Gut besucht war die Tourismus- und Handelsstadt Konstanz im Advent. Konstanz scheint es nicht schlecht zu gehen, doch der Schein trügt, denn die Haushaltslage ist prekär. Die Gemeinderäte werden sich auf die Pflichtaufgaben konzentrieren müssen, auch wenn sie zwischenzeitlich bereits Steuern erhöht und neue Steuern – 2025 wird die Verpackungssteuer eingeführt – erhoben haben. Grundlage, damit es einer Stadt gut geht, ist eine gesunde Wirtschaft; dazu gehört in Konstanz, nach dem Wegfall großer Industriebetriebe, auch das Handwerk, dessen Zukunft nicht gar so rosig aussieht.
„Die Erosion im Strukturwandel ist seit Jahren sichtbar“, stellt Georg Hiltner, Geschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, fest. Es gebe viele Inhaber von Handwerksbetrieben, „die aufgeben, weil sie keine Kraft für Investitionen haben oder keinen Nachfolger finden“. Auch die Neugründungen stagnierten eher. „Junge Menschen wollen nicht unbedingt das Risiko eingehen“, meint er.
Kritik an „überbordender Bürokratie“
Die Betriebe insgesamt litten vor allem unter der „überbordenden Bürokratie“. Der Mittelstand scheint aus dem Fokus der Bundespolitik verschwunden zu sein, kritisiert Hiltner, der die Politik auffordert, „die Säule Mittelstand zu stärken“. Ein weiteres Problem sei der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Kleinklassen an Berufsschulen würden zum Beispiel nicht weitergeführt. „Konstanz ist mega-schwierig“, so Hiltner.

„Wir könnten noch mehr machen, wenn wir mehr Personal hätten“, schildert Christian Kossmehl, Vorsitzender des Konstanzer Handwerkerkreises. Viele Betriebe müssten Kunden absagen, weil sie mangels benötigter Mitarbeiter nicht mehr leisten könnten. „Das ist Wirtschaftskraft, die verloren geht“, stellt Kossmehl fest.
Eine Chance zur Nachwuchsgewinnung
Doch es gebe einen Lichtstreif am Horizont. Azubi-Wohnen lautet das Stichwort. Die Stadt Konstanz und die Wobak versuchten ihr Möglichstes, ein Grundstück zu finden und für das Projekt eine Förderung über Junges Wohnen Baden-Württemberg zu bekommen, so Hiltner.
„Wir freuen uns, dass beide so engagiert sind, um Fördergelder zu bekommen, um junge Menschen von auswärts zu holen. Das ist dringend notwendig“, bekräftigt Christian Kossmehl. Schließlich sei bezahlbares Wohnen für Auszubildende unverzichtbar, wie für Studierende auch.
Betriebe brauchen Flächen
Ein großes Problem in Konstanz sei der Mangel an Gewerbeflächen. Die Reichenau habe mit dem Gewerbegebiet Göldern erfreuliche Ansiedlungen zu verzeichnen; einige Konstanzer Betriebe hätten dort nun zeitgemäße Rahmenbedingungen gefunden. In Konstanz aber sehe es mau aus.
„Bis der Hafner realisiert ist, dauert es noch eine lange Zeit“, meint Georg Hiltner. „Gewerbeflächen braucht es dringend, Interessenten sind da“, weiß auch Christian Kossmehl, der anfügt: „Den Seitenstreifen vom Flugplatz bräuchte es dringend.“ Er kennt zwei Konstanzer Betriebe, die gerne erweitern würden. Das große Problem, wenn es keine Flächen gebe: „Entweder du stirbst oder wanderst ab“, beschreibt Kossmehl die Situation suchender Handwerksbetriebe. Wanderten Wirtschaftsunternehmen jedoch ab, dann fließe weniger Gewerbesteuer in die Kasse der Stadt.
Rundheraus positiv sieht Georg Hiltner nicht in die Zukunft. „Das Thema Bauen liegt ziemlich am Boden“, so Hiltner. Das betreffe vor allem viele öffentliche Einrichtungen, weil es um die Haushalte der Kommunen schlecht bestellt sei. Projekte seien zwar viele in Planung, die aber aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Kommunen nicht umgesetzt würden.
Rezession hat eingesetzt
Kaufzurückhaltung sei gerade im Handel ein Riesenthema, gibt Georg Hiltner ein Beispiel und stellt fest: „Das Thema Rezession ist jetzt da, das ist sehr bedenklich. Wir bräuchten jetzt einen Aufbruch, der volkswirtschaftliche Anstöße gibt.“ Es sei „schwierig, wenn ideologisch etwas erhöht wird“, findet Hiltner. Vielmehr sollte sich die Politik im Kleinen und im Großen die Expertise von Wirtschaft und Wissenschaft zunutze machen.
Dass der Konstanzer Gemeinderat den etablierten Wirtschaftsausschuss gestrichen hat, um stattdessen einen Arbeitskreis einzurichten, findet Georg Hiltner eine „ganz schlechte Entscheidung“. „Es war ein sinnhafter und guter Austausch, der jetzt degradiert und zahnlos wird. Ich halte das für nicht angemessen angesichts der anspruchsvollen Problemlage in Konstanz“, so der Geschäftsführer der Handwerkskammer.
Konstanz habe keine Großindustrie, sondern sei primär eine Tourismus- und Handelsstadt, die von Frequenzen lebe. Gleichzeitig versuche die Stadt, dem Klimawandel Rechnung zu tragen, den CO2-Ausstoß zu minimieren, den Autoverkehr einzudämmen und die Energiewende einzuleiten. Aber: „Der Umbau braucht Zeit. Es hat sich gezeigt, die Bevölkerung braucht die Chance, den Weg mitzugehen. Doch sie fühlt sich nicht mitgenommen. Ihre Ängste hat man aber nicht wahrgenommen“, so Hiltner.
Die Energiewende müsse gelingen, findet Georg Hiltner, der sich allerdings wünscht, „dass der Konstanzer Gemeinderat das Thema planvoller in Angriff nimmt, in einer vernünftigen Zeitschiene, sodass Gewerbe und Wirtschaft mitgehen können“.