Nun ist es raus: Priester Marcus Maria Gut ist homosexuell. Und er kann die offizielle Haltung der Amtskirche zu queeren Liebesbeziehungen nicht mehr mittragen. Am vergangenen Sonntag um 9 Uhr ergreift er das Wort in der Kirche St. Martin in Wollmatingen und fragt, wie die katholische Kirche „normalen Menschen die Liebe absprechen“ kann. Von seiner Gemeinde erhält er dafür Beifall und auch die meisten Kirchenverantwortlichen finden positiven Zuspruch.
„Ich finde ihn total mutig.“Hiltrud Schneider-Cimbal, Pfarrerin

„Ich habe ganz hohe Achtung vor dem Kollegen“, sagt Hiltrud Schneider-Cimbal, Pfarrerin in der Wollmatinger Kirchengemeinde und Dekanin des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz, gegenüber dem SÜDKURIER. „Ich finde ihn total mutig.“ Und das umso mehr, da es sicherlich auch Menschen gebe, die ihn deshalb verurteilen werden, meint sie. Den Mut dazu empfinde sie bewundernswert.
Und sie blickt auch über das Coming-out hinaus und sagt was ihr in diesem Kontext wichtig erscheint: „Wir sollten aufhören Menschen nach ihrer Geschlechtlichkeit zu beurteilen“, sagt die 66-Jährige. „Es geht ja darum, wie jemand ist, was er tut, wie er einem begegnet und welche Wirkung er auf seine Mitmenschen hat.“
Warum ein Coming-out in der heutigen Zeit noch diesen großen Mut brauche, weiß sie nicht. Dennoch erlebe sie ähnliche Situationen immer noch als schwierig, auch innerhalb ihrer Gemeinde. Das sei jedoch kein eigenes Problem der Kirche, sondern der gesamten Gesellschaft, ist sich die Dekanin sicher. Immer wieder werde ihr das auch im Gespräch mit queeren Menschen gespiegelt. Ihre Hypothese: Geschlechtlichkeit habe eine zu große Bedeutung in unserer Gesellschaft. „Und sexuelle Orientierung ist letztlich nicht wichtig, oder?“ stellt sie die Frage.
„Es ist mir völlig Schnurz, was die Leute für eine Sexualität haben.“Klaus Wagner, Diakon

Klaus Wagner, Diakon der Pfarrei Konstanz-Petershausen, gibt darauf die Antwort: „Outings sind eigentlich gar nicht notwendig, weil man die Leute so lassen soll, wie sie eben sind“, meint er. Wagner sei überrascht gewesen und habe Marcus Maria Gut direkt eine E-Mail geschrieben. Wie er selbst sagt, habe er sich etwas darüber geärgert, dass er überrascht gewesen war. Schließlich fände er, dass dieses Thema gar keine große Angelegenheit sei. „Es ist mir völlig Schnurz, was die Leute für eine Sexualität haben“, sagt Klaus Wagner.
Das Coming-out selbst begrüße er und empfinde es als einen mutigen Schritt. Auch aus der Gemeinde habe er entsprechende Reaktionen erfahren. So habe Marcus Maria Gut beim Gottesdienst für seine Worte langen Beifall erhalten. Klaus Wagner sehe ihn als guten Priester und bodenständigen Menschen an, mit dem er gut umgehen könne.
„Ich nehme das so an, wie er das gesagt hat und achte das.“Pater Georg Matt, Leiter Seelsorgeeinheit

Pater Georg Matt, Leiter der Seelsorgeeinheit der Katholischen Kirchengemeinde St. Georg – Maria Hilf, sieht vor allem eines positiv: Ehrlichkeit. „Ich nehme das so an, wie er das gesagt hat und achte das“, sagt Georg Matt. Er sieht wenige Probleme darin, seine Homosexualität offen kommunizieren zu können. „Ich spüre in der Umgebung dahingehend keine Ablehnung“, sagt er. Weder intern in der Kirche selbst noch außerhalb.
Überhaupt sei er gegen Verallgemeinerung und ist sich sicher: Die eine Kirche existiere nicht. Jeder einzelne Geistliche vertrete seine Art von Kirche nach außen. „Unterschiedliche Meinungen gibt es überall“, sagt Matt. Deshalb sei es nur logisch, dass auch unter Bischöfen unterschiedliche Meinungen zur Homosexualität in der Kirche vertreten. „Das ist alles noch ungewohnt, und dadurch für manche eine Problem“, so Matt. „Aber auch da müssen wir Geduld haben, bis sich das durchsetzt.“ Er selbst sei hoffnungsvoll, was die Zukunft betreffe.
„Das kann man machen, muss man aber nicht.“Dr. Mathias Trennert-Helwig, Dekan

Dekan Dr. Mathias Trennert-Helwig vom Katholischen Dekanat Konstanz erklärt gegenüber dem SÜDKURIER: „Wenn jemand etwas über seine sexuelle Disposition sagen will, ist das sein Recht. Das kann man machen, muss man aber nicht. Das ist eines jeden Menschen Privatsache.“ Solange niemand gezwungen werde über seine private Orientierung Auskunft geben zu müssen, stehe es jedem frei, dies freiwillig zu tun – auch einem Priester.
Die Entwicklung was Themen wie Sexualität angehe, sei aktuell im Fluss – und das nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch allgemein in der Gesellschaft. „Aus dem Blickwinkel der letzten Jahrzehnte hat sich auch in der Gesellschaft die Bewertung von Homosexualität massiv verschoben“, meint der Dekan. Das sehe man auch an öffentlichen Persönlichkeiten wie beispielsweise dem ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn, der ebenfalls homosexuell ist. Dass sich die Bewertung hin zu Offenheit und Toleranz gegenüber sexueller Orientierung verschiebe, begrüße der Dekan.