Noch sieht es gut aus in der idyllischen und bei Touristen beliebten Stadt Konstanz. Doch hinter den Fassaden kämpfen einige Gastronomen um ihre Existenz. Nach zwei Jahren in der Pandemie und den damit verbundenen Umsatzeinbußen lassen Kraft und Mut langsam nach. Mit den steigenden Inzidenz-Zahlen, der 2G-Plus-Regelung bei ausgedünnter Bestuhlung und Verkürzung der Öffnungszeiten wird das Überleben von Tag zu Tag schwieriger.
„Die Frequenz fehlt. Die Leute kommen einfach nicht.“Angelique Nürnberger-Llanos, Gastronomin

„Ich bin ratlos. Wie soll das weitergehen?“ Das sagt ausgerechnet die sonst so optimistische und lebensbejahende Gastronomin Angelique Nürnberger-Llanos. Seit zehn Jahren betreibt sie das DSMC-Clubheim. Allerdings: „Auch bei einem normalen Betrieb macht man keine wahnsinnigen Umsätze“, sagt sie. Die Gaststätte sollte die vierköpfige Familie ernähren. Deshalb hat sie 2019 zusätzlich das Restaurant Suppengrün übernommen.
Angelique Nürnberger-Llanos hatte auf die Weihnachtsfeiern im November und Dezember gehofft. „Vollkatastrophe“, sagt sie unumwunden. „Wir waren ausgebucht. Dann 4800 Absagen.“ Lediglich zwei Feiern mit insgesamt 29 Personen konnte sie ausrichten. „Diese verlorenen Umsätze kann man im Sommer nicht aufholen“, stellt die 50-Jährige fest.
Ebenso schwierig ist es mit dem Suppengrün, denn die monatlichen 11.000 Euro Pacht samt Nebenkosten muss sie erst einmal verdienen. Aber: „Die Frequenz fehlt. Die Leute kommen einfach nicht“, stellt sie fest und blickt auf die fast menschenleere Sigismundstraße und fügt an: „Man kann gerade so überleben.“
Die Frage ist nur: Wie lange noch? „Zwei Jahre sind wir jetzt mit einem blauen Auge davongekommen. Im März 2020 waren wir schon zahlungsunfähig. Wir hatten keine Wahl. Wir brauchten die Soforthilfen. Ohne sie wären wir hochverschuldet“, sagt sie. Was Angelique Nürnberger-Llanos aber schwer auf der Seele lastet: „Wenn wir die Hilfen zurückzahlen müssen, dann sind wir voll in der Privatinsolvenz. Dann ist fertig.“
„Nach der x-ten Änderung wussten die Leute gar nicht mehr, was sie noch dürfen.“Markus Hensler, Gastronom

„Uns fehlt die Perspektive“, stellt Markus Hensler vom Restaurant Wallgut und Mitglied des Konstanzer Wirtekreises fest. Die Einführung von 2G-Plus brachte manchen Gastronomen an die Grenze. Für Hensler ist dieser Moment im Dezember 2021 unvergessen. „Ich war enttäuscht, dass ohne Vorwarnung ein solcher Hammer kam. Gerade auf das Wochenende hin ist das eine schier unbezwingbare Aufgabe. Da hätte ich mir mehr Zähneknirschen von unseren Verbänden gewünscht.“
Die neuerliche Änderung der Regelung sowie die steigenden Inzidenzzahlen verunsicherten noch mehr Gäste und brachten die Storno-Welle richtig in Gang. Hensler spricht von 50 Prozent in seinem kleinen Restaurant. „Meine Frau konnte durch viel Aufklärungsarbeit 20 Prozent zurückholen, denn nach der x-ten Änderung wussten die Leute gar nicht mehr, was sie noch dürfen.“ Das sonst florierende Weihnachtsgeschäft im Restaurant Wallgut fiel 2021 mau aus. „Zehn Gäste am zweiten Weihnachtsfeiertag“, sagt Markus Hensler lakonisch.
Nebenher noch Essen zum Mitnehmen anzubieten, geht aus Kapazitätsgründen nicht, denn: „Ich bin hier der einzige Koch“, so Hensler. Außerdem: „Einwegverpackungen sind verboten. Nachhaltiger Bambus ist sechs- bis achtmal so teuer und mittlerweile nicht mehr lieferbar. Das Recup-System ist eigentlich eine gute Idee, aber mit immensen Kosten verbunden“, skizziert er weitere Probleme.
Markus Hensler ist aufgrund der Unwägbarkeiten „ultravorsichtig“ geworden. „Wir schauen immer, die Kosten zu optimieren. Die Speisekarte haben wir so verändert, dass wir bei einer etwaigen Schließung noch etwas mit den Lebensmitteln machen können.“ Aus Gesprächen mit seinen Kollegen weiß er: „Jeder von uns hat schon gesagt, er kann nicht mehr; wir sprechen uns gegenseitig Mut zu.“
Auch im Wallgut darf jetzt kein teures Gerät kaputt gehen, denn: „Unsere Reserven sind langsam aufgebraucht.“ Wie es weitergeht, weiß auch er nicht: „Im Frühjahr wird es sich herausstellen, wer noch Energie, Kraft und Rücklagen hat. Dann hoffen wir auf gutes Wetter, und, dass wir Personal bekommen.“
„Noch so einen Winter möchte ich nicht erleben. Dann wird es richtig kritisch.“Alfred Spicker, Hotellier

Die Durststrecke ist lang“, seufzt Alfred Spicker, Mit-Eigentümer des inhabergeführten Hotel Restaurant Volapük in Litzelstetten. Gute und schlechte Zeiten habe er in seiner 38-jährigen Gastronomie- und Hotellerie-Laufbahn erlebt, aber die jetzige Situation übertreffe das Dagewesene.
Die Crux war die Absage des Konstanzer Weihnachtsmarktes, der sonst in der Nebensaison wenigstens ein paar Urlaubsgäste nach Konstanz locke. Der Christmas Garden auf der Insel Mainau „hat uns immerhin mit einem blauen Auge davonkommen lassen“, so Spicker. Eben solche Veranstaltungen im Winter seien wichtig für Hotellerie und Gastronomie. „Wir können dann zwar nicht kostendeckend arbeiten, aber immerhin wird der Verlust geringer. Die richtige Saure-Gurken-Zeit ist immer Januar und Februar, denn da gibt es gar keine Events“, schildert Alfred Spicker.
Alfred Spicker spricht von „50 Prozent Minus gegenüber 2019; im Vorjahr war ja Null“ ruft er den Lockdown in Erinnerung. Diesen Winter gab es keinen Lockdown und das bedeute: „Wir haben keine finanziellen Hilfen zu erwarten. Die ganzen Kosten und Defizite müssen wir selber tragen“, gibt der erfahrene Hotelier zu bedenken.
Auch wenn in seinem Betrieb gut gewirtschaftet wurde und es keinen Investitionsstau gebe, sagt er offen: „Noch so einen Winter möchte ich nicht erleben. Dann wird es richtig kritisch.“ Zumal er alles daran setzt, seine Mitarbeiter zu halten, denn viele Service- und Küchenmitarbeiter seien mittlerweile in krisensichere Berufe gewechselt.
„Konstanz ist die geilste Stadt der Welt. Aber im Winter mit Nebel...“Thorsten Rauber, Geschäftsführer

Aufgrund der Unsicherheiten, und weil Kurzarbeitergeld nicht unbedingt zum Leben ausreiche, hätten viele Mitarbeiter der Branche sich andere Jobs gesucht, bestätigt Thorsten Rauber, Geschäftsführer des Kettenhotels Ibis am Benediktinerplatz. Vor allem Jobs im Lebensmittelbereich, darunter Supermärkte, seien gefragt, weil sie krisensicher seien. Das Ibis sei bislang gut durch die Krise gekommen.
Rauber spricht für das Jahr 2021 von „einer schwarzen Null“ und wertet bezüglich der Rahmenbedingungen: „Das ist okay.“ Dass der Weihnachtsmarkt nach ein paar Tagen schon geschlossen wurde, bedauert Thorsten Rauber. Er hätte sich „mehr Mut von den Entscheidungsträgern“ gewünscht, schließlich bräuchten Gäste einen gewissen Anreiz. „Konstanz ist die geilste Stadt der Welt. Aber im Winter mit Nebel – da denken sich die Urlaubsgäste: Was soll ich hier denn machen?“, schildert Rauber.
Für das Ibis bestehe keine Gefahr, aber: „Das eine oder andere Restaurant und manche Eckkneipe wird wohl schließen“, meint er. Insgesamt ist er aber zuversichtlich, denn: „Konstanz ist touristisch gesehen eine sichere Bank. Da haben es die Kollegen in anderen Städte, wie Wiesbaden, Heilbronn oder Frankfurt, schwerer.“