Was ist Mikroplastik?
„Plastik ist überall und wie aktuelle Studien zeigen: auch in unseren Seen und Flüssen“, erklärt Marion Hammerl, Geschäftsführerin der Bodensee-Stiftung. Aber meist kämen sie nicht nur in Form großer Kunststoffobjekte wie Plastiktüten vor, sondern auch als Mikroplastik. „Das sind mikroskopische Kügelchen“, so Hammerl weiter.
Das deutsche Umweltbundesamt bezeichnet Kunststoffteilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind, als Mikroplastik. Es ist einerseits in Kosmetika, Zahnpasta oder Babywindeln. Andererseits entsteht es aus Plastikmüll, der langsam zerfällt. „Eine einheitliche Definition von Mikroplastik gibt es aber nicht“, ergänzt Dimitri Vedel, Forstwirt und Projektleiter bei der Bodensee-Stiftung.
Wie kommt Mikroplastik ins Wasser?
Mikroplastik könne laut Forstwirt Dimitri Vedel auf zwei Wegen in Seen gelangen. Zum einen enthalten Abwässer kleine Plastikteilchen, die beim Waschen aus Kosmetika und Kleidung ins Wasser gelangen. Da Kläranlagen nicht das gesamte Mikroplastik aus dem Wasser filtern können, gelangt eine geringe Menge immer wieder in Seen.

Zudem entsteht Mikroplastik auch durch Verwitterung und Abrieb aus größeren Plastikteilen, die sich im Wasser befinden. „Plastikmüll, der ins Wasser geworfen wird, zersetzt sich dort langsam und verschmutzt das Wasser für lange Zeit“, erklärt Dimitri Vedel. Zudem würden sich auch kleine Teilchen aus der Beschichtung von Booten und Schiffen lösen und ins Wasser gelangen. „Das spielt aber nur kleine Rolle“, so der Forstwirt.
Wie sauber ist der Bodensee?
„Im Bodensee ist wenig Mikroplastik im Vergleich zum Chiemsee oder zu den italienischen Seen“, erklärt Vedel. Es gebe zwar laut einer Studie der Internationalen Gewässerschutzkommission auch im Bodensee Mikroplastik, das liege aber weit unter dem Grenzwert und sei nicht gefährlich. „Der Bodensee dient deshalb sogar als Referenz für die anderen Seen.“
Mitte des vergangenen Jahrhunderts sei die Wasserqualität des Bodensees allerdings noch alarmierend gewesen. Durch den unkontrollierten Einfluss von Abwasser, sei ein Überangebot von Nährstoffen entstanden. Das habe zu einer extremen Vermehrung von Wasserpflanzen geführt und den See vergiftet.
Warum ist der See heute so sauber?
Als Reaktion auf die schlechte Wasserqualität bauten die Anrainerstaaten neue Kläranlagen – heute sei die Infrastruktur am Bodensee daher deutlich besser als zum Beispiel an italienischen Seen, beschreibt Dimitri Vedel. „Hier werden Abwässer nicht mehr in den See eingeleitet, sondern immer aufbereitet.“
Deutlich problematischer sei am Bodensee aber die Verschmutzung durch Plastikmüll. „Man sieht überall am Ufer den Müll beim Spaziergang“, so Vedel. Ein Grund dafür sei auch der Tourismus rund um den See.
Wie wird Mikroplastik festgestellt?
Um Mikroplastik im Wasser festzustellen, gebe es mehrere Verfahren, erklärt Vedel. Bei der sogenannten Goldgräbertechnik lasse man das Wasser zum Beispiel über verschiedene Pfannen laufen, bis nur noch das Mikroplastik übrig ist.
Ein einheitliches und standardisiertes Verfahren gebe es aber nicht. „Deshalb ist es schwierig, die Ergebnisse von verschiedenen Seen zu vergleichen“, bedauert er. An Chiemsee und Bodensee werde aber dieselbe Technik verwendet – und das Bodenseewasser schneide deutlich besser ab.
Welche Folgen hat Mikroplastik?
Die ökologischen und gesundheitlichen Folgen der Verschmutzung mit winzigen Kunststoffpartikeln sind laut Bodensee-Stiftung noch nicht ausreichend erforscht und daher kaum absehbar. Das Trinkwasser aus dem Bodensee sei unbedenklich.
Und die Speisen aus dem See? „Die Wahrscheinlichkeit, über einen Fisch aus dem Bodensee Mikroplastik aufzunehmen, ist bei null“, versichert Dimitri Vedel. Die Fische im See würden das Plastik zwar aufnehmen, aber wieder ausscheiden. „In den Meeren ist das anders, da dort die Belastung mit Plastik deutlich höher ist und die Fische es aufnehmen.“
Warum muss gehandelt werden?
„Auch wenn das Wasser aktuell sehr sauber ist, haben wir ein neues Projekt entwickelt, um den Zustand zu erhalten“, verrät Dimitri Vedel. Man müsse jetzt handeln, damit das Mikroplastik nicht in Zukunft zur Gefahr werde.
„Unser aktuelles Problem ist nicht die Plastikflasche von jetzt, sondern die aus der Vergangenheit. Und der Müll von heute, wirkt sich langfristig aus.“ Wenn das Mikroplastik erst einmal im Wasser sei, kriege man es nicht mehr raus. „Sie können den See ja nicht einfach trocken legen, um es zu entfernen“, sagt er lachend. Deshalb wolle die Stiftung mit den Kommunen und internationalen Partnern zusammenarbeiten.
Was macht die Bodensee-Stiftung?
„Dafür haben wir das ‚Lake Paper‘ entwickelt“, erklärt Vedel, der das Projekt leitet. Dieses dient dazu, den Kommunen bei der Müllvermeidung im Uferbereich zu helfen. Dafür brauche es laut Vedel aber die Unterstützung aller: „Jeder muss seinen Müll ordentlich entsorgen und die Kommunen müssen proaktiv die Möglichkeiten dafür schaffen.“
Zudem soll Plastikvermeidung in den Satzungen der Kommunen verankert werden. „Um Verbote geht es uns aber nicht, sondern um Austausch und Angebote schaffen“, versichert er. Dabei könnten beispielsweise neue Pfandsysteme und weniger To-Go-Angebote helfen. „So wollen wir die Qualität des Bodenseewassers erhalten. Sonst ist der See als Referenz für gutes Wasser schnell erledigt.“
Zudem arbeitet die Stiftung seit 2020 gemeinsam mit der Natur- und Umweltschutzorganisation Global Nature Fund (GNF) und mit europäischen Partnern am Projekt „LIFE Blue Lakes“, das über die Gefahren von Mikroplastik informiert.
Das vierjährige Projekt wird vom LIFE-Programm der EU-Kommission gefördert und von der italienischen Naturschutzorganisation Legambiente koordiniert. Neben der Bodensee-Stiftung und dem Global Nature Fund aus Deutschland beteiligen sich noch vier weitere italienische Partner.
Sie betreuen den Bodensee und den Chiemsee in Deutschland sowie den Gardasee, Bracciano- und Trasimeno See in Italien. „Blue Lakes“ hat das Ziel, bereits vorhandenes Mikroplastik zu reduzieren, beispielsweise durch die bessere Abwasserbehandlung in Kläranlagen sowie der künftigen Entstehung von Mikroplastik vorzubeugen.
Welche Probleme gibt es?
Laut Dimitri Vedel sei das geringe Problembewusstsein vieler Kommunen ein Problem. „Auch wenn ich mir das nicht wünsche, würde es uns die Arbeit erleichtern, wenn die Belastung mit Mikroplastik höher wäre“, gesteht Dimitri Vedel. Denn dann wären die Kommunen eher bereit, zu handeln.
„Aktuell machen viele noch zu wenig, weil es noch keine akuten Schäden für das Ökosystem gibt.“ Doch es sei wichtig, frühzeitig zu handeln. „Dafür wollen wir im Lake Paper ein Bewusstsein schaffen.“ So könne eine neue Erfolgsstory vom Bodensee ausgehen, bevor ein Problem überhaupt entstanden sei.