Star Trek, Zurück in die Zukunft, Krieg der Sterne, Per Anhalter durch die Galaxis – an Weltraumthemen im medialen Umfeld fehlt es nicht. Die Giraffen hatten an ihrem Narrenkonzert dennoch einen besonders guten Grund, auf das Thema Zeitreise zu setzen: In der Gegenwart ist es schlichtweg nicht mehr auszuhalten.

Zweifel daran, dass die Zukunft nicht auf irdischem Boden liegt, hat ohnehin keiner mehr im Zuschauerraum, sobald auf der Leinwand wackelige Bilder der Landung eines Raumschiffs auf dem Parkplatz vor der Wollmatinger Halle flimmern. Keine Frage, nach zwei Jahren Corona-Pause sind die Giraffen multimedial aufgestellt: und dabei keine Anfänger mehr. Kurz darauf erfolgt die Invasion durch die Sternenkrieger mit ihren Laserschwertern. Spätestens jetzt weiß jeder: Es wird ernst in Wollmatingen.

Invasion der Sternenkrieger: Gleich zu Beginn des Abends wird es gefährlich in der Wollmatinger Halle.
Invasion der Sternenkrieger: Gleich zu Beginn des Abends wird es gefährlich in der Wollmatinger Halle. | Bild: Hanser, Oliver

Kuscheliger und publikumsnäher wird es erst später wieder. Als Fabienne Streibert es sich auf dem Sofa bequem macht und Besuch von ihrem Vater aus der Zukunft bekommt. Doch dass dieses Wesen zwischen Mann und Frau ihr Vater sein soll, hält die rotzige Jugendliche für mindestens zweifelhaft.

In Wollmatingen ist Savanne

Dennoch, die Neugier ist groß, und sie macht schon etwas her, diese Zukunft, in der Konstanz in die Schweiz eingemeindet wird, Mario Böhler Stadtammann und Schwyzerdütsch Amtssprache werden. Der Klimawandel hat Wollmatingen im Griff: „In Wollmatingen ist Savanne und die Giraffen scheißen überall hin“, erklärt Bernfried Streibert.

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Weniger friedlich geht es in der WG der Superhelden zu: Krisensitzung. Heizman (Krischa Malow), der WG-Präsident, hat schlechte Laune, Elena alias Poser-Woman (Elena Dotzauer – zu Recht Publikumsliebling und mit Fanclub angereist) kommt zu spät, Dätsch-Man (Bernfried Streibert) wird von allen gegängelt (“Dätscht mir mal das Bier bringen“) und Patsch-Man (Sebi Späth) fühlt sich auch nicht mehr recht wohl, obwohl er der gefühligste Alle-Versteher der WG ist. Nach wenigen Minuten sind alle ausgezogen.

Wirklich warmgespielt haben sich die Giraffen allerdings erst nach der Pause. Bei einer Folge von X-Factor, gekonnt moderiert von Jonathan Frakes alias Giraffenpräsident Krischa Malow, müssen sich die Zuschauer ordentlich konzentrieren, um den Wahrheitsgehalt der ihnen vorgesetzten Geschichten zu überprüfen. Kann es sein, dass Mario Böhler und Simon Schafheitle auf beinahe jedem berühmten Foto der Weltgeschichte abgebildet sind? Dass Böhler bei der Krönung der Queen direkt hinter der Königsfamilie stand? Schafheitle sich bei der Hochzeit J.F. Kennedys auf New Yorks Straßen vergnügte? Unglaublich.

Ähnlich schwer zu glauben, dass zwei Giraffen eine Zeitreise zur Gründungsversammlung der Fürstenbergler unternehmen und diese gehörig manipulieren: ihnen, denen ohnehin schon nichts einfällt, den schlechtesten Reim aller Zeiten unterjubeln.

Schlüsselszene: Zwei Giraffen bei der feindlichen Übernahme der Gründungsversammlung der Fürstenbergler.
Schlüsselszene: Zwei Giraffen bei der feindlichen Übernahme der Gründungsversammlung der Fürstenbergler. | Bild: Hanser, Oliver

Dass am Ende nur diese Geschichte den wahren Tatsachen entspricht, worüber Frakes das Publikum aufklärt, mag die Giraffen erheitern, der Narren-Konkurrenz der Fürstenbergler wird es kaum gefallen. Ob sie‘s mitbekommen haben? Das Publikum jedenfalls ist begeistert.

Immer mit dabei an diesem Abend: die Zeitenwende. „Ich bin du aus der Zukunft“, sagt Sebi Späth zu Sebi Pöhlmann in der „Corona-Edition“, dabei ist zum Zeitpunkt der Aufführung diese Zukunft noch Gegenwart. Jedenfalls klärt er sein vergangenes, über die Pandemie jammerndes Ich darüber auf, dass Toilettenpapier-Horten, Isolation und Abstandhalten noch fürstliche Heimsuchungen waren im Vergleich zu Krieg in der Ukraine, Wirtschaftskrise und Energiespargebot. Dann umarmt er die Heizung und spricht damit wohl den meisten Narren aus der Seele.

Wollmatinger Giraffen Video: Wagner, Claudia

Während die Giraffen ihrem Publikum dem Hin und Her aus Zukunft, Vergangenheit und der unerträglichen Gegenwart und dem Vertrauen auf Wollmatinger Lokalkenntnisse kognitiv so manches zumuten, wird es im Gegenzug zur Entspannung auf visuelle Reisen mitgenommen.

Tanzeinlagen bringen Publikum in Bewegung

Das Kinderballett überzeugt durch das Zusammenspiel der Jugendlichen und der Kleinsten, Lichteffekte und kindlichen Charme. Und das Männerballett – traditionell der peinlichkeitsanfälligste Teil jedes bunten Abends – besticht bei den Giraffen durch Akrobatik im Raumanzug, die notwendige Prise Ironie und eine Aerobic-Mitmach-Einlage (Ares Baier), die ganz im Trend der Zeit das Publikum in Bewegung bringt.

Das Männerballett: Akrobatik in Raumanzügen und mit Lichteffekten anstelle von fortgesetzter Peinlichkeit.
Das Männerballett: Akrobatik in Raumanzügen und mit Lichteffekten anstelle von fortgesetzter Peinlichkeit. | Bild: Hanser, Oliver

Am Schluss endet alles wie meistens in Deutschland – da ist auch Giraffia keine Ausnahme: Mit großem Getöse hebt die Raumpatrouille „Ho Narro“ zu ihrem Jungfernflug ab, nachdem zunächst Captain Zahn-Lück Picard den Piloten wegen Trunkenheit auswechseln musste. Nur um kurze Zeit später mit einem Zeppelin und einer Ladung Weltraumschrott zu kollidieren – und kurz vor dem Absturz notzulanden. Wo? Nicht auf einem anderen Planeten, sondern im Fürstenbergler Gebiet. „Ho Narro, wir kommen in Frieden!“