Wer darf um Spenden bitten? Und wer sollte es lieber bleiben lassen? Zu dieser Frage ist eine Diskussion zwischen Sozialdemokraten und Klimaaktivisten in Konstanz entbrannt. SPD Konstanz, Juso AG und die Juso-Hochschulgruppe sammeln auch dieses Jahr Sachspenden für Obdachlose. Fridays for Future (FFF) braucht ebenfalls dicke, frostgeeignete Schlafsäcke – und zwar für sich selbst. Genauer gesagt für das Klimacamp am Münster, in dem es in dieser Jahreszeit ungemütlich werden kann.

Wohnungslose Menschen benötigen Schlafsäcke dringender

Auf ihrer Instagram-Seite hatten die FFF-Mitstreiter deshalb um Unterstützung gebeten. Dabei ging es vor allem um winterfeste Schlafsäcke, die bis zu minus 18 Grad Celsius warmhalten, Decken, Wärmflaschen und auch warme Kleidung für die Bewohner des Camps. Alles Dinge, die Obdachlose und wohnungslose Menschen dringender benötigen als die jungen Aktivisten – findet zumindest Tanja Rebmann, Stadträtin der SPD in Konstanz.

Unter dem Aufruf kommentierte sie deshalb in dem sozialen Netzwerk: „Sorry, aber dieser Post hat mich wirklich wütend gemacht. In Deutschland und auch in Konstanz leben derzeit viele Menschen auf der Straße, sie kämpfen täglich mit der Kälte. Ihr habt das Privileg, ein Zuhause zu haben, ein warmes Bett und eine Heizung und fragt nach frostgeeigneten Schlafsäcken?“ Ein anderer Nutzer kommentierte noch: „Bei aller Liebe, in Frankreich und an der Grenze zu Polen erfrieren Menschen, die es sich nicht ausgesucht haben. Leute, geht halt heim und zieht euch dick an.“

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Tanja Rebmann bat in ihrem Post die Menschen außerdem, ihre übrigen Schlafsäcke eher dem AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in Konstanz zu spenden. Die Tagesstätte der AGJ, in der sich wohnungslose Menschen mit dem Nötigsten eindecken sowie beraten und medizinisch versorgen lassen können, brauche immer frostgeeignete Schlafsäcke, um Menschen ohne Obdach vor dem Erfrieren zu schützen.

Aktivisten sind privilegiert

„Ich habe mich geärgert“, sagt Tanja Rebmann dem SÜDKURIER zu ihrer Kritik an Fridays for Future. Und zwar darüber, dass Menschen, die ein Zuhause haben, die das Privileg hätten, in einem warmen Bett zu schlafen, um Spenden bitten. „Ich denke, erstmal sollte man den Menschen helfen, die diese Dinge wirklich zum Überleben brauchen, anstatt denen, die das aus Protest machen.“

Natürlich dürfe aber jeder um Spenden bitten, sagt sie. Sie selbst organisierte hauptverantwortlich die Spendensammelaktion am SPD-Fraktionsbüro, die am Samstag, 4. Dezember, und am 11. Dezember zwischen 11 Uhr und 15 Uhr in Absprache mit städtischen Notunterkünften und der Tagesstätte der AGJ stattfindet.

Juso-Mitglied Leon Huber (links) nimmt eine Tüte mit Sachspenden am Fenster des SPD-Fraktionsbüros entgegen.
Juso-Mitglied Leon Huber (links) nimmt eine Tüte mit Sachspenden am Fenster des SPD-Fraktionsbüros entgegen. | Bild: SPD Konstanz

Wie sich zeigte, regte der Kommentar von Tanja Rebmann bei den Aktivisten von Fridays for Future zum Nachdenken an. So antworteten sie auf Rebmanns Kommentar auf Instagram: „Danke für die berechtige Kritik. Ja, wir haben ein warmes Zuhause und ja, das ist ein Privileg. Und genau deshalb haben wir die Möglichkeiten, auf dieses immens wichtige Thema aufmerksam zu machen und im besten Falle einen Beitrag zu leisten, dass in Zukunft nicht noch mehr Menschen als ohnehin schon leiden müssen.“

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Deshalb versuche man, das Klimacamp am Laufen zu halten. Die Aktivisten verstünden die Problematik der Obdachlosigkeit und wollen sich überlegen, wie man wohnungslose Menschen beziehungsweise die AGJ auch selbst unterstützen könne.

FFF: Wollen nichts „wegnehmen“

Eileen Blum von Fridays for Future Konstanz sagt dem SÜDKURIER: „Grundsätzlich ist es wohl richtig: Wohnungslose brauchen das nötiger als wir“. Auch ihres Privilegs seien sich die Aktivisten bewusst und empfänden Rebmanns Kommentar deshalb als berechtigte Kritik. Man wolle niemandem etwas „wegnehmen“. „Gerade dadurch, dass wir privilegiert sind, können wir ja demonstrieren“, macht Eileen Blum deutlich. Viele andere könnten das eben nicht.

Nach Angaben Blums wollen sich die Konstanzer FFF-Mitstreiter überlegen, wie man Obdachlosen nun weiterhelfen könne. Sollte man das Klimacamp in nächster Zeit abbrechen müssen, wolle man Schlafsäcke und andere Dinge außerdem an Bedürftige weitergeben. Zudem habe man die AGJ bereits angefragt, ob sie bestimmte Güter benötige, die die Aktivisten im Camp nicht mehr brauchen. Auch mit anderen gemeinnützigen Organisationen sei man entsprechend im Austausch.

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Tanja Rebmann war mit der Antwort von Fridays for Future zufrieden. „Ich habe auf Instagram eine einsichtige Nachricht bekommen. Ich fand gut, dass ich da auf keine Wand gestoßen bin“, sagt sie. Bei diesem Thema sei sie einfach emotional geworden, so Rebmann.