Es ist Freitag, 15 Uhr. Die Kinderarztpraxis von Alexander Fülbert ist leer. Und er genießt das. Der Kinderarzt mit seiner Praxis im Paradies hat durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weniger Arbeit. Denn die Patienten mit Infekten haben deutlich abgenommen, sagt er.

Alexander Fülbert ist Kinderarzt im Paradies. Seit der Corona-Krise muss er am Tag nur noch knapp die Hälfte der Patienten am Tag ...
Alexander Fülbert ist Kinderarzt im Paradies. Seit der Corona-Krise muss er am Tag nur noch knapp die Hälfte der Patienten am Tag versorgen als in einem normalen Winter. Er genießt das. | Bild: Jennifer Moog

Das heißt für ihn, nicht nur mehr Zeit für sich selbst, sondern auch für seine Patienten. „Normalerweise haben wir in der Praxis im Winter zwischen 120 und 140 Patienten am Tag. Jetzt sind es nur noch knapp die Hälfte. Dadurch bleibt momentan viel mehr Zeit für Gespräche“, so Fülbert.

Und die braucht er auch. Denn der Beratungsbedarf seiner Patienten sei in der Corona-Krise deutlich gestiegen. Durch teils widersprüchliche Aussagen, beispielsweise zur Impfung, sei die Unsicherheit groß. Er versuche dann, die Sorgen und Ängste zu nehmen, indem er die Mechanismen dahinter erkläre.

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Kinder treffe Covid-19 ohnehin nicht so stark, wie es ältere Menschen treffen kann. Er sagt: „Noch keine der bisherigen Mutationen hat Kinder schwer erwischt.“ Klar, gebe es immer auch Ausnahmen, aber generell sei Corona für Kinder eher ungefährlich. So seine Erfahrung.

Bisher wurden 13 Kinder mit Covid-19 behandelt

Zwei bis vier Tage Fieber, eventuell ein leichter Husten und Durchfall erlebten die Kinder im schlimmsten Fall. Da sei es vielen Kindern nach der Grippe oft über einen längeren Zeitraum schlechter gegangen, sagt er. Kinder mit Covid-19 zu behandeln, sei bei ihm allerdings eher eine Seltenheit. Seit Beginn der Corona-Krise habe er gerade einmal 13 positive Fälle behandelt.

Deswegen plädiert er dafür, die Kitas wieder zu öffnen und an den Grundschulen einen Wechselunterricht mit kleineren Klassen anzubieten, inklusive Maskenpflicht für alle. Denn Kinder seien nicht die Pandemietreiber, so Fülbert. Und es litten viele sozial schwächere Familien darunter, dass die Schulen und Kitas geschlossen sind und die Kinder nun zuhause sind und lernen müssen.

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Auch wenn er nun den ganzen Tag mit einer FFP-2-Maske arbeiten muss, sei das Arbeiten für ihn gerade so angenehm wie noch nie. Er findet: „Mit der Maske zu arbeiten ist gar kein Problem. Man gewöhnt sich schnell daran.“

Die Kinder hätten sich ebenfalls inzwischen daran gewöhnt, dass der Doktor ihnen mit Maske gegenüber sitzt, sagt Fülbert. Im ersten Lockdown sei das noch anders gewesen, da hätten die Kinder Angst vor dem Arzt mit Maske gehabt.

Allgemeinmediziner hat deutlich mehr Arbeit

Anders als bei Alexander Fülbert sieht es im Praxisalltag von Kai Michael aus. Er und sein Kollege Jörn Ridder haben als Ärzte der Praxis „Ärzte am Seerhein“ seit Beginn der Corona-Krise besonders viel zu tun. Bei ihnen in der Praxis ist der Beratungsbedarf ebenfalls gestiegen.

Auch, weil immer wieder sich ändernde Informationen an die Patienten weitergegeben werden und manche Missverständnisse oder Verunsicherungen bereinigt werden müssen. Doch nicht nur in dieser Hinsicht müsse der Arzt seinen Patienten beratend zur Seite stehen. Auch das psychische Befinden vieler Patienten sei seit der Corona-Krise zu einem immer größer werdenden Thema geworden.

Die Ärzte Jörn Ridder (links Mitte) und Kai Michael (rechts Mitte) von der Praxis „Ärzte am Seerhein“ haben gemeinsam mit ...
Die Ärzte Jörn Ridder (links Mitte) und Kai Michael (rechts Mitte) von der Praxis „Ärzte am Seerhein“ haben gemeinsam mit ihrem Team seit Beginn der Corona-Krise deutlich mehr Arbeit. | Bild: Ärzte am Seerhein

Als Corona-Schwerpunktpraxis nimmt außerdem das Abstreichen von Patienten viel Zeit in Anspruch. Denn mit dem Abstrich selbst ist es nicht getan, so Michael. Abstrichterminierung, Beratung, Folgeuntersuchungen, Koordination mit dem Gesundheitsamt. Das alles kommt noch hinzu.

Darüber hinaus betreut Michael ehrenamtlich ein Pflegeheim als Corona-Beratungsarzt, wobei er auch dort Abstriche durchführt und aktuell die Impfungen vorbereitet und auch durchführen wird.

Erschwerte Terminvergabe

Hinzu kommt, dass die Corona-Verordnungen das Arbeiten für Ärzte und medizinische Angestellte zusätzlich verändern. Weniger Patienten dürfen gleichzeitig in die Praxis, was die Terminvergabe erschwert. Beratungen laufen inzwischen nicht mehr nur von Angesicht zu Angesicht, sondern auch per Telefon oder Videosprechstunde.

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Während Corona einen großen Teil von Michaels Arbeitsalltag einnimmt, geht auch der normale Praxisalltag weiter. Michael sagt: „Wir können nicht wegen Corona wichtige Untersuchungen einfach unterlassen, müssen gut differenzieren, was aufschiebbar ist und was nicht.“

„Das ist ein totaler Spagat“

Weil nicht absehbar ist, wie lange die Pandemie bestehen bleibt, könne man auch Vorsorgeuntersuchungen nicht auf die lange Bank schieben – und doch ist Corona immer präsent. Das zu koordinieren sei eine Herausforderung. „Das ist ein totaler Spagat“, gibt Michael zu. Und weiter: „Jedem gerecht zu werden, ist momentan gar nicht so einfach.“

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Eine Lanze brechen will er auch für das Praxis-Personal. Denn auch für alle Mitarbeiter habe sich der Arbeitsalltag verändert. Viele der Dinge, die die Patienten derzeit bewegen, müssten die medizinischen Angestellten abfangen. Sie müssten jeden Tag aufs Neue die Coronaregeln vermitteln und auf die deutlich veränderten Abläufe in der Praxis achten. Er sagt: „Wir arbeiten alle sehr viel, aber wir machen das auch gerne.“