„Bist du stark genug?“, soll Adrian P. den Sohn von Geta E. nach der Bluttat am Telefon gefragt haben. Dann habe er dem 16-Jährigen mitgeteilt: „Ich habe deine Mutter getötet.“ Am dritten Verhandlungstag des Prozesses sagt nun jener Sohn, Andrei, aus und rekonstruiert aus seiner Sicht den Morgen, an dem seine Mutter starb. Und gibt damit eine klare Antwort: Ja, er ist stark.

Im Zeugenstand wirkte der Sohn der Getöteten traurig und schüchtern, aber nicht eingeschüchtert. Stattdessen ließ er kein gutes Haar am Angeklagten, der etwa ein Jahr lang der Partner seiner Mutter war und der sich entsprechend auch als Ziehvater versuchte.

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Andrei beschreibt ihn als „impulsiv. Er geriet wegen nichts in Rage. Er schrie viel.“ Dies habe sich vor allem in der Beziehung zwischen dem Angeklagten und Geta E. gezeigt. „Es gab Streit um alles Mögliche. Anfangs war das Verhältnis noch gut, aber es wurde immer schlechter. Sie haben sich nicht gut verstanden“, erzählt der Sohn. Adrian P. sei zwar nie tätlich geworden, jedoch verbal aggressiv. „Er hat meine Mutter oft als dumm oder Schlampe beleidigt. Ich bräuchte eine Stunde, um alle Schimpfwörter aufzuzählen.“

„Er konnte mich nie erziehen. Er wurde ja selbst nie erzogen.“

Was Nahestehende des Paars und auch Arbeitskollegen bereits am zweiten Prozesstag schilderten, bestätigt der 16-Jährige: „Adi war eifersüchtig. Wenn Mama mit einem anderen Mann, der in unserem Haus wohnt, sprach, fing Adi immer an zu streiten und zu schimpfen.“ Sein eigenes Verhältnis mit dem Angeklagten bezeichnet er als kalt. „Er konnte mich nie erziehen. Er wurde ja selbst nie erzogen.“

Am Morgen des 14. Juli 2021 habe er seine Mutter ein letztes Mal gesehen, als sie ihn weckte und sagte: „Adi ist gekommen.“ Andrei schloss wieder die Augen und wurde wenig später erneut aus dem Schlaf gerissen, diesmal von seiner Tante, der Schwester des Opfers. Sie sagte: „Deine Mama ist nicht mehr da.“ Zurück blieb nur eine große Blutlache im Hof.

So sah der Tatort auf der Insel Reichenau nach der Beweisaufnahme durch die Spurensicherung aus.
So sah der Tatort auf der Insel Reichenau nach der Beweisaufnahme durch die Spurensicherung aus. | Bild: Andreas Schuler/SK-Archiv

Wenig später habe er einen Anruf von Adrian P. erhalten, der zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Leiche im Auto unterwegs war. „Bist du stark genug für diese Nachricht? Ich habe deine Mutter getötet“, zitiert der Sohn den 46-Jährigen.

Der Verlust seiner Mutter hat ihn schwer getroffen, wie er erzählt. „Ich versuche, mich langsam der Situation anzupassen.“ Doch in dieser Situation im Zeugenstand, nur wenige Meter entfernt von dem Mann, der mutmaßlich seine Mutter getötet hat, sagt er: „Ich fühle mich nicht gut.“ Er würdigt Adrian P. während seiner Aussage keines Blickes.

Die Söhne des Angeklagten sagen aus

Im weiteren Verlauf der Verhandlung erscheinen auch die beiden Söhne von Adrian P., die aus einer früheren Beziehung stammen. Sie verzichten darauf, zum Schutz des Vaters eine Aussage zu verweigern. Der jüngere der beiden, der 20-jährige Florin, sah per Videoanruf, wie sein Vater den toten Körper im Auto transportierte, und wie er wenig später bei voller Fahrt das Messer gegen die Kehle drückte.

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Ob er jemals seinen Vater gefragt habe, warum er es getan hat, möchte der Vorsitzende Richter Arno Hornstein wissen.

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Es fällt mir sehr schwer.“ Tränen rollen seine Wange hinunter.

Der Sohn charakterisiert seinen Vater als einen ruhigen, hilfsbereiten, aber auch psychisch labilen Menschen. „Ich nehme an, die Trennung von seiner ersten Familie und meiner Mutter hat ihn mitgenommen. Er hat ein Trauma erlitten.“

„So, wie es aussieht, macht es keinen Sinn, weiterzuleben“

Der ältere Sohn hat im vergangenen Jahr einige Monate gemeinsam mit Adrian P. auf der Reichenau gelebt. Der 21-Jährige geht ebenfalls auf die frühere, gemeinsame Familie ein und zeichnet das Bild eines Vaters, der vom Leben und vor allem von der Liebe enttäuscht ist. Und der es bedauert, dass seine erste Beziehung, aus der seine drei leiblichen Kinder entstanden, zerbrach.

„Eines Tages hat mein Vater beim Essen geweint, weil er meine Mutter so sehr vermisst. Sie sei die Einzige gewesen, die ihn wirklich geliebt hat.“ Und weiter: „So, wie es aussieht, macht es keinen Sinn, weiterzuleben“, soll der Angeklagte einmal gesagt haben. Von Geta E. sei er nach Aussage des jüngeren Sohnes enttäuscht gewesen, weil sie ihn nach der endgültigen Trennung nicht mehr gebraucht haben soll.

Geta E. wurde im Juli vergangenen Jahres getötet und hinterließ einen Sohn. Dieser sagte vor Gericht aus.
Geta E. wurde im Juli vergangenen Jahres getötet und hinterließ einen Sohn. Dieser sagte vor Gericht aus. | Bild: SK-Archiv

Die Beweisaufnahme durch Zeugenbefragung ist nun nahezu abgeschlossen. Es stehen noch einige Gutachten sowie der Bericht der Rechtsmedizin aus. Die drängendste Frage, die hinter den Kulissen gestellt wird, ist: Muss der Tatverdächtige im Falle einer Verurteilung nach Absitzen der Haftstrafe in anschließende Sicherungsverwahrung?

Die Staatsanwaltschaft hat einen entsprechenden Antrag dafür gestellt. „Wir sind da aber natürlich anderer Meinung“, sagt Rechtsanwalt Björn Bilidt, der Adrian P. verteidigt, dem SÜDKURIER. Eine Haftstrafe von zehn bis zwölf Jahren für den Angeklagten gilt mittlerweile als realistisch.

Der Prozess wird am Dienstag, 25. Januar, fortgesetzt, voraussichtlich am 27. Januar könnte ein Urteil fallen. Weiterhin gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung.

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