Auch in dieser Woche das gleiche Bild zu den Stoßzeiten im Berufsverkehr: Genervte Autofahrer wegen der langen Wartezeiten an den beiden Fähranlegern in Konstanz-Staad und Meersburg. Den Frust bekommen häufig die Mitarbeiter vom Platzdienst oder die Kassierer ab, denen schulterzuckend die Antworten fehlen. Wut und Verärgerung prägen auch die Leserzuschriften auf unsere Berichterstattung zum reduzierten Fahrplan des Fährebetriebs.
Vor allem Pendler fühlen sich benachteiligt und von den Stadtwerken nicht ernst genommen. Brachten sie noch Verständnis für die Einschränkungen während der Lockdown-Phasen in den vergangenen beiden Jahren auf, herrscht jetzt Verdruss. Denn seit Mitte Dezember verkehren dauerhaft weniger Fährschiffe, tagsüber nur noch im 20-Minuten-Takt. Weil der Andrang im Berufsverkehr aber trotzdem groß ist, kommt es zu Wartezeiten von bis zu 40 Minuten. Für Pendler ist es daher schwer vorhersehbar, wann sie zur Arbeit oder nach Hause kommen.
Immerhin scheinen die Stadtwerke Konstanz als Betreiber der Fähren das Problem inzwischen erkannt zu haben und setzen seit einigen Tagen punktuell eine zusätzliche Fähre ein. Eine Rückkehr zum regulären 15-Minuten-Takt ist aber weiterhin erst für April geplant. Immer mehr Pendler stellen sich daher die Frage: Darf der Normalbetrieb überhaupt monatelang eingeschränkt werden? Schließlich haben die Stadtwerke einen Beförderungsauftrag.
Sparkurs ist keine „höhere Gewalt“
„Grundsätzlich müssen Kunden Verspätungen und Ausfälle hinnehmen“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg. Dies gelte insbesondere, wenn die Ursache auf höhere Gewalt zurückzuführen sei, wie etwa Wetter oder technische Störungen, erklärt der Experte für Verbraucherrecht.
Anders sieht es jedoch aus, wenn eine versprochene Leistung über einen längeren Zeitraum nicht erbracht wird. Und genau hier liegt nach Ansicht des Verbraucherschützers der Knackpunkt. In einer Mitteilung der Geschäftsführung teilen die Stadtwerke nämlich mit: „Es ist uns wirtschaftlich und ökologisch leider nicht möglich, den gewohnten Fahrplan dauerhaft abzubilden.“
Der reduzierte Betrieb ist also ein Sparkurs, weil in den vergangenen beiden Jahren Einnahmen unter anderem von ausbleibenden Touristen fehlten. „Aus Gründen der Gewinnmaximierung darf ein öffentlicher Beförderungsauftrag nicht dauerhaft eingeschränkt werden“, erklärt Verbraucherschützer Buttler und zieht einen Vergleich mit der Bahn: Wirtschaftlich unrentable Zugstrecken könnten auch nicht einfach mitten im Jahr ausgesetzt werden.
Dieser Einschätzung widersprechen die Stadtwerke Konstanz vehement und verweisen auf die Beförderungsbedingungen des Fährbetriebs. Dort sei ein Mindesttakt ausdrücklich nicht vereinbart. „Insoweit kann es kein schutzwürdiges Vertrauen der PKW-Fahrer in einen hochfrequenten Takt geben“, erklärt Stadtwerke-Pressesprecher Christopher Pape und ergänzt, dass der Beförderungsanspruch der Kunden immer nur für den jeweils angebotenen Fahrplan gelte. Zudem seien die Stadtwerke laut Pape berechtigt, den Fährbetrieb jederzeit nach eigenem Ermessen anzupassen.
1223 Besitzer von Jahreskarten
Fahrgäste müssen also nach Auffassung der Stadtwerke die Gegebenheiten akzeptieren, getreu dem Motto: „Vogel friss oder stirb“. Doch gilt das auch für die 1223 Besitzer von Jahreskarten? Schließlich haben sie im Voraus bezahlt im Vertrauen auf eine gewohnte Beförderung. „Wenn jahrelang ein Taktverkehr eingehalten und damit sogar Werbung gemacht wird, ist das Vertragsgegenstand und Kunden haben einen Anspruch darauf“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherschutzzentrale.
Seiner Einschätzung nach stellt ein reduzierter Fahrplan aus Kostengründen einen Vertragsbruch dar. Besitzer von Jahreskarten hätten daher Anspruch auf Ermäßigung, wenn sie einen Schaden geltend machen. Das sieht der Fährebetreiber ganz anders: „Auf Grund der zeitlichen Befristung der Reduzierung des Fahrplans liegt keine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen durch die Stadtwerke vor.“
Eigentümer von Fähre-Jahreskarten hätten daher keinen Anspruch auf eine finanzielle Rückerstattung, betont Stadtwerke-Pressesprecher Pape. Unter allen Umständen will das städtische Unternehmen Forderungen seiner Kunden verhindern und verweist darauf, dass es generell keinen Anspruch gebe, „immer und jederzeit die fahrplanmäßig nächst erreichbare Fähre zu erlangen“.
Stadtwerke geben Versprechen an die Pendler
Aus Sicht der Verbraucherschützer ist diese Haltung wenig kundenfreundlich. „Gerade in der Pandemie erwarten wir von einem städtischen Betrieb, dass das öffentliche Leben aufrecht erhalten wird, allein schon um dem weit verbreiteten Corona-Frust entgegen zu wirken“, sagt Oliver Buttler. Dabei sollten doch gerade die Berufspendler als treueste Kunden den Stadtwerken besonders am Herzen liegen. Allein die derzeit 504 Besitzer von Jahreskarten mit einem Auto bezahlen zwischen 1.080 und 2.112 Euro und tragen damit ganz wesentlich zum Jahresumsatz bei.
Dennoch scheinen die massiven Proteste der letzten Tage nicht ganz folgenlos zu bleiben. Bei Bedarf wollen die Stadtwerke ein zusätzliches Schiff einsetzen, so dass es zumeist zu keinen längeren Wartezeiten mehr kommen soll. Pressesprecher Christopher Pape gibt sogar ein Versprechen ab: „Es soll kein Kunde auf zwei Schiffe warten müssen. Die maximale Wartezeit des Kunden auf die Abfahrt eines Schiffes ist somit mit 20 Minuten geplant, und dies soll in 98 Prozent aller Fälle gewährleistet sein.“
Wartezeiten bis zu 40 Minuten wollen die Stadtwerke künftig also vermeiden, wohl auch um finanzielle Forderungen von Stammkunden abzuwehren. Gerade Pendler werden künftig noch genauer auf die Uhr schauen und überprüfen, ob das Versprechen eingehalten wird.