Fußgänger müssen sicherer durch Konstanz kommen. Und es muss dringend etwas passieren. Darin sind sich eigentlich alle einig: Das bestätigten die Mitglieder des Technischen und Umweltausschusses (TUA) bereits in ihrer Sitzung Anfang November 2022. Doch jetzt soll der Gemeinderat ein Papier voller Sprengkraft beschließen.

51 meist klein und eng beschriebene Seiten hat es, trägt den Namen Handlungsprogramm Fußverkehr und könnte am Ende vor allem eines sein: ein Handlungsprogramm Anti-Parkplätze. Die Kommunalpolitiker bekommen es in der Sitzung am Donnerstag, 2. März (16 Uhr, Hedickes Terracotta, Luisenstraße), auf den Tisch.

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Eine Kernaussage in dem Papier: Bei mehr als 270 Straßen und Straßenteilbereichen hat das Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Kaulen (SVK) Gehwege als zu schmal erachtet. SVK legt die Verbreiterung auf eine „notwendige Mindestgehwegbreite“ von 2,50 Meter zugrunde, fordert aber je nach Straße gar bis zu 4,50 Meter.

Es bleiben viele Fragen offen

Beim Studium des Handlungsprogramms tauchen viele Fragen auf, denn die meisten Punkte in den Maßnahmenkatalogen bleiben darin noch unkonkret. Das Büro Kaulen schlägt in vielen Fällen, wo es aus Sicht der Planer für Fußgänger zu eng ist, Folgendes vor: „Nutzung von Flächen des ruhenden Kfz-Verkehrs durch punktuelle Borderweiterung zur Verbreiterung der nutzbaren Gehwegfläche“ oder „durch lineare Sicherheits-/Mehrzweckstreifen“. Heißt übersetzt: Parkplätze abschaffen und dafür Bürgersteige verbreitern oder weitere Flächen für Fußgänger reservieren.

Zusätzlich werden Querungshilfen – entweder als Verbreiterung des Seitenbereichs oder als Mittelinsel – als Sofortmaßnahme vorgeschlagen. Auch das würde bedeuten: Parkplätze entfallen, respektive die Fahrbahnen würden verengt. Welche Lösung bei welcher Straße greifen soll, wird in dem Papier nicht genau benannt.

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Wie viele Parkplätze entfallen?

Wie viele Parkplätze werden mit Umsetzung des Maßnahmenkatalogs entfallen? „Dies kann noch nicht beantwortet werden“, schreibt Benedikt Brüne, Pressesprecher bei der Stadt Konstanz, auf Nachfrage. „Das Handlungsprogramm Fußverkehr stellt den Rahmen dar für die Planung einzelner Maßnahmen. Bei den einzelnen Planungen wird dargestellt, ob beziehungsweise wie viele Stellplätze entfallen.“

Aus der Vorlage an den Gemeinderat geht auch ein wichtiges Detail hervor: Wenn der Gemeinderat das Handlungsprogramm Fußverkehr beschließt, hat die Verwaltung ziemlich freie Hand. Dann hat er seine Zustimmung für sämtliche Maßnahmen und die sogenannte Umsetzungsstrategie – so unkonkret sie auch sind – erteilt.

Kann der Gemeinderat dann noch Einzelmaßnahmen beschließen oder sie kippen? „Kleine Maßnahmen werden im Rahmen des allgemeinen Budgets umgesetzt“, antwortet Benedikt Brüne auf die Frage des SÜDKURIER. Hier hätten die gewählten Volksvertreter also keinen weiteren Einfluss mehr.

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In der Sitzungsvorlage steht hierzu außerdem: „Analog zur Umsetzung des Handlungsprogramms Radverkehr wird die Verwaltung jährlich dem Technischen und Umweltausschluss berichten, welche Maßnahmen im vergangenen Jahr umgesetzt wurden und welche zur Umsetzung anstehen. Dieser Bericht erfolgt erstmalig Ende 2023.“ Das bedeutet: Die Verwaltung handelt, der Gemeinderat nimmt lediglich zur Kenntnis.

Heißt das in der Folge, dass keinerlei Projekte des Handlungsprogramms Fußverkehr dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden? „Größere Maßnahmen werden entsprechend der Wertgrenzen mit Planungsbeschlüssen und Projektbeschlüssen entsprechend der Hauptsatzung umgesetzt“, schreibt Benedikt Brüne. Auf Rückfrage kann er dann auch konkrete Auskünfte zur Höhe dieser Wertgrenze geben. „Der Punkt 32 ist maßgeblich“, erklärt er.

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Bis zu 250.000 Euro entscheidet die Verwaltung

Erst bei einer Kostenschätzung/-berechnung über einer Million Euro muss das Projekt dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden. Für Wertgrenzen, die darunter liegen, heißt es zu Projekt- und Beschaffungsbeschlüssen:

  • Bis 250.000 Euro Kostenschätzung/-berechnung liegt die Zuständigkeit beim Oberbürgermeister.
  • Über 250.000 Euro muss das Projekt vor den beratenden Ausschuss (in diesem Fall ist der Technische und Umweltausschuss zuständig).

Die Verwaltung hat sich überdies doppelt abgesichert: Sie will – so steht es im Beschlussvorschlag an den Gemeinderat – zusätzlich zum Grundsatzbeschluss auch gleich ein Budget von 250.000 Euro im Jahr. Mit diesem Geld wollen die Planer die Stadt Schritt für Schritt fußgängerfreundlicher gestalten.

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Diese Viertelmillion steht dann der Verwaltung zur Verfügung, ohne dass der Gemeinderat über die konkrete Verwendung mitreden kann. Eine Ausnahme gibt es erst, wenn ein Einzelprojekt die 250.000 Euro überschreitet; dann muss der zuständige Ausschuss seinen Segen geben. Das bedeutet: Erst dann haben die Räte ein Mitspracherecht.

Die Verwaltung geht davon aus, dass sie mit dem jährlichen Budget an etwa zehn bis 30 Maßnahmen für Fußgänger umsetzen kann. In der Vorlage stehen hierzu als Beispiele: zehn Fußgängerüberwege (pro Standort circa 23.000 Euro) oder 30 Gestaltungsmaßnahmen, zum Beispiel markierte Querungshilfen (etwa 5000 Euro). In der Diskussion sind auch weitere verkehrsberuhigte Bereiche, beispielsweise Fußgängerzonen und Spielstraßen. Pro Straße soll dies rund 7000 Euro kosten.

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Gibt es bereits Maßnahmen, die bald kommen?

Auf der Liste der schnell umsetzbaren Maßnahmen steht unter anderem der erst im Jahr 2018 nach aufwendiger Sanierung fertiggestellte Rheinsteig. Hier ist auf Höhe Schreibergasse eine Querungsanlage angedacht. Für die Schottenstraße (Fahrradstraße) sind mehrere Mittelinseln vorgesehen. Diese sollen auf Höhe Rheingut-, Wallgut- und Gartenstraße kurzfristig realisiert werden.