Es ist eine ruhige, fast schon andächtige Stimmung im unteren Saal des Konzils. Immer mehr Interessenten nehmen am Donnerstag, 24. Oktober, gegen 8.30 Uhr ihre Plätze ein. Dabei sind Ehepaare und Vertreter von Immobilienunternehmen. Über 30 Personen haben sich an drei langen Tafeln platziert, manche von ihnen beraten sich mit ihren Partnern, andere sitzen alleine da.
Viele werfen noch einmal einen Blick in die Unterlagen zu der heute geplanten Zwangsversteigerung. Es ist das Gebäude, das im Konstanzer Grundbuch die Nummern 15318 bis 15321 trägt. Es steht in der Markgrafenstraße 10. Das Gebäude wurde im Jahr 2020 unter dem Namen „Grafi10“ innerhalb von Konstanz und auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.
Damals nahm eine Gruppe von rund 40 Personen, die sich ebenfalls „Grafi10“ nannten, das Haus im Stadtteil Petershausen bei einer Demonstration ein und besetzten es für mehrere Tage. Mit der Besetzung wollte die Gruppe ein Zeichen gegen die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt in der Stadt setzen, denn das Gebäude stand zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre leer. Am frühen Morgen des 22. Juli 2020 rückte dann die Polizei zur Räumung an.
Alles muss im Paket ersteigert werden
Mehr als vier Jahre später kommt das bekannte Gebäude an einem Oktobermorgen unter den Hammer. Die Zwangsversteigerung war von den Gläubigern des Besitzers beantragt worden; darunter Privatpersonen, die Bezirkssparkasse Reichenau und die Stadtverwaltung Konstanz. Bei letzterer hat der bisherige Besitzer des Gebäudes noch Grundsteuern offen. Vertreter der Verwaltung und der Bank, sowie eine Privatperson wohnen der Versteigerung bei.
Um kurz nach 8.30 Uhr beginnt Rechtspflegerin Monika Schönbucher mit den Formalien des Verfahrens. Die Bezirkssparkasse hatte beantragt, dass die Wohnungen nicht einzeln, sondern als Gesamtpaket erworben werden sollen. Dem stimmen auch die anderen Gläubiger vor Ort zu und so verkündete Schönbucher: „Die vier Einheiten können nur zusammen, also en bloc ersteigert werden.“

Zudem verweist sie darauf, dass Miet- und Pachtverhältnisse bei Zwangsversteigerungen übernommen werden müssen. Sie erklärt aber: „Uns ist über Mietverträge nichts bekannt.“ Dennoch ist sie zu diesem Hinweis verpflichtet. Dann geht es mit den Regeln der Versteigerung weiter.
Der Wettstreit der Bieter beginnt
Der Verkehrswert der Immobilie wurde auf 700.000 Euro festgesetzt. Ein Gebot muss mindestens die Verfahrenskosten von 23.925 Euro abdecken, jedoch stellt Schönbucher ebenfalls klar, dass der Zuschlag abgelehnt werde, sollte das höchste Gebot unter der Hälfte des Verkehrswerts, also 350.000 Euro liegen. Jeder Bieter muss vorab beweisen, dass er zahlungsfähig ist und zehn Prozent des Immobilienwerts an das Gericht vorab überwiesen haben oder einen beglaubigten Nachweis der Bank vorlegen.
Dann gibt ein Ehepaar das erste Gebot ab: 370.000 Euro. Vier weitere Bieter beteiligen sich am Kampf um die Immobilie. In Zehntausend-Euro-Schritten treiben sie den Preis immer weiter in die Höhe – bis 460.000 Euro. Dann steigt ein fünfter Bieter ein und erhöht das Gebot direkt um 140.000 Euro auf insgesamt 600.000 Euro.
Zukunft von „Grafi10“ bleibt ungewiss
Ab diesem Zeitpunkt liefern sich nur noch zwei Bieter – beides Immobilienfirmen – ein Duell. Das anfangs noch zähe Ringen um jedes neue Gebot entwickelt sich zu einem Pingpong-Spiel. Als der Verkehrswert von 700.000 Euro erreicht ist, wird es wieder etwas langsamer. Der Zuschlag fällt bei 750.000 Euro an die Singener Wohnbau-Firma Schikorr. Die Käufer müssen jetzt nur den Kaufpreis und 2000 Euro Gerichtskosten aufwenden. Es gebe keine Lasten aus dem Grundbuch, erklärt Rechtspflegerin Schönbucher.
Was mit der Markgrafenstraße 10 jetzt passiert, ist zum momentanen Zeitpunkt noch nicht klar. Konkrete Pläne gebe es derzeit noch nicht. Zuerst müsse das Gebäude besichtigt werden, erklärt Nikolay Schikorr dem SÜDKURIER wenige Stunden nach dem Ende der Zwangsversteigerung am Telefon. Erst dann könne entschieden werden, wie es mit dem Gebäude weitergeht.