Hier muss die Gemütlichkeit zuhause sein. Ohne Zweifel. Ein wohliger Geruch von frischem Kaffee und leckerem Kuchen verbreitet sich in der Nase des Gastes. Mit Eintritt in das kleine, liebevolle Café in Dingelsdorf macht sich ein behagliches Gefühl breit. Stilvolle Dekoration lädt zum Verweilen ein. Der Geist der alten Scheune mit den mächtigen Steinwänden und den Holzverkleidungen weht durch das Gebäude.

Der Stress des Alltags fällt für eine gewisse Zeit befreiend von den Schultern. Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein. „Ich lebe hier meinen Traum“, sagt Evelyn Blumenröther, die für all das hier verantwortlich ist. Und man ist sofort geneigt, ihr diese Worte zu glauben.

Dieses Abteil ihres Café hat sie „Museum“ genannt. Hier finden sich historische Utensilien.
Dieses Abteil ihres Café hat sie „Museum“ genannt. Hier finden sich historische Utensilien. | Bild: Schuler, Andreas

Als sie Evelyn‘s Café vor fast genau drei Jahren eröffnete, musste sie sich vieles anhören. „Sogar mein Banker sagte mir damals, dass ich das niemals könnte und dass doch niemand nach Dingelsdorf in ein Café kommen würde“, erinnerte sie sich und muss bei diesem Rückblick schmunzeln. „Andere prophezeiten mir, dass ich bald schon wieder würde schließen müssen. Aber heute brummt der Laden.“ Das Geheimnis ihres Erfolges mag ihr Grundsatz sein, der da lautet: „Mach‘ Dein Hobby zum Beruf und Du muss nie mehr arbeiten.“

„Keine Ahnung, was Selbstständigkeit bedeutet“

Und genau das war schon immer ihr Hobby und ihre Leidenschaft: das Kochen und Backen und ihre Gäste zu verwöhnen. 41 Jahre lang arbeitete sie beim SÜDKURIER, ehe sie 2018 den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Das Cafleur, eine Mischung aus Café und Floristik-Fachgeschäft, war einst an gleicher Stätte in Dingelsdorf und hatte nach kurzer Zeit Insolvenz anmelden müssen – daher auch die Skepsis einiger Mitmenschen, was das neuerliche Projekt im Konstanzer Vorort angeht.

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„Der Besitzer des Gebäudes fragte mich damals, ob ich nicht übernehmen wolle. Er hat an mich geglaubt und kam mir sehr entgegen. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Evelyn Blumenröther sagt aber auch: „Ich hatte gar keine Ahnung, was Selbstständigkeit bedeutet.“ Schnell lernte sie, dass die Führung eines Cafés aus mehr besteht als Backen und Kochen.

„Plötzlich musste ich Dienstpläne schreiben, mit Lieferanten verhandeln, alles einkaufen oder die komplette Buchhaltung machen“, erzählt sie und lacht plötzlich laut. Der Grund für den Gefühlsausbruch: „Vor allem in der Buchhaltung bin ich fürchterlich.“

Mit „Evelyn‘s Kochinsel“ von Markt zu Markt

Bevor sie das Café im Herzen von Dingelsdorf gegenüber dem Dorfplatz eröffnete, bot sie über einige Jahre unter dem Namen „Evelyn‘s Kochinsel“ selbst eingemachte Spezialitäten aus lokalem Obst und Gemüse an. Damit tingelte sie von Markt zu Markt, vor allem an Weihnachten war sie (fast) überall anzutreffen.

„Das war damals halt noch ein Hobby“, erzählt sie. Manchmal muss sie immer noch den Kopf schütteln, wenn sie die vergangenen drei Jahre Revue passieren lässt. Noch heute verkauft sie neben zahlreichen anderen Produkte ihre eigenen Kreationen im Café. Gluten- und lactosefreie Waren? Auch daran hat sie gedacht. Selbstredend.

Alles selbst gebacken: Evelyn Blumenröther vor ihrer Kuchen- und Tortenauslage. Auch glutenfreie Backwaren bietet sie an.
Alles selbst gebacken: Evelyn Blumenröther vor ihrer Kuchen- und Tortenauslage. Auch glutenfreie Backwaren bietet sie an. | Bild: Schuler, Andreas

Selbst Corona konnte ihrem Traum nichts anhaben – sie kämpfte wacker und mit Unterstützung ihres „einmaligen Teams“, wie sie selbst sagt, und ihrer beiden Kinder gegen jede Widrigkeit an.

Hansis Eintopf: Erinnerung an den Ehemann

Ihr Mann Hansi, Vorsitzender des SV Litzelstetten und im Heimatdorf der beiden durch seine ehrenamtlichen Aktivitäten hoch geachtet, starb auf tragische Art vor fast genau sieben Jahren. Ihm zu Ehren bietet sie heute noch seine Lieblingsspeise an: Hansis Eintopf – einer der Renner im Café. In die Barhocker im Eingangsbereich sind die Cordhosen ihres Mannes eingenäht.

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Evelyn Blumenröther legt großen Wert darauf, dass nahezu alle ihrer Produkte aus der näheren Umgebung kommen. Fisch aus Dingelsdorf, Wein aus Meersburg, Bier und Fleisch aus Konstanz oder sämtliche Backwaren aus der eigenen Stube mit Zutaten ebenfalls aus der Region. „Das gehört zu meinem Konzept“, sagt sie voller Stolz. „Man sollte, wo es geht, die Region unterstützen.“

Jüngst hat sie es mit ihrem Café sogar in einen ganz besonderen Fremdenführer geschafft: Evelyn‘s Café ist Bestandteil des Buches „111 Orte in Konstanz, die man gesehen haben muss“. Am 26. November kommen die Autoren nach Dingelsdorf und lesen aus dem Werk.

Evelyn Blumenröther in ihrem Café. Liebe zum Detail ist eines ihrer Steckenpferde.
Evelyn Blumenröther in ihrem Café. Liebe zum Detail ist eines ihrer Steckenpferde. | Bild: Schuler, Andreas

In den kommenden Wochen wartet darüber hinaus viel Arbeit auf die leidenschaftliche Unternehmerin mit den besonderen Ideen: Weihnachtsfeiern in ihrem Haus stehen an, ab Dezember der beliebte Sonntagsbrunch oder die gemütlichen Fondue-Abende. Rund 14 Stunden pro Tag verbringt sie derzeit in Küche und Backstube, um alle Wünsche zu erfüllen.

Neulich ließ sie an den rar gesäten Tagen, an denen sie sich freinimmt, das Café erstmals geöffnet – und setzte voll auf ihre Mitarbeiter. „Sie haben das Geschäft gerockt und haben einen fantastischen Job gemacht“, sagt sie und gerät ins Schwärmen. „Es war so ein tolles Gefühl zu wissen, dass es auch ohne mich läuft und erfolgreich ist. Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll.“ Eine junge Aushilfe beschreibt ihre Tätigkeit im Café mit diesen lieben Worten: „Ich kam als Gast und blieb als Mitarbeiterin.“

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Die weisen Worte von Goethes Faust schwirren dem Gast während des Aufenthaltes im Café durch den Kopf: „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön!“ Doch irgendwann ist die Zeit gekommen, die stimmungsvolle Lokalität zu verlassen. Der Alltag ruft wieder. Leider.