„Der Albtraum jeder Frau ist für mich wahr geworden.“ Das soll das Opfer der Vergewaltigung im Stadtgarten im vergangenen Sommer nach dem sexuellen Übergriff gesagt haben. Der lang erwartete Prozess, bei dem sich ein 21-Jähriger vor dem Landgericht Konstanz wegen seiner Taten verantworten musste, endete am Freitag, 17. Januar – ohne dass das Opfer vor Gericht aussagte.
Der Angeklagte wurde am Ende zu einer mehrjährigen Haftstrafe, allerdings nach dem Jugendstrafrecht, verurteilt. Dem syrischen Staatsangehörigen wurde dabei zur Last gelegt, in der Nacht zum 4. Juni 2024 eine damals 49-Jährige, die sich auf dem Nachhauseweg befand, im Konstanzer Stadtgarten brutal vergewaltigt zu haben.
Es war allerdings nicht die einzige Tat, für die der junge Mann vor Gericht stand. Ihm wurde zudem vorgeworfen, im April 2024 darüber hinaus ein zum Tatzeitpunkt zehnjähriges Mädchen in einer Konstanzer Flüchtlingsunterkunft bedrängt und sexuell missbraucht zu haben. Der SÜDKURIER berichtete bereits ausführlich vom ersten Prozesstag, an dem das Mädchen aussagte.
Opfer befindet sich im „absoluten Ausnahmezustand“
Am zweiten und letzten Verhandlungstag wurde im Prozess die Videoaufzeichnung der polizeilichen Vernehmung der zur Tatzeit 49-Jährigen in Augenschein genommen. Die Frau selbst war aufgrund psychischer Probleme nicht zu einer Vernehmung fähig, das Attest einer psychiatrischen Klinik lag vor. Das mutmaßliche Opfer der Vergewaltigung befindet sich demnach in stationärer Behandlung.
Laut einem Gutachten sei ein „geordnetes Gespräch nicht möglich“, ebenso wie auf absehbare Zeit eine Vernehmung vor Gericht. Laut ihrer Nebenklägervertreterin befinde sich die Frau in einem „absoluten Ausnahmezustand“. Es bestehe keine Alternative zur Unterbringung, die vom Amtsgericht Konstanz angeordnet worden sei. Demnach gehe von der Frau auch eine Gefahr für Dritte aus.
Das Opfer befand sich bereits vor Sommer 2024 wohl immer wieder in psychiatrischer Behandlung. Laut einem Gutachten gebe es jedoch darüber hinaus einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Tat und dem aktuellen Zustand der Frau. Die Vergewaltigung habe „sie komplett aus der Bahn geworfen“, hieß es noch.
Video der polizeilichen Vernehmung
An der Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen in der Videoaufzeichnung ihrer Vernehmung unmittelbar nach der Tat entstand bei den Prozessbeteiligten dennoch nicht der geringste Zweifel. Über eine Stunde lang schilderte die Frau auf dem Band genaustens – und mit verstörenden Details – die Begegnung mit dem Täter und den Vorgang der Vergewaltigung.
Zwischenzeitlich habe sich das Opfer laut eigenen Angaben auch immer wieder gefragt, ob sie „das alles überhaupt überlebe“. Ihre Aussagen deckten sich mit den Zeugenaussagen, einer gynäkologischen Untersuchung direkt nach der Tat sowie den objektiven Beweismitteln, die im Rahmen der Beweisaufnahme bereits vor Gericht erörtert worden waren.
So wurde der Syrer unter anderem mit mehreren DNA-Proben, beispielsweise durch Spermaspuren, überführt, ebenso wie mit Standortdaten und Bilddateien auf seinem Smartphone. Darüber hinaus hatte die Frau – genau wie das Mädchen – den Mann auf einem Foto bei der Polizei wiedererkannt beziehungsweise zumindest angegeben, dass es sich dabei um den Täter handeln könnte.
21-Jähriger wird zu Gefängnis verurteilt
Verurteilt wurde der 21-Jährige am Ende der Verhandlung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit einem sexuellen Übergriff mit Gewalt sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren. Eine noch fällige Restzeit aus einem Urteil vom Amtsgericht von Mai 2023 wegen Raubes und Körperverletzung ist darin enthalten, er trägt außerdem die Auslagen der Nebenklägerinnen. Die Staatsanwaltschaft sowie die Nebenklägervertreterinnen hatten zuvor sieben Jahre und zwei Monate Haft gefordert.
Strafmildernd legte das Gericht dem Angeklagten sein schwieriges Leben aus: Das Haus seiner Eltern sei durch den Krieg in Syrien zerstört worden, die Familie in der Folge sozial abgestiegen. Bereits früh habe der Angeklagte in einer Metallfabrik arbeiten müssen, bevor er mit seinem Bruder aufgrund des Krieges und des drohenden Militärdienstes nach Griechenland floh.
Dort verbrachten sie drei Jahre – wegen der Corona-Pandemie unter prekären Bedingungen, was die Versorgung mit Nahrung und Medikamenten anging – in einem Flüchtlingscamp. Er nahm Alkohol und Drogen, wurde von seinem Bruder getrennt und kam Anfang 2022 nach Deutschland. Richter Joachim Dospil fasste zusammen: „Sie haben wenig Positives erlebt.“
Wohl nicht zu seinen Gunsten ausgelegt wurde, dass der Angeklagte, der am ersten Prozesstag zu den Vorwürfen noch geschwiegen hatte, am zweiten Verhandlungstag seine damaligen Angaben vor dem Haftrichter erneuerte. Den Übergriff auf die damals Zehnjährige bestritt er komplett, beim Fall der Vergewaltigung im Stadtgarten sagte er, dass Geschlechtsverkehr in gegenseitigem Einvernehmen stattgefunden haben soll. Die Staatsanwaltschaft und wohl auch alle anderen Prozessbeteiligten sahen dies aufgrund der erdrückenden Beweislast als ersichtliche Schutzbehauptung an.
Zur Urteilsbegründung sagte Dospil, dass man davon überzeugt sei, dass der Angeklagte die Taten so verübt hatte, wie sie ihm vorgeworfen wurden. Allerdings ging man – anders als von der Staatsanwaltschaft zuvor in den Raum gestellt – nicht von einer schweren Vergewaltigung aus, denn die bedürfe eines genaueren Vorsatzes. Außerdem habe er nicht wissen können, dass eine schwerwiegende Erkrankung des Opfers vorlag und diese sich durch die Tat verschlimmere. Richter Dospil gab dem 21-Jährigen noch mit auf den Weg, dass er hoffe, dass die sechs Jahre genug Zeit seien, um nachzudenken und danach keine weiteren Straftaten mehr zu begehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.