Während die Zuschauer auf das Urteil warten, unterhalten sich die Anwälte mit dem Staatsanwalt gut gelaunt über einen anderen Prozess. Sogar ein kurzer Scherz fällt. Doch die heitere Stimmung erfasst nicht alle: Die Angeklagten sitzen angespannt da – für sie geht es darum, ob sie in naher Zukunft überhaupt noch auf freiem Fuß sind.
Wer verliert, muss vom Platz
An einem sonnigen Junitag 2024 soll es zu einer körperlichen Auseinandersetzung auf dem DFB-Minispielfeld in Konstanz-Petershausen gekommen sein. Wegen gefährlicher Körperverletzung sind ein 39-jähriger Vater und sein 18-jähriger Sohn angeklagt. Laut dem Vater geht es bei der Freizeitanlage oft hoch her. Ein beliebter Modus: Zwei Teams spielen so lange, bis drei Tore fallen, der Sieger bleibt.
Nach einem Spiel sei es zum Streit gekommen, ein Gegenspieler habe ihn gepackt, sagt der Vater vor dem Konstanzer Amtsgericht aus. Sein Sohn habe damals gerufen: „Lass das, das ist mein Vater!“, woraufhin er selbst zugeschlagen habe, sagt der Vater. Rückblickend sagt er: „Ich dachte, er will mich schlagen, also habe ich zugeschlagen.“ Er entschuldigt sich: „Das war blöd, ich hätte deeskalieren müssen. Meine Frau hatte mich damals verlassen und mir ging es nicht gut.“
Das Opfer ist ein 24-jähriger Asylbewerber, der nach dem Angriff wegen Prellungen im Gesicht und Schmerzen fünf Tage arbeitsunfähig war, wie vor Gericht bestätigt wird. Nachdem sein Team gewonnen hatte, soll die gegnerische Mannschaft sich geweigert haben, den Platz zu verlassen. Warum ausgerechnet er bei den anschließenden Streitigkeiten geschlagen worden ist, weiß er nicht. Er sei zuerst vom Vater, dann vom Sohn angegangen worden – beide Male mit Faustschlag. Während des Vorfalls hätten sie ihn wiederholt nach seiner Adresse gefragt.
Später seien dann zwei Leute bei ihm daheim gewesen und hätten Geld angeboten, um eine Anzeige zu verhindern. Da er nicht gut Deutsch spricht, übersetzt der Dolmetscher: „Ich habe das Geld aber abgelehnt. Ich wollte, dass sie eine gerechte Strafe bekommen.“ Bis zum Vorfall im Sommer habe er schon anderthalb Jahre das Fußballfeld besucht, seit dem Streit gehe er nicht mehr dorthin: „Ich habe mich geschämt, dass ich vor allen Leuten geschlagen worden bin.“
Aus Angst ändert ein Zeuge mutmaßlich seine Aussage
Um zu klären, was im Vorfeld der Auseinandersetzung passierte, wird ein 53-jähriger Zeuge in den Saal gerufen, der vor Ort die Polizei verständigt hatte. Dieser behauptet, dass er die Angeklagten nicht kenne, und schildert, dass er nichts gesehen und auch nicht selbst den Notruf gewählt habe. Da seine Aussagen seinen damaligen Behauptungen vor Ort widersprechen, entgegnet der vorsitzende Richter Franz Klaiber laut: „Das ist so mühsam hier!“
Die 27-jährige einsatzleitende Polizistin, die ebenfalls als Zeugin geladen wurde, erläutert daraufhin: „Der Zeuge hat mir schon auf dem Flur gesagt, dass er große Angst vor den Beschuldigten habe. Dass er deswegen seine Aussage ändert, hätte ich nicht gedacht.“ Der Staatsanwalt vermutet, dass der Zeuge aus Angst geschwiegen hat – vielleicht, weil er befürchtete, wie das Opfer zu Hause aufgesucht zu werden.
In der Verhandlung wird deutlich: Der angeklagte Vater führt ein bürgerliches Leben. Er hat mehrere Kinder, eine profitable Firma und wieder Kontakt zur Ex-Frau. Als der Richter ihn mit einer drohenden Haftstrafe konfrontiert, entgegnet er: „Meine Kinder werden schon irgendwie zurechtkommen, für die Firma habe ich niemanden.“ Wenig später ruft seine Mutter aus dem Zuschauerbereich in die Verhandlung: „Bitte bestrafen Sie nicht hart! Er arbeitet hart und sein Sohn macht gerade eine Ausbildung!“
Vater entkommt nur knapp einer Haftstrafe
In den Plädoyers prallen die Meinungen aufeinander: Der Staatsanwalt ist überzeugt, dass die Tat gemeinschaftlich begangen wurde – die Verteidigung widerspricht. Der Verteidiger des Vaters vermutet, das Opfer sei im Vorfeld aktiv aufgetreten. Aber der Staatsanwalt sieht keine vorangegangene Provokation. Wegen des Bewährungsbruchs fordert der Staatsanwalt zehn Monate Haft. Der Anwalt des Vaters hingegen plädiert für eine erneute Bewährung.
Verurteilt wird der 39-Jährige schließlich zu zehn Monaten Haft, die aber zur Bewährung ausgesetzt sind. Er soll Geld an einen gemeinnützigen Fonds bezahlen und darf zwei Jahre lang die Sportanlage nicht betreten. In der Urteilsbegründung sagt Richter Klaiber: „Manche Dinge im Leben haben zwei Seiten: Einerseits muss es Konsequenzen haben, wenn er sich nicht im Griff hat, andererseits ist er in der Vergangenheit nicht allzu sehr als Schläger aufgefallen.“
Er betont: „Obwohl er wusste, was für ihn auf dem Spiel steht, war er geständig und drückte nicht auf die Tränendrüse – selbst als klar wurde, dass ihm eine Haftstrafe droht.“
So wird der Sohn verurteilt
Neben der Tat auf der Sportanlage wird dem 18-jährigen Sohn Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung vorgeworfen. Auch dieser Fall wird bei demselben Termin im Amtsgericht verhandelt. Im Juli 2023 soll er einem anderen Jugendlichen erst eine Ohrfeige gegeben und später auf ihn eingeschlagen haben.
Als er dazu befragt wird und sich in Erklärungen versucht, unterbricht ihn der Staatsanwalt: „Sie sitzen hier, räumen halbgar was ein und versuchen, die Verantwortung wieder abzuwälzen. Sie müssen Pluspunkte sammeln! Das Wasser steht Ihnen eigentlich schon über den Haarspitzen!“
Als das Opfer dieses Vorfalls von Juli 2023 seine Version der Geschichte schildert, merkt der vorsitzende Richter Klaiber an, dass sie nun ganz anders klinge als zuvor beim Angeklagten. Nach einer kurzen Verhandlungspause bestätigt der junge Mann den Tatvorgang dann aber doch so, wie ihn das Opfer schildert.
Er wird wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einem weiteren Jahr Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Ebenso wie sein Vater darf er zwei Jahre den Sportplatz nicht betreten und bekommt darüber hinaus mehrere Auflagen.