straße wird überfallen. Zwei Mitarbeiter werden verletzt. Der Täter kann kurz darauf festgenommen werden. | Bild: Wagner, Claudia

Sollte es doch zu einem Überfall kommen, erhielten die betroffenen Mitarbeiter direkt und unmittelbar durch ihren Verkaufsleiter und unseren Personalbetreuern, den Beauftragten für Mitarbeiter und Soziales, jegliche Unterstützung und Hilfe, wie Melanie Pöter schreibt: „Beispielsweise vermitteln wir eine psychologische Betreuung über die BGHW. Bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess berücksichtigen wir Arbeitszeit- und Arbeitsortwünsche. Eine persönliche Nachbetreuung der Mitarbeiter ist für uns selbstverständlich und wird durch unsere Beauftragten für Mitarbeiter und Soziales gewährleistet.“

„Es ist ja wichtig, dass man darüber hinweg kommt. Ansonsten schaut man jeden Kunden schräg an.“

Eine Kassiererin eines überfallenen Discounters berichtet, dass ihre Kollegin, die vom Täter während des Überfalles mit der Waffe bedroht wurde, ein paar Tage der Arbeit fern blieb, um sich von dem Schock zu erholen. „Sie hat sich wohl auch professionell behandeln lassen“, sagt die Kassiererin. „Es ist ja wichtig, dass man darüber hinweg kommt. Ansonsten schaut man jeden Kunden schräg an.“