Sie trillern und glänzen mit buntem Gefieder. In der zwölf Meter langen Voliere des seit 1913 bestehenden Konstanzer Vereins für Kanarienzucht und Vogelfreunde leben rund 50 Exoten wie Nymphensittiche und Graupapageien. Passanten bleiben stehen, staunen und zeigen ihren Kindern die Vögel. Doch manche stören sich an der Voliere: Graupapageien hinter Gittern. Ist das noch zeitgemäß?

Claudia Keller aus Baden-Baden gehört zu den Kritikerinnen. Sie schreibt an den SÜDKURIER: „Bei einem Spaziergang durch den Konstanzer Stadtgarten stand ich eine Weile traurig vor dem ‚Vogelhaus‘ und konnte kaum glauben, dass es ein so unzeitgemäßes Tiergefängnis wie dieses noch immer gibt.“ Sie kann nicht verstehen, warum ein Vogelfreund Vögel ein Leben lang einsperre. Sie plädiert dafür, die Tiere frei zu lassen.

Doch in der freien Natur hätten gehaltene Vögel wenig Überlebenschancen, da sind sich Tierschützer und Vogelzüchter einig. Regen und niedrige Temperaturen können ein Problem sein, ebenso Fressfeinde. Durch ihre auffallenden Farben wären exotische Vögel schnelle Beute. Zudem könne es Schwierigkeiten bei Nahrungssuche geben. Ein Vogel, der immer nur aus Menschenhand Futter bekommen hat, kann es in der freien Natur eventuell nicht erkennen.

Mitten im Stadtgarten steht die Voliere mit exotischen Vögeln. Immer wieder bleiben Passanten, wie diese Mutter mit Kind, stehen und ...
Mitten im Stadtgarten steht die Voliere mit exotischen Vögeln. Immer wieder bleiben Passanten, wie diese Mutter mit Kind, stehen und betrachten die Tiere. Manche stören sich allerdings an dem großen Vogelhaus. | Bild: Rindt, Claudia

Das Vogelhaus im Konstanzer Stadtgarten hat zwei Gitter. Ein grobes außen, ein feinmaschiges innen. Es gibt Pflanzen, Seile und beheizte Rückzugsmöglichkeiten. Nach Angaben des Vereins kommen fast nur Vögel in die Voliere, die heimatlos geworden sind, weil der Besitzer etwa zu krank, zu alt oder verstorben ist oder er die Vögel aus anderen Gründen nicht mehr haben kann oder will.

Heidi Schätzle vom Konstanzer Tierschutzheim sagt: „Eine Voliere kann tiergerecht sein.“ Sie müsse groß genug sein, damit die Vögel fliegen können, diese dürften auch nicht allein sein, und die Einrichtung müsse den Bedürfnissen der Tiere entsprechen. Grundsätzlich sei es möglich, eine Voliere für die Aufklärung über das Leben exotischer Vögel zu nutzen. Die Fortpflanzung der Vögel sollte unterbunden werden, ansonsten kämen immer neue hinzu.

„Eine Voliere kann tiergerecht sein“, erklärt Heidi Schätze vom Tierschutzheim Konstanz. Hier könne ein Vogel sogar aufgehoben als in ...
„Eine Voliere kann tiergerecht sein“, erklärt Heidi Schätze vom Tierschutzheim Konstanz. Hier könne ein Vogel sogar aufgehoben als in einem kleinen Käfig. Sie frage sich aber, ob diese öffentlich sein müsse. | Bild: Rindt, Claudia

Seit dem Jahr 2007 ist es verboten, in die Europäische Union Wildvögel einzuführen. Die heutigen Bestände sind also in der Regel auf Zucht zurückzuführen. Heidi Schätzle sagt: In einer Voliere sei ein gezüchteter Vogel in jedem Fall besser aufgehoben als in einem kleinen Käfig. Sie frage sich aber, ob diese öffentlich sein müsse.

Eine Auffangstation sei dies in der Regel nicht. Bei großen Papageien zweifle sie, ob es gelingt, diesen genügend Raum zu geben. Grundsätzlich, so Schätzle, wäre es vollkommen artgerecht, überhaupt keine Vögel zu halten, denn diese seien etwa anders als Hunde nicht domestiziert.

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Armin Wölfle, Vorsitzender des Vereins für Kanarienzucht und Vogelfreunde, betrachtet die Voliere im Stadtgarten als „moderne Auffangstation“. Es würden in der Regel nur Vögel aufgenommen, die Besitzer abgeben müssen oder wollen. Auch er betont: „Diese Vögel können in der Natur nicht überleben.“ In der Voliere würde die Fortpflanzung unterbunden.

„Das ist eine moderne Auffangstation“, sagt Armin Wölfle vom Verein für Kanarienzucht und Vogelfreunde. Der Vorsitzende hat den ...
„Das ist eine moderne Auffangstation“, sagt Armin Wölfle vom Verein für Kanarienzucht und Vogelfreunde. Der Vorsitzende hat den Eindruck, dass viele Konstanzer die Voliere mögen und sich gern dort aufhalten. | Bild: Rindt, Claudia

Manchmal werde die Möglichkeit, Vögel an den Verein abzugeben, aber missbraucht: Einmal sei ihm etwa ein Vogel gebracht worden, weil es in der Familie angeblich eine Allergie gab. Wenige Monate später habe genau dieselbe Person wieder mit einem Vogel vor der Tür gestanden. Es stellte sich dann heraus: Die angebliche Allergie war eine Lüge. Der Besitzer wollte einfach in den Urlaub fahren und sich die Kosten für ein Tierhotel sparen.

Einmal seien der Außen- und der Innenzaun der Voliere im Stadtgarten aufgebrochen worden, um Vögel hineinzusetzen. Wölfle fordert dazu auf, das Haus nicht zu zerstören. Der Verein biete ja die Möglichkeit, Vögel aufzunehmen.

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Auch das Verhalten der Passanten an der Voliere sei nicht immer freundlich. Statt einfach nur zu schauen und sich an den Tönen zu freuen, klopften sie etwa an den Zaun. Dies erschrecke die Tiere. Es sei auch nicht sinnvoll, die Finger durch die Maschen zu stecken, um zu versuchen, einen Vogel zu streicheln. Im Käfig sitzen auch Graupapageien, die einen kräftigen Biss haben. Früher gab es zwei Beos in der Voliere. Doch sie starben gleichzeitig.

Wölfle geht davon aus, dass sie vergiftet wurden oder auf andere Weise unnatürlich starben. „Es gibt auch Vogelhasser.“ Nach einer Weile habe der Verein die Graupapageien bekommen. Grundsätzlich gebe es im Stadtgarten eine zunehmende Zahl an Stressfaktoren, etwa Feste und Musikereignisse wie das Seenachtfest. In einem gewissen Maße könnten sich die Vögel daran gewöhnen. Wenn es ganz schlimm wird, kämen sie in den Rückzugsraum.

Voliere steht schon seit 1965

Der 56-jährige Wölfle kennt die Voliere noch von Kindertagen. Sie wurde 1965 im Stadtgarten aufgestellt. Seine Leidenschaft für die Vogelzucht wurde früh geweckt: Als Junge gewann er bei einer Vogelschau zwei Zebrafinken. Er sah, wie diese ein Nest bauten und aus den Eiern Küken schlüpften und aufwuchsen. Seitdem hat er sich der Zucht von Kanarienvögeln und anderen Exoten verschrieben. „Es ist ein schönes und faszinierendes Hobby.“

Es diene dem Erhalt der Vogelvielfalt. „In der Natur gibt es ja immer weniger Vögel.“ Da kein Wildvogel mehr eingeführt werden darf, kämen neue Vögel aus der Zucht. Er habe aktuell noch drei Vogelpaare zur Zucht. „Früher waren es mehr.“ Der Verein leide darunter, dass viele Mitglieder betagt oder gesundheitlich angeschlagen sind. Zwar habe er um die 40 Mitglieder, aber nur mehr zwei aktive Züchter.

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Ausstellungen mit Vögeln seien so nicht mehr möglich. Die letzte war vor elf Jahren in der Wollmatinger Halle zum 100-jährigen Bestehens des Vereins. Damals habe der Landesverband geholfen, damit es die Schau überhaupt geben konnte. Armin Wölfle will eine Gruppe mit jungen Menschen aufbauen, die Interesse an Vögeln und deren Zucht haben. Auf dem Vereinsgelände gebe es Möglichkeiten, Volieren aufzustellen.

Die im Stadtgarten wird nach seiner Einschätzung noch eine Weile bleiben. Alle zwei Tage komme jemand vom Verein, um die Vögel mit Körnern, Obst, Gemüse und Salaten zu füttern und die Pflanzen zu erneuern. Es dauere nur zwei bis drei Tage, bis die Vögel Grünzeug klein gepickt haben.

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Im Jahr flössen ein paar hundert Euro allein in die Wiederbeschaffung. Der Verein wende im Jahr mehrere tausend Euro auf, um die Voliere zu erhalten. Alle Woche werde geputzt, und einmal im Monat gebe es das Großreinemachen. Dank Fliesen im Inneren könnten die Teams mit dem Dampfstrahler vorgehen.

Versuche, die Voliere an einen anderen Platz zu schaffen, scheiterten vor Jahrzehnten. Als der Stadtgarten umgestaltet wurde, sollte auch die Voliere weg. Aber an der neuen Stelle hätten die Vögel wesentlich weniger Platz gehabt. Der Verein leistete Widerstand. Mit Erfolg. Achim Wölfles Eindruck: Viele Konstanzer liebten die Voliere. Vor allem ältere Personen kämen, um mit den Vögeln zu sprechen.