„Ist das nicht schön?“, fragt Peter Schmidt und zeigt auf ein junges Pärchen, das auf der Ufermauer am Seerhein direkt gegenüber der Bischofsvilla sitzt. Er spielt Gitarre, sie lauscht andächtig seinen Klängen.

Die Temperaturen bewegen sich an diesem Tag Anfang März zwar erst im niedrigen zweistelligen Bereich oder darunter – doch der Frühling schickt seine sonnigen Vorboten mit aller Macht voraus.
Peter Schmidt ist richtig stolz darauf, was hier am Seerhein in den vergangenen Jahren entstanden ist: eine wunderschöne Flaniermeile mit vielen Sitzmöglichkeiten, Boule-Bahnen, Biergärten, Grillstellen, Hotels und Restaurants.

„Ich wohne sehr gerne hier an der Promenade“, sagt Peter Schmidt schließlich. „Zumindest bis es nachts wird im Sommer. Dann müssen wir reingehen, unsere Fenster schließen. Und trotzdem hören wir die vielen lauten Musikanlagen und das Gegröle der feiernden Menschen bis tief in die Nacht.“
Jochen Hildenbrand nickt zustimmend. „Die Leute sollen feiern, sie bringen Leben hierher“, sagt der Anwohner. „Aber wir benötigen unsere Nachtruhe.“
Seine Frau Claudia pflichtet ihm bei: „Es kann doch nicht sein, dass es so unausgewogen zugeht: Die Interessen der Feiernden werden höher angesiedelt als die Interessen der Anwohner. Es kann doch auch ein tolerantes Miteinander geben.“
Markus Ruess kommt mit seinem Hund vorbei, auch der bekannte Karateka und Lehrer wohnt hier. „Ich empfinde es als Unverschämtheit, dass gegen dieses nächtlichen Gelage nichts unternommen wird“, sagt er.
„Der Ort hier ist so schön und jeder darf ihn genießen. Aber irgendwann muss man auch Rücksicht auf andere nehmen. Das, was hier passiert, ist missverstandene Toleranz unserer Grünen-Politiker.“

Die Erinnerungen an die vergangenen Jahre sind bei den Anwohnern noch zu frisch, um sich ohne Vorbehalte auf den Frühling und den Sommer zu freuen. 'Ballermann am Bodensee' titelte der SÜDKURIER im Sommer 2020.
Herosé-Park im Sommer 2020: laut und vermüllt
Die Reportage beschrieb die nächtlichen Zustände am Wochenende im Herosé-Park und am Seerhein: So ungefähr ab 22.30 Uhr wird es minütlich lauter und die Stimmung aggressiver, Flaschen zerschellen auf dem Gehweg, Passanten werden angepöbelt, aus zahlreichen Musikanlagen tönt laute Musik aller Stilrichtungen.

In Vorgärten und hinter den Bäumen stehen oder sitzen in Eilformhocke vornehmlich junge Menschen und verrichten ihre Notdurft. „Es ist einfach nur widerlich“, sagt Jens-Peter Volk, dessen Mietwohnung im Erdgeschoss über einen kleinen Garten verfügt.
Auch dieses kleine Areal wird während des Aufenthalts des Reporters als Toilette missbraucht. Die eine oder andere Schlägerei, auch zwischen Gruppen, ist zu beobachten. Kein schöner Anblick.

Gemeinderat entscheidet heute
Heute steht auf der Themenliste des Gemeinderats der Punkt an, der die Lebensqualität der Bewohner entlang des Seerheins und in den Reihen dahinter in Zukunft entscheidend beeinflussen wird.
Die CDU-Fraktion hatte beantragt, den Kommunalen Ordnungsdienst KOD zu verdoppeln und probeweise Security-Mitarbeiter einzustellen. Oberbürgermeister Uli Burchardt sagte grundsätzlich seine Unterstützung zu und regte 7,5 KOD-Stellen an, außerdem plädierte er für ein Musik- und Trinkspielverbot zwischen 22 und 6 Uhr – was im Sinne der Anwohner ist.

Gegenwind bekommt die CDU von anderen Fraktionen. Als Sprecher dieser Gegner kristallisieren sich Till Seiler von der Freien Grünen Liste sowie Simon Pschorr von der Linken Liste heraus. Seiler befürchtet durch den Ausbau des KODs eine weitere Aushöhlung des polizeilich-staatlichen Gewaltmonopols, wie er im Ausschuss erklärte.

Durch eine Ausweitung des Musik- und Trinkspielverbots sieht Simon Pschorr wegen des Rechts auf die individuelle Entscheidungsfreiheit außerdem das Gemeinwohl gefährdet. „Man kann von Beer-Pong halten, was man will, und manche Menschen sind eben einfach bescheuert. Aber wir können da nicht mit Verboten agieren, sondern müssen das tolerieren.“
Anwohner Jens-Peter Volk entgegnet dem: „Gegen Musik hab ich ja generell nix, nur gegen abgehobene Stadträte, die ihre liberale Haltung schick und öffentlichkeitswirksam vor sich hertragen, solange sie nicht selbst betroffen sind.“
Michael Scholtz und Christian Millauer von der Bürgergemeinschaft Petershausen wählen diese Worte: „Ob ‚bescheuerte Leute‘, wie es ein Stadtrat ausdrückt, zu tolerieren sind, mag dahingestellt sein. Nicht zu tolerieren ist jedoch eine andauernde Störung der Nachtruhe, wenn Anwohner nächtelang um ihren Schlaf gebracht werden, Vermüllung stattfindet, Urinieren und Stuhlgang in Vorgärten beobachtet wird, gepaart mit Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Vandalismus, Bedrohung, Gewaltdelikten und Drogenhandel.“
Simon Pschorr, Richter von Beruf und Stadtrat für die Linke Liste, hat juristische Bedenken. Ein Paradebeispiel für die Aushöhlung des Gewaltmonopols sei für ihn der erst jüngst verhandelte Fall von Samba B. vor dem Konstanzer Amtsgericht, bei dem die Übergriffigkeit von Security-Kräften aus möglicherweise rassistischen Motiven zur Sprache kam.

Der Gemeinderat muss sich heute für eine Seite entscheiden: Für die Anwohner oder für die Feiernden. Immerhin: Auch ein Kompromiss mit eingeschränkten Partyzeiten bietet sich an.
Die Bürgergemeinschaft Petershausen endet eine Stellungnahme mit diesen Worten: „Der Weg zum Regierungspräsidium als Kommunalaufsicht oder etwa zu den Gerichten sollte allen erspart bleiben.“