Seit wann sind Sie in Konstanz im Polizeidienst und was hat Sie bewogen, zur Polizei zu gehen?
Ich bin seit 2022 im Streifendienst in Konstanz und arbeite in Wechselschichten. Ich habe eine soziale Ader und viel Spaß an der Abwechslung. Das hat mich bei der Berufswahl motiviert. Lange Zeit habe ich zunächst an den Wehrdienst gedacht. Aber bei der Polizei bin ich näher an den Menschen. Ich habe zuerst ein duales Studium in Villingen-Schwenningen absolviert. Schon dabei habe ich gemerkt, dass es absolut der richtige Beruf für mich ist. Im Moment bin ich Sachbearbeiter, fahre zu Einsätzen, Notrufen und bin bei Großveranstaltungen dabei.
Welche Ihrer Aufgaben verrichten Sie weitgehend sorgenfrei – und in welchen Situationen sind die Bedenken größer?
Polizeidienst ist nie Routine. Wir werden dahingehend ausgebildet, dass wir diese nicht aufkommen lassen. Eine gesunde Vorsicht ist der Maßstab. Natürlich geht man anders in einen Einsatz, wenn die Erstmeldung lautet: Da steht jemand mit einem Messer. Die Anspannung ist dann größer. Aber gerade alltäglich wirkende Einsätze können sich zu extrem bedenklichen Situationen entwickeln, die Fälle in Kusel vor Jahren und jetzt in Mannheim sind Beispiele dafür.
Erst vor Kurzem starb ein Polizist, nachdem er bei einer politischen Veranstaltung in Mannheim angegriffen wurde. Welche Gedanken machen Sie sich dazu?
Ich kann nur für mich und meine Dienstgruppe sprechen. Diese Nachricht macht extrem betroffen, wütend und fassungslos. Dieser Tod geht uns vermutlich auch näher als vielen anderen Menschen, weil wir in jedem Moment in eine solche Situation geraten können. Die Gefahr, die der Beruf mit sich bringt, rückt dadurch näher.
In dem Dienst, als wir die Nachricht von dem Vorfall in Mannheim erfuhren, war ich Vorgesetzter und habe mit den Kollegen darüber gesprochen. Wir haben aber auch eine sehr gute psychosoziale Beratung, die sich sofort um uns kümmern, sobald wir etwas Verstörendes erleben. In Mannheim ist ein Kollege brutal ermordet worden. Die politischen Extreme nutzen das dann, um ein aggressives Klima der Angst aufrechtzuerhalten. Wir als Polizisten verbitten uns, in dieser Sache instrumentalisiert zu werden.
Macht Ihnen das Angst?
Nein. Aber es macht besorgt und führt einem die Gefahr vor Augen. Natürlich rechnet man im Dienst nicht ständig damit, mit einem Messer angegriffen zu werden. Man merkt in diesem Moment, wie wichtig die Einsatztrainings sind.
Zurück nach Konstanz: Nächtliche Party im Herosé-Park oder eine angemeldete Demo, bei der es eine Gegendemonstration gibt. Was ist Ihnen lieber?
Polizeiarbeit bedeutet, dass man immer so viel wie möglich an Informationen heranschaffen sollte, mit denen man in einen Einsatz geht. In den meisten Fällen läuft vorher ein riesiger Apparat an Informationsgewinnung, damit wir gut vorbereitet in eine Aufgabe gehen.
Eine geplante Demo suggeriert eine andere Beherrschbarkeit als bei einer aufgeladenen Stimmung im Herosé-Park, an der alkoholisierte Menschen beteiligt sind und bei der es möglicherweise zu Solidarisierungseffekten kommt, wenn die Polizei als „Spielverderber“ auftaucht. Eine solche Lage hat das Potenzial, unangenehm zu werden.
Gab es in Ihrem Berufsleben bisher brenzlige Situationen?
Ganz oft geht es um Gruppendynamiken. 2023 wurden 5932 Fälle vermerkt, in denen es in Baden-Württemberg zu Gewalt gegen Polizisten kam. Unter den Begriff Gewalt fallen dabei Angriffe, Körperverletzungen, Nötigungen und Bedrohungen. In Konstanz ist beispielsweise jüngst ein Kollege von einem Mann bei der Festsetzung gebissen worden. Ich selbst habe allenfalls brenzlige Situationen erlebt.
Beispielsweise bei einem Festival im Jahr 2023, als wir – meine Kollegin, die Besatzung eines Rettungswagens und ich – im Begriff waren, einer alkoholisierten Frau zu helfen. Plötzlich sprang ein Festivalbesucher, der verschiedene Substanzen eingenommen hatte, auf das Dach des Rettungswagens und tanzte dort weiter. Wir forderten ihn auf, herunterzukommen – er schlug unvermittelt um sich. Der Mann war nur schwer unter Kontrolle zu bekommen, ich wurde selbst verletzt. Bitter ist in einer solchen Lage, dass wir eigentlich als Helfer dort waren.
Wie reagieren Sie darauf?
Wir gehen mit der Erwartung, dass so etwas passieren kann, in die Situation hinein. Wenn wir angegriffen werden, ist das Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und wird konsequent zur Anzeige gebracht. Ich war in der Situation zum Glück nicht schwer verletzt.
Im Nachhinein löst es eine Selbstreflexion aus – was hätten wir besser machen können? Vollkommen schützen kann man sich nicht. Aber wenn etwa ein Messerangriff gemeldet wird, geht man mit mehr Kräften und einer anderen Ausrüstung in den Einsatz. Und man geht vorher im Kopf das durch, was man gelernt hat.
Wie ist Konstanz als Stadt im Vergleich zu anderen Kommunen – soweit Sie das beurteilen können?
Ich nehme Konstanz als sehr entspannten Standort wahr; mit sehr diverser Bevölkerung. Konstanz ist auch nicht Mannheim, das kann man sicher so sagen. Manches wird als subjektiv gefährlich wahrgenommen, was ich verstehen kann. Objektiv trifft das deshalb dennoch nicht immer zu.
Beispielsweise fürchten manche, abends und nachts durch Konstanz zu gehen. Wenn immer mehr Menschen sich einen kleinen Waffenschein oder ein Messer besorgen – vermeintlich zum Eigenschutz – dann erschwert uns das unsere Arbeit auf unnötige Weise. Die Gefahr, dass es eskaliert, ist so viel größer.
Ist die aktuelle Situation stärker politisiert als noch vor Kurzem?
Wir arbeiten als Polizisten im Brennpunkt der Gesellschaft und so kommen Politisierung und Polarisierung wie unter einem Brennglas bei uns an. Der Frust der Menschen ist größer geworden: Die Corona-Maßnahmen waren einschneidend, jetzt der Gaza-Konflikt: Man merkt, dass es gärt.
Die Versammlungslage nehmen wir in Konstanz als sehr friedlich wahr, bei Demonstrationen eskaliert die Lage so gut wie nie. Aber natürlich gibt es auch hier politisch motivierte Straftaten wie die Graffitis mit antisemitischem Inhalt, die auf ein Gebäude der Uni Konstanz gesprüht wurden.
Mangelnder Respekt, Beleidigungen, die Gefahr, verletzt zu werden: Wie gehen Sie und die Kollegen im Dienst damit um und wie stark belastet Sie das?
Die dienstälteren Kollegen berichten von der Entwicklung, dass der Respekt der Polizei gegenüber immer geringer wird. Respektlosigkeiten sind tatsächlich zu alltäglichen Vorfällen geworden. Manches geht darüber hinaus. Wenn ein Polizist zum Beispiel gebissen wird, weiß man nicht, ob die angreifende Person eine ansteckende Krankheit hat. So etwas ist belastend.
Aber unsere einzige Möglichkeit bleibt, diese Beleidigungen und Angriffe strafrechtlich zu verfolgen. Wir erwarten von uns selbst, dass wir uns nicht provozieren lassen, nicht jede Beleidigung persönlich nehmen, sonst kämen wir nicht weiter. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sich der Angriff vermutlich nicht gegen uns persönlich richtet, sondern gegen uns als Repräsentanten des Staates.

Hat der Respekt gegenüber dem Staat stark gelitten?
In einigen Situationen gibt es wenig Achtung vor unserer Arbeit. Aber aus eigener Erfahrung muss ich betonen, dass der Großteil der Menschen, denen ich begegne, nach wie vor mit hohem Respekt der Polizei gegenübertritt.
Macht es noch Spaß, Polizist zu sein?
Absolut. Es gibt viele Momente, die einen belohnen, in denen man das Gefühl hat, etwas für andere tun zu können.