Das wäre die schlimmste Vorstellung für Markus Weimer: „Wir stellen einen Bauzaun um die Lutherkirche und sie verfällt. Das will doch niemand“, sagt der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz. Schließlich ist die neuromanische Kirche seit über 150 Jahren das wichtigste evangelische Gotteshaus der Stadt.

Doch die Lutherkirche zeigt deutliche Verfallserscheinungen. Das Hauptproblem ist, dass sie auf sandigem Untergrund steht und sich auf einer Seite deutlich absenkt. Risse im Mauerwerk sind die Folge, aber auch Beleuchtung, Akustik, die marode Toilette und der Teppich müssten erneuert werden. „Wir bräuchten einen zweistelligen Millionenbetrag“, sagt Markus Weimer.

Die Mauern der Lutherkirche sind sanierungsbedürftig.
Die Mauern der Lutherkirche sind sanierungsbedürftig. | Bild: Oliver Hanser

Geld, das die Badische Landeskirche nicht hat. So kommt auch der evangelische Kirchenbezirk Konstanz nicht umhin, bis 2032 mindestens ein Drittel seiner Kosten einzusparen. Dies ist die Vorgabe der Badischen Landessynode. Dazu wurden alle evangelischen Gebäude nach einem Ampelsystem betrachtet. Nur für „grüne“ Bauten gibt es auch künftig kirchliche Zuschüsse, mit „gelb“ klassifizierte Gebäude landen auf der Warteliste und bei „Rot“ gibt es kein Geld mehr von der Landeskirche.

Die Lutherkirche gehört aller Voraussicht nach zur roten Kategorie, so wie auch das Petrus-und-Paulus-Gemeindezentrum an der Wollmatinger Straße. „Das heißt, dass für diese Gebäude die Finanzierung komplett bei der Gemeinde liegt, aber wenn wir alles behalten, ersticken wir“, sagt Dekan Weimer. Deshalb muss für einige Gebäude eine neue Lösung gefunden werden.

An der Wollmatinger Straße 58 befindet sich die evangelische Petruskirche, daneben das Petrus-und-Paulus-Gemeindezentrum. Dieses fällt ...
An der Wollmatinger Straße 58 befindet sich die evangelische Petruskirche, daneben das Petrus-und-Paulus-Gemeindezentrum. Dieses fällt wohl bald aus der kirchlichen Förderung, seine Zukunft ist ungewiss. | Bild: Oliver Hanser

Pfarrerin Christine Holtzhausen, Vorsitzende der Gesamtkirchengemeinde Konstanz, erläutert: „Wir müssen die Schuldenlast auf mehr Schultern verteilen und Ideen für eine breitere Nutzung sammeln. Für die Lutherkirche wäre eine Öffnung in Richtung Kultur denkbar.“ Ob die evangelische Kirche die Trägerschaft behält oder sich jemand anderes findet, müsse sich zeigen. „Für viele ist es undenkbar, dass die Lutherkirche nicht mehr nutzbar sein soll“, sagt die Pfarrerin.

Sie hoffen auf eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung für die Sanierung der Lutherkirche (von links): Joachim Eibach, Leiter ...
Sie hoffen auf eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung für die Sanierung der Lutherkirche (von links): Joachim Eibach, Leiter der Initiative Lutherkirche, Dekan Markus Weimer, Christine Holtzhausen als Vorsitzende der Gesamtkirchengemeinde Konstanz, Sandra Mauch als Bezirksbeauftragte für Fundraising und Spenden sowie Nina Koller, Geschäftsführerin des Verwaltungs- und Serviceamtes Singen und zuständig für die Finanzen der Gesamtkirchengemeinde Konstanz. | Bild: Kirsten Astor

Förderinitiative gegründet

Einer von ihnen, der dieses Szenario unbedingt verhindern will, ist Joachim Eibach. Der Vorsitzende der Gemeindeversammlung gründete vor wenigen Wochen die „Förderinitiative Zukunft Lutherkirche“ und möchte so viele Menschen wie möglich motivieren, für die Sanierung zu spenden, sich aber auch mit Ideen und Aktivitäten einzubringen.

Eibach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bern und Mitglied im Bach-Chor Konstanz, liegt die Lutherkirche am Herzen. Er will mit einer Art Bürgerbewegung erreichen, dass gute Lösungen für die weitere Nutzung gefunden werden. „Es wäre toll, wenn die Stadt Konstanz einsteigen würde – nicht nur finanziell, sondern auch mit Ideen“, so Eibach. Auch der Denkmalschutz soll eingebunden werden.

„Die Kirche soll auch künftig für Gottesdienste genutzt werden, aber toll wäre eine Weiterentwicklung zur Kultur- und Konzertkirche“, sagt Eibach und sprüht vor Tatendrang. „Wir möchten mit der Förderinitiative zeigen, dass in einer Welt voller Krisen etwas von unten wachsen kann, wenn sich viele Menschen engagieren.“

„Wir möchten mit der Förderinitiative zeigen, dass in einer Welt voller Krisen etwas von unten wachsen kann, wenn sich viele Menschen ...
„Wir möchten mit der Förderinitiative zeigen, dass in einer Welt voller Krisen etwas von unten wachsen kann, wenn sich viele Menschen engagieren“, sagt Joachim Eibach, Vorsitzender der Gemeindeversammlung Lutherkirche. | Bild: Hanser, Oliver

Als Beispiele für solche Bewegungen nennt er die Sanierung der Frauenkirche in Dresden oder den Wiederaufbau von Notre Dame in Paris, ergänzt aber gleich: „Das ist zu hoch gedacht, aber im Kleinen kann uns Ähnliches gelingen.“

Was passiert mit dem Gemeindezentrum?

Wie es mit dem Petrus-und-Paulus-Gemeindezentrum weitergeht, ist auch noch unklar. „Auch hier wäre unser Wunsch, das Gebäude zu erhalten“, sagt Pfarrerin Christine Holtzhausen. „Denkbar wäre, dass wir Räume an Vereine vermieten.“ Die Initiative Save me, die Flüchtlinge unterstützt, ist dort bereits untergebracht.

Das Kinderhaus Löwenzahn, das ebenfalls hier angesiedelt ist, bleibe erstmal erhalten, so Holtzhausen. Ihr ist bewusst: „Wenn wir das Gemeindezentrum aufgeben, haben wir rechtsrheinisch keine Gemeinderäume mehr. Das muss man kompensieren.“

Wie es mit dem Petrus-und-Paulus-Gemeindezentrum an der Wollmatinger Straße weitergeht, ist offen. Denkbar wäre eine stärkere Vermietung ...
Wie es mit dem Petrus-und-Paulus-Gemeindezentrum an der Wollmatinger Straße weitergeht, ist offen. Denkbar wäre eine stärkere Vermietung an Vereine. Die Flüchtlingsinitiative Save me ist hier bereits untergebracht. | Bild: Oliver Hanser

Eine Idee wäre der Ausbau der Pauluskirche, das Holzgebäude an der Mainaustraße, das die Spitalstiftung an die Kirche verpachtet. Hier könnte der Dachboden ausgebaut werden, außerdem könnten Lagerräume und Toiletten in ein neu zu errichtendes Gebäude ausgelagert werden. Aber auch das kostet Geld. „Wir fühlen uns schon zerzaust, aber bei allem Loslassen, das wehtut, entstehen auch Aufbruch und neue Energie“, betont Christine Holtzhausen. „Während man früher alles als selbstverständlich hingenommen hat, kommen Menschen jetzt ins Nachdenken, wie Kirche sich heute darstellt und was wir wirklich wollen.“

Das sieht auch Dekan Markus Weimer als Chance: „Wir denken uns neue Konzepte aus und sehen das Glas halb voll.“ Dabei kommen innovative Ideen für die Zukunft der evangelischen Kirche heraus. „Wir haben einen neuen Citypfarrer, der andere Formen des Gottesdienstes anbietet, indem er zu den Menschen kommt – in Kneipen, am See oder mitten in der Stadt, aber ohne Gebäude“, so Weimer.

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Außerdem sei es denkbar, die Konfirmandenarbeit für die drei Gemeinden an einem Ort zu bündeln oder für die Jugendarbeit mit einem Bauwagen ins Pfeiferhölzle zu kommen. „Wir erleben auch in der Luthergemeinde einen Aufschwung, es kommen mehr Menschen in den Gottesdienst“, freut sich Markus Weimer. Diesen Schwung wollen die evangelischen Christen mit in die Zukunft nehmen. Der Austausch des „fadenscheinigen Teppichs“ in der Lutherkirche, wie Joachim Eibach den zerzausten Bodenbelag nennt, ist dafür nur der Anfang.