Wie es wohl den Menschen gehen wird, die in 100, 200 oder vielleicht noch viel mehr Jahren diese Kiste öffnen? Sie werden Pläne auf Papier darin vorfinden, Münzen, eine seit ewigen Zeiten abgelaufene Flasche Bier. Und Zeitungen. Bedruckte Blätter mit Fotos und Texten, die von einem Bauvorhaben erzählen, das in Konstanz einst für große Diskussionen und starke Emotionen gesorgt hatte.

Als sich die Edelstahlkiste mit diesem Inhalt in einen Betonschacht senkt und der Polier später Mörtel auf dem Rand verteilt und drei Betondeckel über dem Grundstein verklebt, beginnt eine Zeitreise, von der nur der Anfang bekannt ist. Dienstag, 10. September, an einer zu dieser Zeit von Autos stark befahrenen Straße. Wann diese Zeitreise endet, kann niemand wissen.
Eigentlich ganz passend für das Projekt, um das es geht. Der Grundstein, der hier mit rund 100 Gästen gelegt wird, erinnert an den Bau des Asisi-Panoramas bei der Neuen Rheinbrücke in Konstanz. Die Fundamente sind fertig, der Betonring des Sockelgeschosses schon gut sichtbar. Innerhalb weniger Wochen wird der Turm für Aufzug und Treppen nun in 52 Meter Höhe wachsen. Dann kommt die Holzkonstruktion für den eigentlichen Rundbau, in dem ein über 3000 Quadratmeter großes Bild von Konstanz zur Zeit des Konzils (1414-1418) zu sehen sein wird.

Auf einen Eröffnungstermin will sich Wolfgang Scheidtweiler am Tag der Grundsteinlegung nicht festlegen. Seine Pforzheimer Park-Hotel-Gruppe investiert in den Standort Konstanz „mehrere zehn Millionen Euro“. Auch Johannes Schweizer, der das Konstanzer Projekt leitet, und Bauleiter Mike Vivas bleiben beim Zeitplan etwas vage. Klar wird aber: Der Rohbau sollte noch dieses Jahr fertig werden.

Dann kommt der Holzbau, der dank vorgefertigter Elemente nur wenig Zeit in Anspruch nehmen sollte. Es folgen der Innenausbau, die ganze Technik, schließlich wird das Riesengemälde aus zusammengenähten Stoffbahnen von 30 Metern Länge und drei Metern Breite entlang der Wände aufgehängt. Für die Sommersaison könnte das knapp werden, heißt es auf der Baustelle.
Planung mit Höhen und Tiefen
Nach fast zehn Jahren bisweilen hitziger Debatten und vieler Rückschläge kommt es auf ein paar Wochen auch nicht an. Erst das Gefühl in Konstanz nicht erwünscht zu sein – Scheidtweiler erinnert an Aussagen wie „Blechdose“, „nichts Echtes“ und „Historien-Kitsch -, dann die Corona-Pandemie, dann die zunächst verwegen scheinende Idee, in Holz zu bauen, schließlich die explodierenden Baupreise und die steigenden Zinsen: All das kostete Nerven, sagt Architekt Matthias Sauerbruch. „Wir hatten jedes Mal das Gefühl, jetzt ist es endgültig vorbei“, bekennt er.
Dass es so weit nicht gekommen ist, bezeichnet Oberbürgermeister Uli Burchardt als Glücksfall. „Ich bin davon überzeugt, dass das eine große Bereicherung für die Stadt wird“, sagt er. Gerade in Zeiten, in denen die Digitalisierung rasant voranschreite, könne ein so analoges Erlebnis wie ein Riesen-Panoramabild, in dessen Zentrum die Betrachter selbst stehen, „etwas ganz, ganz wertvolles“ sein. Und es entstehe, durch geschickte Nutzung von Flächen, rund um die Schänzlebrücke das neue Europaquartier als attraktiver Eingang zur Stadt.
Dass das Panorama überhaupt auf einem bisher kaum genutzten Grundstück direkt an der Auffahrt zur Brücke errichtet wird, ist vor allem Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn und dem Architekten Matthias Sauerbruch zu verdanken, das wird auch deutlich beim Festakt. So hatte Langensteiner-Schönborn dem Projekt zu Akzeptanz in der Politik verholfen, als er es von einem Grundstück direkt am Seerhein weg platzierte. Und das auf der Grundlage einer städtebaulichen Untersuchung von Matthias Sauerbruch, dem die Freude über sein erstes Projekt in seiner alten Heimatstadt ins Gesicht geschrieben steht.

Wenn das Gebäude stehe, habe Konstanz eine Landmarke, so der Architekt, die schon von weitem und auch über die Schänzlebrücke hinweg sichtbar ist: „Es wird eine stolze Figur sein, sehr farbig. Die Leute werden nicht aufhören, drumherum zu fahren“, sagt er lachend, auf die vielen kurvigen Straßen rundherum anspielend. Und Langensteiner-Schönborn ist sich sicher: Das höchste Holzgebäude in Baden-Württemberg wird „ein ganz, ganz besonderes Gebäude in Konstanz, wenn nicht in ganz Deutschland.“
Kunstwerk befindet sich im Endspurt
Mathias Thiel aus dem Team des Panorama-Künstlers Yadegar Asisi bekennt, das Bild von Konstanz vor 600 Jahren sei „das bisher außergewöhnlichste Projekt“, weil es einerseits zu diesem ambitionierten Neubau passen müsse und andererseits zur Stadt. Immerhin kann sich in der weithin intakten historischen Innenstadt jeder ein Bild davon machen, wie gut Konstanz getroffen wurde. Zudem gelte es, Szenen aus vier Jahren auf einem einzigen Bild darzustellen. Und wie weit ist das Kunstwerk ein Jahr vor Eröffnung? „Wir sind im Endspurt“. Mehr wird nicht verraten.
Dann steuert Gheorge Buse, der Kranfahrer, die Zeitkapsel millimetergenau an ihren Platz. Ordentlich abgedichtet, solide verschraubt. Irgendwann wird sie ein Stück Geschichte sein – und an einen Ort erinnern, dessen Ziel es nach Worten des Architekten Matthias Sauerbruch war, auf „eingängige Weise historische Fakten zu vermitteln.“