Die schärfsten Fragen stellen die Bürger selbst. Einer will zum Beispiel wissen: Warum nehmen Anwohner an, dass öffentlicher Raum für das Privateigentum Auto zur Verfügung steht? „Ich stelle meinen Kleiderschrank doch auch nicht auf den Platz.“ Moderator Hendrik Auhagen, Vorsitzender des Verkehrsclubs (VCD) im Landkreis Konstanz, greift das Thema auf: „Das ist einer der Knackpunkte der Verkehrswende. Was soll es kosten, den öffentlichen Raum zu nutzen?“
Die Vereinigung, die sich für die Verkehrswende einsetzt, hatte zur ersten Debatte mit Kandidaten auf den Wahllisten für den Gemeinderat geladen. Sie steht unter dem provozierenden Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Tatsächlich bestätigt sich die Überschrift schnell: Alle sprechen sich dafür aus, den Verkehr bis 2035 halbieren zu wollen. Die Details aber bleiben offen, etwa ob dafür auch im selben Maß Parkplätze wegfallen sollen. Alle sagen, sie seien für einen grünen Stephansplatz ohne Autos. Der Unterschied: Die einen wollen sofort handeln, die anderen (sehr viel) später.
Kostenfreier Bus und Lieferservice
Levin Eisenmann (CDU) plädiert dafür, die Möglichkeiten höherer Parkgebühren auszureizen, aber nicht bei den Anwohnern anzufangen. Denn diese seien durch die Inflation schon stark belastet. Touristen und Einkäufer sollten möglichst außerhalb der Altstadt parken. Es solle deshalb attraktive Angebote geben, etwa einen Bus, der alle zehn Minuten fährt und kostenfrei ist. Zudem müsse es einen Lieferservice für Einkäufe zum Fahrzeug geben. „Da müssen wir schneller und besser werden.“
Den Stephansplatz sieht er erst autofrei, wenn die Mobilitätszentrale mit Parkhaus am Döbele errichtet ist. Denn solange am Döbele gebaut wird, würden dort viele Flächen wegfallen. Eisenmann überrascht in der Debatte mit dem Vorschlag, die zweite Fahrspur der Laube für Fußgänger und Radfahrer zu öffnen und den Mittelstreifen zu beleben. Dies solle der letzte Punkt bei den Umbauten und Verlagerungen für die Verkehrswende sein.
Yannick Werner (Freie Grüne Liste) ist begeistert vom Vorschlag des kostenfreien Busses. Zu Eisenmann sagt er: „Da bin ich voll bei dir.“ Die Autos würden nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden, und es sei auch nicht realistisch, die Parkgebühren stark heraufzusetzen. Perspektivisch aber müssten Anwohner und Touristen mit höheren Parkkosten rechnen.
Um die Verkehrswende zu schaffen, müsse der öffentliche Nahverkehr attraktiver werden, dazu gehörten auch gute Verbindungen abends. Wer aus einer Theateraufführung komme, wolle zum Beispiel nicht eine Stunde lang auf den Bus warten, der ihn heimbringt. Beim Stephansplatz ist für Werner klar: um ihn kreativ nutzen zu können, müssten die Autos so schnell wie möglich verschwinden.
Frank Hoffmann (FDP) sieht bei den Parkgebühren Raum für moderate Preisaufschläge: „Da ist Luft nach oben, auch bei den Anwohnern.“ Schließlich sei die Nachfrage groß und das Angebot klein. Auch er sieht den Bau des Mobilitätshauses am Döbele als Voraussetzung für einen autofreien Stephansplatz an. Um das Autochaos in der Innenstadt einigermaßen zu regeln, müsse es eine Lösung ohne die Verkehrskadetten geben. „Wenn die Stadt voll ist, dann darf halt keiner mehr in die Stadt.“ Er macht auf die Bedeutung einer Autobahn aufmerksam: So sei ein Betrieb aus Konstanz abgewandert, er sitze jetzt in Steißlingen, weil er dort Anschluss an die Autobahn habe.
Man muss die Bürger mitnehmen
Ralf Seuffert (SPD) spricht sich dafür aus, die Wende schrittweise zu vollziehen. „Man muss die Bürger mitnehmen.“ Alles andere mache nur die AfD stark. Der öffentliche Nahverkehr sei nicht schlecht, aber schlecht organisiert. So sei es völlig unverständlich, warum in Konstanz die Anzeige, wann ein bestimmter Bus an die Haltestelle kommt, nicht funktioniere. Er fordert zudem eine bessere Infrastruktur für Radfahrer. Dass der Kreistag den Radschnellweg nach Radolfzell kippte, könne er nicht nachvollziehen und auch nicht die Kriterien für die Förderung durch das Land. Eine Machbarkeitsstudie hatte knapp zu geringe Nutzerzahlen ermittelt.
Seuffert aber sagt: Wenn der Weg erst einmal da sei, werde er auch befahren. Zum Stephansplatz sagt Seuffert: Es sei an der Zeit, den Platz zu bespielen und beleben. Angebote für Mobilitätseingeschränkte müssten aber gewährleistet sein. Um die Akzeptanz eines autofreien Platzes zu erhöhen, spricht er sich dafür aus, in einem ersten Schritt einen Teil des Areals zu begrünen. „Ich erwarte, dass da was in die Gänge kommt.“
Auch Hans-Jürgen Oexl (Freie Wähler) sagt: „Der Dialog ist wichtig.“ Viele seien aufs Auto angewiesen, etwa Schichtarbeiter. Ein Hebel sei es, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und verlässlicher zu gestalten. Der Stephansplatz müsse entsiegelt werden, wenn andere Aufgaben wie die Sanierung der Marktstätte oder die Umbauten für das C-Konzept gemacht sind. „Ich würde mitgehen, aber uns mehr Zeit lassen. Wir schieben eine Bugwelle an Projekten vor uns her. Es geht nicht alles gleichzeitig.“
Florian Roth (Junges Forum) will Anreize für kleinere Autos setzen. Er spricht sich für gestaffelte Gebühren nach der Größe des Autos aus. Zudem sollte es für Menschen mit wenig Geld Zuschüsse zum Carsharing oder der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs geben. Grundsätzlich sieht er es als falsch an, die Politik an der AfD auszurichten. Es gelte, Politik für die Menschen vor Ort zu machen. Der autofreie Stephansplatz sei ein wichtiger Baustein, wenn sich die Stadt vor künftigen Hitzesommern schützen wolle.
Vorbild Schweiz?
Harald Borges (Linke Liste) geht davon aus, dass ein Teil des Innenstadtverkehrs vor der Stadt bleiben kann. Das geplante Parkhaus auf dem Döbele sieht er als reine Abstellfläche für Anwohner aus der Altstadt und der Niederburg. Für Anwohner solle es sozial gestaffelte Parkpreise geben. Er fragt weiter, warum es kein einheitliches Radticket auf allen Bahnlinien gibt. Er schwärmt von der Schweiz. Dort müsse man nichts über Tarife von Anbietern wissen. „Eine App regelt das“. Man bediene diese beim Ein- und Aussteigen. Man fahre automatisch immer zum günstigsten Preis. Zum Stephansplatz sagt er: Dieser solle zur autofreien Begegnungszone werden und der Wochenmarkt dort erhalten bleiben. Er träumt von einer Radautobahn über den Gleisen. Aber das sei zugegeben Fiktion.
Nachhilfelehrer Karl-Ulrich Schaible fordert zum Rechnen auf. Selbst das günstigste Auto koste gut 600 Euro im Monat. Mit diesem Geld könne man vieles anfangen. Er selbst lebt nach eigenen Angaben seit 40 Jahren ohne eigenes Auto. Bürger sehen Zuschüsse für das Parkhaus nahe dem Busbahnhof unter der Schänzlebrücke in Gefahr, wenn keine Parkplätze verlagert werden. Tatsächlich geht das so aus einer Sitzungsvorlage für den Technischen Ausschuss für den 30. April hervor.