Hendrik Auhagen entwirft die Vision von einer urbanen Welt, in der das gute und entschleunigte Leben ohne Auto möglich ist. Der Vorsitzende des Kreisverbands des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) sagt, das verstehe er unter Verkehrswende. Sie solle bis in elf Jahren vollzogen sein. Im Stadtgebiet sollen dann nur noch halb so viele Fahrzeuge wie heute unterwegs sein und ein Drittel der heutigen Parkplätze bereitstehen.
Das Fahren mit dem eigenen Auto solle die Ausnahme sein, etwa für Menschen mit Behinderungen. Für ländliche Regionen werde es andere Lösungen geben, sagt Auhagen. Im Saal erntet er für diese Vision Zustimmung, aber auch Skepsis. Der VCD hatte zu einer Diskussionsrunde in den Treffpunkt Petershausen eingeladen.
In Hendriks Auhagens Welt ist die Brauneggerstraße im Stadtteil Paradies nach der Verkehrswende keine Häuserschlucht mehr, in der rechts und links die Fahrzeuge dicht an dicht parken. Der Verkehr bewegt sich langsam im Einbahnverkehr auf nur noch einer Spur. Die andere Seite der Fahrbahn und die früheren Parkplätze sind begrünt. Hier können Bürger spielen und verweilen. Und wie soll das alles möglich sein? Mit sanftem Druck und vielen Anreizen. „Das Leben vor Ort muss angenehm sein“, sagt Hendrik Auhagen.
Es gelte das Prinzip der kurzen Wege vorzubereiten. Die Menschen sollten dort, wo Mobilitätspunkte mit Haltestellen und Carsharing und Leihrädern stehen, auch Dinge des täglichen Bedarfs finden. Für diejenigen, die ohne besonderen Grund weiter aufs eigene Auto setzen, solle es teuer werden. Das Parken im öffentlichen Raum solle schrittweise angehoben werden und mindestens so viel kosten wie das Deutschlandticket für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im Monat.
Es gelte jetzt entsprechende Strukturen zu schaffen. Einfach nur die Verbrenner durch E-Autos zu ersetzen, wäre keine Verkehrswende, sondern eine „katastrophale Perspektive“, so Auhagen. Er stellt fest, der materielle Wohlstand in Europa und Deutschland werde abnehmen müssen, und damit auch der Verbrauch von Ressourcen, der das Klima und die Umwelt belastet. Dafür gewännen die Menschen aber ein Leben, in dem nicht mehr der Stress Regie führe und öffentlichen Raum.
Zweifel an praktischer Umsetzung
Vertreter aus Verbänden und Parteien befürworten die Grundlinien des Entwurfs, wenn auch einigen nicht klar ist, wie die praktische Umsetzung gelingen solle. So sagt der CDU-Stadtrat Manfred Hölzl: „Wie überzeuge ich die Bürger? Man kann den Menschen nicht einfach sagen, du darfst nicht mehr fahren.“ Ihm sei wohl bewusst, dass manche die Größe ihres Fahrzeugs auf wenige Ereignisse ausrichteten, wie den Urlaub oder den Großeinkauf.
Er sehe im Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs einen Schlüssel. Doch gerade in diesem Bereich hätten die Konstanzer Stadtwerke große Probleme genügend Mittel und Personal bereitzustellen. Er plädiert für „vernünftige Konzepte“, etwa Carsharing an zentralen Punkten und Ansprechpartner als Alternative fürs Buchen übers Internet. SPD-Stadtrat Jürgen Ruff sieht die Notwendigkeit, auch die Wege übers Wasser in die Sammeltickets für den öffentlichen Nahverkehr einzubeziehen.
Ralf Seuffert vom Allgemeinen deutschen Fahrradclub (ADFC) bemängelt, dass die Zahl der heutigen Radfahrer entscheidend ist für die Frage, ob Radschnellwege gebaut werden oder nicht. „Das ist die falsche Argumentation“. Er geht davon aus, dass viel mehr Menschen aufs Rad umsteigen, wenn die Schnellwege erst verwirklicht seien. Er und andere Redner sprechen sich dafür aus, Fußgängern und Radfahrern im Verkehr Priorität einzuräumen, noch vor dem öffentlichen Nahverkehr.
Adalbert Kirchgäßner fordert freundliche Ampelschaltungen für Radler. Aktuell würden sie viel zu oft ausgebremst. Niklas Becker von den Klimaaktivisten von Fridays for Future und den Grünen schlägt eine allgemeine Abgabe für den öffentlichen Nahverkehr vor. Diese solle auf Abonnements von Verkehrstickets angerechnet werden. Nur so wäre der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs möglich, ohne dass die Fahrpreise steigen.
Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit
Florian Roth vom Jungen Forum in Konstanz schlägt vor, die Preise fürs Parken nach Länge der Fahrzeuge zu staffeln. Ihm schwebe einen Euro pro Zentimeter vor. In der Stadt solle zudem Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit gelten. Grundsätzlich würden mit der Verkehrsberuhigung Immobilien an Wert gewinnen. Dies unterstreicht auch Wolfgang Himmel: „Die Lebensqualität steigt mit weniger Verkehr.“
Horst Scheu, Ortschaftsrat aus Dingelsdorf, plädiert dafür, die ländlichen Regionen nicht zu vergessen. „Denkt gesamtstädtisch, nicht nur innerstädtisch“. Die Verdichtung und die Parkplatznot seien auch auf dem Land ein Problem. Aber es fehle an guten Anbindungen. Adalbert Kirchgäßner weist darauf hin, dass auf dem Land oft nicht mal mehr eine Grundschule und ein Laden vor Ort seien. Mit diesen Mängeln lasse sich der Verkehr nicht eindämmen. Thomas Wildenmann aus Moos appelliert, die Infrastruktur zu nutzen, die schon vorhanden ist. Auf dem Radweg nach Radolfzell sei er etwa außerhalb der Touristensaison völlig allein.