Susanne Trunk-Dietrich zeigt mit einer Handbewegung die Realität der Frauen in der Gesellschaft an: Die eine Hand ist oben, die andere unten, dazwischen klafft eine ordentliche Lücke. Das zeige den Nachteil an, den Frauen jeden Tag erleben, sagt die Vertreterin der Konstanzer Frauenrechtsgruppe von Terre des Femmes. Sie stellt fest: Ein Nachttaxi für Frauen würde diesen Missstand ein wenig ausgleichen.

Ein Nachttaxi für Frauen würde nur den bestehenden Nachteil ausgleichen, sagt Susanne Trunk-Dietrich. Die Vertreterin der ...
Ein Nachttaxi für Frauen würde nur den bestehenden Nachteil ausgleichen, sagt Susanne Trunk-Dietrich. Die Vertreterin der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes weist darauf hin, dass viele Frauen vermeiden, im Dunkeln rauszugehen. | Bild: Rindt, Claudia

Argumente dagegen seien vor allem Ablenkungsmanöver, sagt sie mit Blick auf die jüngste Diskussion im Gemeinderat. Der hatte im Oktober schließlich bei zwei Gegenstimmen und acht Enthaltungen dafür gestimmt, dass die Verwaltung konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit macht, bei denen auch klar ist, wie die Umsetzung funktionieren soll und was diese kosten würde.

Wo fühlen sich Frauen in Konstanz unwohl

Die Aussage, Konstanz sei doch eine sichere Stadt, könne nur von einem Mann kommen, sagt Trunk-Dietrich. Viele Frauen fühlten sich in der Dunkelheit an einigen Ecken unwohl, etwa im Herosé-Park, auf dem Weg von der Universität in die Stadt oder im Umfeld der Diskotheken.

Nicht wenige gingen deshalb einer möglicherweise bedrohlichen Lage aus dem Weg. „Es ist für Frauen und Mädchen zum unbewussten Selbstverständnis geworden, sich selbst einzuschränken, um sich einer eventuellen Gefahr bei Dunkelheit im öffentlichen Raum zu entziehen.“

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Die Studie „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ des Bundeskriminalamts und der Polizeien der Länder bestätigt das. Für diese werden regelmäßig Bürger befragt. Die Ergebnisse gelten als repräsentativ für Menschen in Deutschland über 16 Jahre. Dabei zeigt sich über viele Jahre: Frauen fühlen sich nachts in der Öffentlichkeit deutlich unsicherer als Männer.

Fast 57,9 Prozent geben im Jahr 2020 an, bestimmte Straßen und Plätze zu meiden, bei den Männern waren es 29 Prozent. 40,7 Prozent sagen, sie verließen, wenn möglich, in der Nacht überhaupt nicht das Haus (17,7 Prozent der Männer). Über die Hälfte der Frauen versuchen, nachts kein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen, bei den Männern waren es 23,3 Prozent.

Frauen sollen sich gefahrlos bewegen können

Susanne Trunk-Dietrich bekräftigt: Es gehe nicht darum, Ängste zu schüren oder Horrorszenarien heraufzubeschwören, sondern darum, dass der Gleichheitsgrundsatz umgesetzt wird. Sie fragt: „Möchte unsere Stadt ein Ort sein, an dem sich Frauen selbstbestimmt und frei zu jeder Tages- und Nachtzeit gefahrlos bewegen können?“

Im Grundgesetz stehe „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, sagt Trunk-Dietrich. Niemand dürfe wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Der Staat fördere die Durchsetzung der Gleichberechtigung und wirke auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Tatsächlich aber würden sich Frauen oft selbst in ihren Rechten beschneiden, weil sie sich nicht sicher fühlen.

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„Es geht um Teilhabe“ und das Vorbeugen von Gewalt und Traumata. Trunk-Dietrich verweist darauf, wie teuer es werden kann, wenn nicht in die Verhinderung von Gewalt investiert werde. Die gesellschaftlichen Folgekosten seien enorm, etwa durch entstehenden Arbeitsausfall, Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz.

Das Argument, dass auch andere Gruppen Angst haben könnten und dass es nicht gerecht sei, diese nicht zu beachten, ist für die Betriebswirtin nichts anderes als „Whataboutismus“. Das heißt: Die Kritik an einem Missstand wird durch den Verweis auf einen anderen Missstand relativiert. „Das wird oft angewandt, um zum eigentlichen Thema nicht viel sagen zu müssen.“

„Es kann Frauen die Freiheit zurückgeben“

Ein Frauen-Taxi würde keinen Mann benachteiligen, sondern einen bestehenden Nachteil für Frauen ausgleichen. „Es kann Frauen die Freiheit zurückgeben, die unsere männlichen Mitbürger als selbstverständlich wahrnehmen.“ Für die öffentliche Sicherheit zu sorgen, sei Aufgabe der Kommune.

Nach Vorstellung von Terre des Femmes soll das Nachttaxi für weibliche Personen ab 14 Jahren gelten. Für jede Fahrt sollte es einen Gutschein über zehn Euro geben. Die Organisation geht davon aus, dass zunächst 1000 Gutscheine im Jahr genutzt werden. Das würde Aufwendungen von 10.000 Euro bedeuten, plus 5000 Euro an Verwaltungskosten und 2000 Euro für eine Kampagne zur Information.

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Trunk-Dietrich verweist darauf, dass es in zahlreichen Städten Rabatte und Gutscheine für Frauen gibt, die in der Nacht ein Taxi nutzen wollen. Die Zuschüsse bewegen sich zwischen zehn Euro (etwa Mannheim und München) und fünf Euro (etwa Stuttgart und Hannover). Manche dieser Systeme bestehen schon seit vielen Jahren, in Heidelberg zum Beispiel seit 1992.

Aktuell beträgt dort der Zuschuss sechs Euro für junge Frauen ab 14 Jahren, die zwischen 22 und sechs Uhr im Stadtgebiet mit einem Taxi unterwegs sind. Heidelberg mit rund 160.000 Einwohnern (Konstanz etwa 87.000) hatte im Jahr 2019 11.160 Fahrten.