„Keine Zeit“ habe der Chef, sagt die Mitarbeiterin des Kreuzlinger Hafenrestaurants Alti Badi entschuldigend, als der SÜDKURIER am Samstagmorgen anruft. Gerne könne man es am Montag nochmals versuchen, aber derzeit sei einfach zu viel los, als dass Zeit wäre für ein Interview.
Es ist der Beginn des ersten Wochenendes nach Inkrafttreten der neuen Schweizer Corona-Lockerungen: Seit Montag, 19. April, dürfen neben Kino- und Theatersälen sowie Fitnessstudios auch Restaurants im Nachbarland wieder öffnen – allerdings nur die Außengastronomie. Und das trotz einer vergleichbar hohen Corona-Inzidenz wie in Deutschland.
Wie also sieht es in Kreuzlingen derzeit aus?
Sind die Restaurantterrassen und Biergärten dort übervoll, während sie diesseits der Grenze geschlossen bleiben müssen? Mit dem Rad geht es von Konstanz aus Richtung Schweizer Nachbarstadt. An der Hafenpromenade entlang, vorbei an verwaisten Restaurantterrassen, leeren Biergärten, Absperrbändern und gestapelten Stühlen.
Inzwischen ist das ein gewohntes Bild in Konstanz: Die Gastronomiebetriebe dürfen seit rund einem halben Jahr keine Gäste mehr empfangen, nur Abhol- und Lieferdienste anbieten.

Schnell ist die Grenze passiert. Auf den ersten Blick ist auf Kreuzlinger Seite kein großer Unterschied festzustellen: Wie in Konstanz spazieren Menschen am Seeufer entlang, sitzen auf Wiesen und Bänken mit reichlich Abstand zu anderen Personen oder Gruppen.
Richtig viel los ist an diesem Samstagvormittag beim Kreuzlinger Hafen aber nicht. Einzig vor der Alti Badi und auf ihrer Terrasse herrscht Betrieb: Das Restaurant ist gut besucht. In einer kurzen Schlange warten Gäste darauf, dass ein Tisch frei wird.

Denn die Öffnung der Außengastronomie geht in der Schweiz mit klaren Regeln einher: pro Tisch sind maximal vier Personen erlaubt (Ausnahme: Eltern mit Kindern), Gäste müssen ihre Kontaktdaten angeben, Hygienemasken dürfen auch am Tisch nur während des Essens und Trinkens abgenommen werden. Und zwischen den Tischen sind entweder Abstände von 1,5 Metern oder Trennelemente vorgeschrieben.
Darf man derzeit über die Grenze nach Kreuzlingen? Und wie ist die dortige Corona-Lage?
Kreuzlinger Traube-Wirtin: „Auf einmal kommen auch junge Leute, aus Konstanz“
Vom Hafen geht es am Bahnhof vorbei weiter in die Kreuzlinger Innenstadt. Auch hier haben zahlreiche Restaurants und Cafés ihre Außenbereiche geöffnet. Fast alle sind gut besucht, aber meist bilden sich keine Warteschlangen.
Viel Platz ist auf der Terrasse der Traube am Zoll. Das Restaurant liegt direkt neben dem Grenzübergang Kreuzlinger Tor.
Doch auch wenn gerade nur zwei ihrer Tische besetzt sind, trägt Kim Pajaziti ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Die erste Woche seit den Lockerungen sei sehr gut angelaufen, sagt die Wirtin, die 2007 die Leitung des Restaurants von ihren Eltern übernommen hat.
„Ich habe nicht erwartet, dass so viele kommen“, sagt Kim Pajaziti. Man habe gemerkt, wie sehr die Stammkunden, zu denen vor allem Ältere und Alleinstehende zählten, sie vermisst hätten. „Die Dankbarkeit ist groß.“

Und auch wenn ein weiterer wichtiger Zweig des Restaurants, die Vereinstreffen, derzeit wegfalle, resümiert die Wirtin: „Es bringt auf jeden Fall mehr als das, was vorher war. Ich rechne damit, dass wir zum Monatsende mindestens 60 Prozent des normalen Umsatzes erzielen werden.“
Denn neben den Stammkunden kämen auf einmal auch junge Leute zu ihr, vor allem abends. „Sonst war es eher ein Nachteil, dass wir das erste Restaurant nach der Grenze sind.“ Doch das hat sich geändert: Erst am Freitagabend sei eine Gruppe junger Konstanzer bei ihr gewesen. „Weil drüben alles zu hat. Und die wollten auch um 22 Uhr noch bleiben, obwohl es bereits kalt war.“
Fischerhaus-Wirt: „Es ist ein absoluter Ausnahmezustand“
Es geht zurück Richtung See, und dann vorbei am Seeburgpark zum Fischerhaus, in der Nähe des Bootshafens Seegarten. Sowohl im Biergarten als auch auf der Terrasse des Restaurants sind fast alle Tische belegt.

„Es ist wirklich ein absoluter Ausnahmezustand: Innerhalb kürzester Zeit sind wir von null auf 200“, hatte Restaurantpächter Reto Eppenberger morgens noch am Telefon gesagt. Für ein Treffen vor Ort war keine Zeit, denn das Geschäft brummt. „Ich habe das so noch nie erlebt: Dass Leute anstehen für einen Tisch.“
Ob unter den Gästen auch Konstanzer sind, wisse er nicht, sagt Reto Eppenberger, der das Fischerhaus seit 20 Jahren leitet: „Ich erkundige mich nicht nach ihrer Herkunft. Dafür habe ich auch schlicht keine Zeit.“
Denn neben der Arbeit im Restaurant sucht der Wirt derzeit händeringend nach mehr Personal, wie er sagt. Aber, so ergänzt er zur Frage nach den Konstanzern: „Es muss eigentlich fast so sein, dass die Leute, die am See entlang laufen, auch bei uns einkehren.“
Konstanzer Dom-Wirt: „Absehbare Öffnung der Außengastronomie wäre auch hier wünschenswert“
Am Nachmittag geht es wieder zurück nach Konstanz. Rund um den Kreuzlinger Hafen sind nun mehr Leute unterwegs, und auch auf deutscher Seite der Grenze genießen viele den frühsommerlich-warmen Tag am See – in Kleinstgruppen und mit Abstand.
In der Altstadt dann ein kurzer Halt vor dem Restaurant Dom. Wie vor allen Gastronomiebetrieben der Konzilstadt auch hier: Gestapelte Tische und Stühle. Ein Schild weist auf das Abholangebot des Restaurants hin.

Geschäftsführer Matthias Beeck will sich am Telefon nicht zu den Lockerungen in der Schweiz äußern: „Dafür habe ich gerade keinen Kopf.“ Aber eine absehbare Öffnung der Außengastronomie wäre auch in Konstanz wünschenswert, sagt er: „Das würde uns auf jeden Fall etwas bringen.“
Dass ihnen nun Gäste abhanden kämen, weil die Kreuzlinger Gastronomen bereits öffnen können, glaubt Matthias Beeck nicht. „Ich weiß nur, dass einige rübergehen, weil es dort erlaubt ist, am Ufer mitgebrachtes Bier zu trinken.“