Anfang November wundert sich eine Freundin von Uschi Handt zum ersten Mal. Immer wieder verschwinden zugestellte Pakete aus dem Treppenhaus des Gebäudes, in dem sie wohnt. Was tun? Wer könnte dafür verantwortlich sein? Mit den Fragen wendet sie sich an Uschi Handt.
Die selbstständige Friseurmeisterin ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht selbst betroffen, will ihrer Freundin aber auf jeden Fall beistehen. „Ich konnte meine Freundin doch nicht damit alleine lassen. Ich wäre auch dankbar, wenn mir jemand in so einem Fall helfen würde“, erklärt sie. Gemeinsam schmieden sie einen Plan – und so beginnt ein außergewöhnlicher Fall von Zivilcourage.
Paket mit GPS-Tracker als Köder
„Uns war klar: Wir müssen dem Ganzen auf die Spur kommen. Also haben wir erst einmal ein Paket mit GPS-Tracker als Köder im Treppenhaus ausgelegt.“ Leider erfolglos, denn niemand nimmt das Paket mit. Zunächst verdächtigen die beiden Frauen noch andere Hausbewohner. Doch dann fällt Uschi Handts Verdacht auf einen der Zusteller.
„Ein Paketbote hat sich immer wieder auffällig verhalten.“ Sie beobachten, wie einer von ihnen Pakete im Hausflur genauer anschaut und schüttelt. „Bestimmt wollte er deren Inhalt herausfinden“, vermutet sie. „Mich hat dann der Ehrgeiz gepackt.“
Von da an observieren die beiden Hobbydetektivinnen die Straße und Eingänge, um den Boten rechtzeitig zu entdecken. „Jeden Tag – es war ein Fulltime Job. Und gleichzeitig musste ich mich natürlich um mein kleines Kind kümmern“, so die 37-jährige Mutter. Dennoch gehen sie noch einen Schritt weiter. „Wir haben dann auch extra DHL-Pakete liegen lassen, um so den Täter in die Falle zu locken.“
„Er greift bestimmt bald wieder zu“
Doch es gibt ein Problem: Der Dieb nimmt keine Bestellungen von Uschi Handts Freundin mehr mit. „Also haben wir auf andere Namen bestellt – auch auf meinen.“ Im Januar wird dann ihre erste Sendung gestohlen. „Das haben wir aber leider nicht live gesehen. Wir sahen aber später, wie derselbe Bote erneut ein Paket schüttelte. Da wussten wir: Er greift bestimmt bald wieder zu.“
Schließlich sind die zwei Konstanzerinnen mit ihren Ermittlungen so weit. Sie schildern ihren Verdacht der Polizei. Die bestätigt, dass sie ebenfalls den Boten im Visier habe. Aber die beiden Frauen haben einen Vorteil. „Sobald der Zusteller nur noch acht Stationen entfernt ist, bekommt man eine Mitteilung auf dem Handy. Man kann dann sehen, wann der Bote ankommt und wo er gerade ist“, erklärt Handt. Deshalb könne sie sich mit ihrer Freundin immer zur richtigen Zeit auf die Lauer legen.
Doch die Zeit drängt. „Ich hatte im Lockdown zwar viel Zeit, weil ich meinen Friseursalon schließen musste. Aber irgendwann musste die Aktion auch mal zu Ende gehen. Wir standen ja schon wochenlang täglich am Fenster.“ Deshalb überlegen sich die beiden Frauen etwas Neues: „Wir haben dann extra ein Paket von Media Markt genommen, damit es teuer aussieht und schwer ist.“ Der perfekte Köder also.
Es kommt zum Showdown
Da Uschi Handt die Route des Boten kennt und den Zeitpunkt der Zustellung sieht, fährt sie sofort los, sobald der Bote nur noch wenige Stationen entfernt ist. Sie beobachtet dessen Fahrzeug. „So wollte ich herausfinden, ob der Verdächtige drin sitzt.“ Am 2. Februar kommt es schließlich zum Showdown.
„Am Nachmittag habe ich der Polizei Bescheid gegeben, dass unser Verdächtiger im Dienst und auf dem Weg zu uns ist.“ Die Polizei habe sich dann bereit gemacht. „Ich habe mein Auto ebenfalls so geparkt, dass ich sofort zur Verfolgung losfahren könnte.“ Mit der Polizei ist alles abgesprochen, dann schnappt die Falle der beiden Opfer zu.
Als der Zusteller wieder geht, kontrolliert die Friseurmeisterin die Pakete – es fehlen welche. Sofort nimmt sie die Verfolgung auf. „Gleichzeitig habe ich meiner Freundin das Go gegeben, die Polizei zu rufen.“ Die kommt rund 30 Minuten später an und kann den Mann zwei Straßen weiter schnappen. Bei dem wird die gestohlene Ware sicher gestellt.
Lob und Mahnung von Polizei
„Das war eine monatelange Ermittlungsoperation – zum Glück hat sie funktioniert. Die Polizei musste am Ende nur zugreifen“, freut sich Uschi Handt nicht ohne Stolz. „Die Zeit war für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle, weil wir so oft nah dran waren und dann hat es doch nicht geklappt. Zwischen Aufregung, Anspannung, Freude und Angst war alles mit dabei. Nur aufzugeben, stand nie zur Debatte.“
Ein Lob für den Einsatz bekommen die Frauen danach von der Polizei, obwohl die dem Täter bereits ebenfalls auf der Spur war. „Die Aktion der beiden war definitiv außergewöhnlich. Wir sind immer auf Hinweise und Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen. Durch ihr Handeln und die rechtzeitige Verständigung der Polizei konnten wir den Verdächtigen auf frischer Tat festnehmen“, erklärt Tatjana Deggelmann, Pressesprecherin der Polizei Konstanz.
Allerdings warnt sie auch: „Die oberste Regel ist immer, dass die Personen mit Bedacht vorgehen, sich nicht selbst in Gefahr bringen und vor allem rechtskonform bleiben.“