Die Freie Waldorfschule lebe hoch! Dank ihrer Offenheit hat der Narrenverein eine Bleibe gefunden. Zur Erinnerung: 2018 feierten die umtriebigen Schneckenbürgler ihren letzten bunten Abend in ihrem Traditionsstammlokal Linde in Wollmatingen. 2019 verwandelten sie die Radsporthalle in ein Hotel; jegliche Parallelen zur alten Linde waren selbstredend rein zufällig. Dann Pandemie und Fasnachtsausfall und die Suche nach einer neuen Bleibe, die sie jetzt mit der ehemaligen Straub-Halle gefunden haben. Aber schafft man es, eine nackte Industriehalle in ein gemütliches Narren-Schneckenhaus zu verwandeln?
Die Verwandlung in ein Schneckenhaus
Mit Blick in die Halle, wo die Fasnachtsfans ohne Mindestabstand an den Tischen saßen, bemerkte Schneckenburg-Präsident Arthur Bruderhofer: „Gell, fühlt sich no eweng komisch an…“ Doch rasch gewöhnten sich alle an die wiedergewonnene Freiheit, zumal die Clownkapelle die Zuschauer in Stimmung brachte, und das wie immer – seit sage und schreibe 50 Jahren! – unter Leitung von Gerd Zachenbacher.

Lange Zeit der Entbehrung
Viel ist bei den Schneckenbürglern seit 2019 passiert. „Ein neuer Präsident, ein neuer Ehrenpräsident, ein neuer Vorstand und ein stilles Jubiläum aus Anlass des 100-jährigen Bestehens. Wir hatten geplant, angesagt, geplant und wieder abgesagt“, rekapitulierte Arthur Bruderhofer. „Aber immerhin: Beim Umzug sind wir als wohlverdiente Nummer 1 gelaufen“, merkte der neue Präsident schelmisch an. Der Hintergrund: Es durfte kein Umzug stattfinden, aber die Konstanzer Narren hatten stattdessen eine „Rumdappete“ organisiert.
Aber „nach einer Fasnacht, die sich wie alkoholfreies Bier angefühlt hat“, so Bruderhofer, sorgten die Schneckenbürgler mit ihrem jetzigen bunten Abend für gute Laune und Lachtränen sowie Vorfreude auf die Fasnacht 2023. Das Programm war kürzer als gewohnt, denn auch die Schneckenbürgler taten sich – wie die meisten Vereine in Konstanz – nicht leicht, Bühnenakteure zu gewinnen.
In der Kürze liegt die Würze
Doch das kurzweilige Programm war gespickt mit allem, was ein bunter Abend braucht. Angefangen mit Stimmungsmusik, für die nicht nur die Clowngruppe, sondern auch die Meckis sorgten, bis hin zu Damen- und Herrenballetts, die nicht ohne Zugabe von den Zuschauern zum Kaltgetränk entlassen wurden.
So lehrreich kann Fasnacht sein
Das neue Domizil hatte deutliche Auswirkungen auf das Programm, das zuweilen einer närrischen Lehrstunde gleichkam. Spielleiter Thomas Hill, der mit kleinen, eigenständigen Nummern brillant durch das Programm führte, beispielsweise tanzte seinen Namen. Doch nicht nur das: Die Narrenschüler lernten mit dem wortgewandten Jürgen Stöß sogar die neue, überaus komplexe Feminismus-Sprache, die die Hirnwindungen in Schwung brachte. Und Dank des Gesangs-Comedy-Duos Andrea Trempa-Knittel und Holger Walter wissen die Mäschgerle jetzt, welche Verkleidung an Fasnacht vollkommen untauglich ist.

Sie nehmen alles aufs Schneckenkorn
Neben Verschwörungstheoretikern rief Umweltschützer Arthur Bruderhofer zur Demo auf, allerdings mit der Forderung an die „lieben Klimakleber“, sich nicht auf Straßen, sondern – viel nachhaltiger – „vors Finanzamt zu pappen“. Politik, Soziales und Sprachwandel – die Schneckenbürgler nahmen die Top-Themen gekonnt aufs Schneckenkorn, brillierten aber vor allem mit ihren urkomischen Sketchen, die nicht nur wegen der handelnden Personen, sondern auch durch die spontanen Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse zum Tränenlachen brachten, wie beispielsweise Axel Zunker und Simon Zachenbacher, denen bei ihrer Fahrstunde ständig ihre Rückspiegel demoliert wurden.

Und es gibt tatsächlich auch Schneckenbürgler, die froh und glücklich sind, in den geschützten Schulbereich zurückzukehren, namentlich Sabine Mog, Matthias Altnickel und Jürgen Renner. Warum? Dem Trio wurde die Ehre zuteil, in den erlauchten Elferrat aufgenommen zu werden. Und wer je eine Elfertaufe bei den Schneckenbürglern miterlebt hat, weiß, dass die Delinquenten mit Recht zittern. Da das neue Schneckenhaus über keine Duschen verfügt, fiel die Taufzeremonie vergleichsweise harmlos, aber dennoch mit schneckenspezifischen Narrenhumor aus – so wie der gesamte Abend.