Wind, Regen und neun Grad Celsius Außentemperatur. Der 23. Oktober 1983 war ein kalter Tag in New York City. Doch den Konstanzern Jochen Kaiser, Peter Petzold, Arno Kloke, Gerhard Marquardt, Peter Maurer und Matthias Mende sind heiße Szenen in Erinnerung: Schmissige Kapellen, die sie beim Weg durch Harlem begleiteten, und an die zwei Millionen Zuschauer, die sie über Stunden hinweg anfeuerten.
Die sechs Sportler vom Konstanzer Lauftreff gehörten zur achtköpfigen Gruppe, die die Stadt beim Marathon durch New York vertrat. „Constance greets New York„ prangte auf ihren Laufshirts. Wobei die Schreibweise von Konstanz wohl Missverständnisse auslöste. „Einer hat mir Vive la France“ zugerufen, sagt Matthias Mende.
Initiator des Ausflugs über den großen Teich sei Kurt Rehm gewesen. Beim Konstanzer Lauftreff handelte es sich um einen Verbund von lauffreudigen Menschen, die in sechs Gruppen im Lorettowald trainierten. „Es gab da fünf normale und eine Chaotengruppe“, erinnert sich Peter Maurer. Die „Chaoten“, das waren die, die auf extreme Langstrecken setzten. Es habe keine Mitgliedschaft gegeben.


Man habe sich einfach immer am Samstag um 15 Uhr getroffen, erzählt Matthias Mende. Arno Kloke weiß noch, wie er zur Vorbereitung auf den Marathon um den Flughafen in Zürich gelaufen sei. In New York kamen alle acht Konstanzer durchs Ziel, Maurer sogar als 888. von 14.546 Läufern mit der Zeit von zwei Stunden, 50 Minuten und 42 Sekunden.
Am Ziel hat der Bär gesteppt
„Damals war das meine Bestzeit. Später bin ich dann noch bessere gelaufen“, sagt der heute 70-Jährige. Zum Vergleich: Der Sieger war nach zwei Stunden, acht Minuten und 59 Sekunden im Ziel, der letzte Läufer nach neun Stunden, 36 Minuten und 49 Sekunden.

„Am Ziel hat der Bär gesteppt“, weiß Maurer noch. „Die großen Fünf in der Marathon-Szene, das waren damals Berlin, London, Chicago, Boston und New York„, sagt er. „Für einen New Yorker ist jeder Marathonläufer ein Held.“

Entsprechend begeistert seien die Zuschauer gewesen. „Go, go, go on, looking good“, diese Anfeuerungsrufe habe er noch in Erinnerung. Einer der damaligen Mitstreiter, mittlerweile leider verstorben, habe mit Muskelproblemen zu kämpfen gehabt. Diesem seien die ständigen Aufmunterungen eher auf die Nerven gegangen. Er habe geflucht: „Nix looking good. Scheiße looking!“
Zuschauer jubeln die Läufer ins Ziel
Trotz des Wutanfalls, auch er erreichte nach vier Stunden und 35 Minuten das Ziel. 3000 andere Läufer hatten vorzeitig aufgegeben. Matthias Mende (3:45 h) berichtet: „Wir wurden genauso angefeuert wie die Ersten.“ Er sei in der Nähe des Ziels zusammen mit einem Schwarzen gelaufen. „Der war fertig. Der wollte raus.“

Doch das Publikum habe auch diesen Sportler zum Weitermachen ermutigt. In jedem Stadtviertel gab es andere Empfangsszenen, mal spielten Jazz-Gruppen, mal heulten die Martinshörner von Feuerwehren. Die U-Bahn habe einen Extrastopp eingelegt und gehupt, erinnert sich Peter Petzold.
Die Nudel-Party im New Yorker Hotel
Schon der Start sei eine Show gewesen: eine Meile lang Pinkelrinnen. Petzold weiß noch, was mit Jacken und Hosen geschah, die die Teilnehmer beim Lauf nicht benötigten. Man habe sie einer gemeinnützigen Organisation gespendet. In der Menge der Sportler stehend habe man sein Bündel hochgehalten, von den Nachbarn sei es dann bis zur Sammelstelle weitergegeben worden.
Am Tag vor dem Lauf wurden die Gäste aus dem Ausland zum Frühstück vor das Gebäude der Vereinten Nationen geladen und zur Nudelparty in einem Sheraton-Hotel. Als Konstanzer Jahre später wieder in der Herberge übernachten wollten, stellten sie fest, dass sie durch einen Brand geschädigt und völlig verfallen war.