Die Zeit kurz vor Weihnachten läuft für den Einzelhandel im Normalfall finanziell gut. Ohne Lockdowns, Corona-Beschränkungen und Grenzschließungen können auch die Nachbarn aus der Schweiz wieder in Deutschland einkaufen. Doch nehmen sie die Möglichkeit auch wahr?
Ein sicheres Zeichen dafür, dass Schweizer Kunden in Deutschland einkaufen, sind lange Schlangen an den Grenzübergängen. Hat der Zoll in der Vorweihnachtszeit vermehrt mit dem Stempeln von Ausfuhrscheinen zu tun? Im Bezirk des Hauptzollamts Singen sei „aktuell wieder ein Anstieg der abgefertigten Ausfuhrscheine“ im Vergleich zu den Vormonaten zu verzeichnen. Das antwortet Sonja Müller von der Stabstelle Kommunikation auf SÜDKURIER-Anfrage.
Zoll bemerkt Anstieg bei Ausfuhrscheinen
Noch lägen die Zahlen noch weit unter denen der Jahre vor der Corona-Pandemie und der Einführung der Bagatellgrenze von 50 Euro je Rechnungsbeleg. „Jedoch zeigt die Entwicklung der letzten Monate wieder einen signifikanten Anstieg im Vergleich zum vergangenen Jahr“, so Müller.
Diese vorherige Abnahme ist allerdings nicht alleine durch Corona zu erklären. Mit Einführung der Bagatellgrenze zum Jahresbeginn 2020 sei die Zahl der Ausfuhrscheine um rund 30 Prozent gesunken. Die Grenzschließungen während der Pandemie trugen weiter zur negativen Entwicklung bei.
Im Jahr 2019 wurden noch insgesamt 9,97 Millionen Ausfuhrscheine vom Hauptzollamt Singen abgefertigt, im Jahr darauf waren es mit 4,28 Millionen nicht einmal mehr die Hälfte. 2021 sank die Zahl dann weiter auf 3 Millionen abgefertigte Ausfuhrscheine. Wie viele es in 2022 sind, wird erst im kommenden Jahr veröffentlicht.
Händler in der Grenzregion zeigen sich zufrieden
Ein Vergleich mit den vergangenen Jahren ist aus mehreren Gründen schwierig, sagt Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz. Neben Corona habe auch das plötzliche Ende des Weihnachtsmarktes im vergangen Jahr für weniger Frequenz gesorgt. Aber er weiß auch : 2020 und 2021 sind keine Referenz. Man müsse sich an 2019 messen – oder das übertreffen.
Zwei Jahre lang habe man sich vom Einkaufstourismus entwöhnt, jetzt sei es ein langsamer Prozess, wieder zurückzukommen, erklärt Hölzle. Konstanz sei aber auf einem guten Weg, besonders die Wochenenden in der Vorweihnachtszeit seien stark besucht. „Grundsätzlich sind wir zufrieden“, so der Vorsitzende der Händlervereinigung.
Auch am Hochrhein kommen Schweizer Kunden
An jedem Wochenende sei die Waldshuter Innenstadt aktuell gut besucht, sagt auch Thomas Wartner, Vorsitzender des Werbe- und Förderungskreis Waldshut. Die Menschen würden sich danach sehnen, wieder raus zu gehen und Freunde zu treffen. Das gute Wetter und besonders der Weihnachtsmarkt seien Vorteile. Der bringe eine Grundfrequenz, die auch den Handel voranbringt. „Man sieht viele neue Gesichter“, sagt er.
Das diesjährige Weihnachtsgeschäft sei zwar auf alle Fälle besser, als das der vergangenen beiden Jahre. Ob das Niveau von 2019 schon wieder erreicht sei, könne sich aber zwischen den einzelnen Branchen unterscheiden. „Es läuft gut, das ist das wichtigste“, so Wartner. Der für Schweizer gute Wechselkurs mache sich bemerkbar, auch wenn es einige Wochen gedauert hätte, bis die Einkaufstouristen gekommen seien.
Positive Entwicklung überrascht IHK
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee verzeichnet eine positive Entwicklung der Umsätze im grenznahen Einzelhandel. Diese sei „im Kontext des aktuell negativen Konsumklimas“ nicht zu erwarten gewesen, schreibt Hauptgeschäftsführer Claudius Marx auf SÜDKURIER-Anfrage.
So hoch wie vor der Pandemie seien die Umsätze allerdings noch nicht. Zusätzlich machen Energiepreise, Lieferengpässe und fehlende Mitarbeiter dem Einzelhandel zu schaffen, führt Marx aus. „Bei hochpreisigen Waren ist die Kundschaft weiterhin zurückhaltend“, fährt er fort.
„Bis 2019 ging es für den grenznahen Einzelhandel lange nur bergauf“, schreibt Marx. Mit Corona allerdings kamen Lockdowns und wechselnde Beschränkungen. Auch als es Menschen aus der Schweiz schon wieder möglich war, in Deutschland einzukaufen, habe die Nachfrage darunter gelitten.
Inzwischen sei die Pandemie in den Hintergrund gerückt, der für Schweizer attraktive Wechselkurs begünstige den Einkaufstourismus. Ob sich die Erholung im kommenden Jahr fortsetzt, sei allerdings „mehr als ungewiss“, so Marx.