Nicht jede Ente hat so ein Glück mit den menschlichen Paten wie Rosi. Wer duldet schon einen Wasservogel in seinem Balkonkasten, der – ungefragt – zum Nistkasten umfunktioniert wird? Rosi jedoch hat mit den Konstanzern Sarah Spießer und Björn Eßlinger das große Los gezogen. „Sie hat sich uns ausgesucht. Jetzt ist sie schon zum zweiten Mal da“, stellt Sarah Spießer fest.

Am 8. April hatte Spießer in ihrem Blumenkasten, wo sie unter dem Rosmarin Erdbeeren gepflanzt hat, ein Ei entdeckt. Die große Frage: Wem gehört dieses Ei? Sie hat sich informiert und dann war klar: Es muss von einer Stockente sein. Doch bei einem blieb es nicht. Das Nest auf dem Balkon im Stadtteil Fürstenberg füllte sich immer mehr, bis die Ente – zwischenzeitlich wurde sie auf den Namen Rosi getauft – blieb und brütete.

Die Enten-Paten haben sich extra eine Webcam geliehen, damit sie Rosi bewachen können, ohne sie zu stören.
Die Enten-Paten haben sich extra eine Webcam geliehen, damit sie Rosi bewachen können, ohne sie zu stören. | Bild: Sarah Spießer 

Statt Erdbeeren Ente mit Küken

Sarah Spießer und Björn Eßlinger verschmerzten den Verzicht frischer Erdbeeren und lasen alles über die Lebensweise von Stockenten. „Sie legen im Schnitt sieben bis zwölf Eier. Bis zum Schlupf dauert es 24 bis 30 Tage“, gibt Sarah Spießer Einblick in ihr neu erworbenes Wissen. Mehr noch: Sie hat den voraussichtlichen Geburts-, nein, Schlupftermin ausgerechnet, im Kalender eingetragen und eine Webcam installiert, um auf dem Laufenden zu sein, wie es Rosi geht.

Nervös war nicht nur die werdende Mutter, sondern auch die Paten. Sie hatten nicht nur Sorge, dass die Küken vom Balkon springen und sich verletzen könnten. Schwerer wog ein anderes Problem: Hauptverkehrsstraßen, darunter die Max-Stromeyer- und Reichenaustraße, trennen Kinderstube und Wasser voneinander. Für das Paar stand fest: „Wir machen den Shuttle-Service“, so Björn Eßlinger.

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Eine nervenaufreibende Zeit

Es war eine nervenaufreibende Zeit, denn „man hat nach dem Schlupf nur sechs bis zwölf Stunden Zeit, sie ans Wasser zu bringen“, erklärt Sarah Spießer. Das heißt: Die Paten lagen auf der Lauer und überwachten Rosi. Am Morgen des 16. Mai war es dann so weit. „Kurz nach 9 Uhr wurde Rosi aufgeregt. Da war klar: Jetzt passiert was“, berichtet Sarah Spießer und erzählt weiter: „Gegen 11.30 Uhr hat man zwei kleine Köpfchen gesehen.“

Die Küken mitsamt Mutter haben Sarah Spießer und Björn Eßlinger sicher in die freie Wildbahn entlassen.
Die Küken mitsamt Mutter haben Sarah Spießer und Björn Eßlinger sicher in die freie Wildbahn entlassen. | Bild: Sandra Kurschat 

Nachmittags schritten sie dann zur Tat. Björn Eßlinger hielt zwei Kartons bereit und Sarah Spießer war für das Fangen zuständig: erst Rosi, dann die Kleinen. „Rosi hat sich erst aufgeplustert und zweimal gequakt“, schildert Spießer.

Doch das Fangen gestaltete sich viel einfacher als gedacht. Aber das Konstanzer Paar musste schnell sein und auch gleich die Küken, zehn Stück an der Zahl, einfangen. Alles gelang vortrefflich und Rosi wurde samt Nachwuchs am Seerhein in die freie Wildbahn entlassen.

Die Familie wird in die freie Wildbahn entlassen Video: Sandra Kurschat

Erleichterung und ein unerwartetes Wiedersehen

Die beiden Paten waren erleichtert. „Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass etwas schiefgeht“, bekennt Sarah Spießer und Björn Eßlinger fügt an: „Es war eine aufreibende Zeit, schließlich trägt man ja Verantwortung.“ Trotzdem haben sie Rosi vermisst, es gab ja schon gewisse Rituale. Zur Erinnerung haben sie Eierschale und Flaumfedern in einem Glas aufbewahrt und das Entennest nicht abgeräumt. Und das war gut so.

Sarah Spießer und Björn Eßlinger hätten nicht gedacht, dass sie Ente Rosi wiedersehen. Eierschale und Flaumfedern haben sie als Andenken ...
Sarah Spießer und Björn Eßlinger hätten nicht gedacht, dass sie Ente Rosi wiedersehen. Eierschale und Flaumfedern haben sie als Andenken aufgehoben. | Bild: Scherrer, Aurelia

Womit die beiden nämlich überhaupt nicht gerechnet haben: Rosi kam am 11. Juni wieder. „Ich habe mich zu Tode erschreckt“, erzählt Sarah Spießer. Sie war gerade mit den Balkonpflanzen zugange, als Rosi einen Kaltstart hinlegte.

So erfreulich die Wiederkehr ist, so traurig ist der Grund: Die Küken werden wohl das schlechte Wetter und das Hochwasser nicht überlebt haben, denn Rosi brütet schon wieder. Der Schlupftermin wurde schon ausgerechnet. Sarah Spießer und Björn Eßlinger steht nun erneut eine nervenaufreibende Zeit bevor…

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