Hier ist ein Knotenpunkt. An der Ecke Allmannsdorfer Straße steht ein Gebäude, das seine besten Jahre hinter sich hat. Zum einen Hauseingang für die Bewohner führt nur ein Trampelpfad hinauf, auf dem Platz stehen ein paar verlorene Palmen, die es auch nicht schaffen, Atmosphäre zu verbreiten.
Es ist ein Wohn- und Geschäftshaus aus dem Jahr 1969, schick ist anders, nach Sanierung, diesen Eindruck macht es, geradezu schreiend.

In Richtung Friedrichstraße ein brauner, lang gezogener Block mit Kneipen und Spielcasinos an der Wollmatinger Straße sich entlang ziehend – auch keine Augenweide.
Und vorne zentral am Zähringerplatz das Seerheincenter, mächtig thronend und im Stil, wie man eben Anfang der 1980er-Jahre baute. Gegenüber dann schon wieder fast mit Retro-Charme: das schlichte Enggesser-Hochhaus aus den 1950er-Jahren, damals das höchste Gebäude in Konstanz.
Nein, sie könne am Zähringerplatz nichts Charmantes entdecken, sagt Elisabeth Pöcheim, die Besitzerin der Zähringer-Apotheke. Ihre Apotheke, die es schon seit 1956 gibt und die sie 1998 übernahm, hat sich auf Homöopathie nach Hildegard von Bingen spezialisiert und liegt etwas abseits vom rummeligen Platz.
Nebenan hat vergangenes Jahr ein weiteres Wettbüro eröffnet, das dritte im nahen Umkreis, ein Einspruch dagegen war abgelehnt worden. „Die Wohnqualität hat gelitten,“ sagt sie bedauernd. Einzig auf der kleinen Grünfläche vor dem Haus säe sie ab und an eine Blumenmischung aus und erfreue sich dann an den Farbtupfern im Stadtgrau.
In dem braunen Block gegenüber befindet sich am Ende tatsächlich eine kleine Passage. Am Ende, ganz hinten, findet er überraschend eine Werbeagentur und ein Coworking Space. Hier können Menschen einen Arbeitsplatz mieten. Ein Schreibtisch kostet 200 Euro im Monat, einige Firmen haben für ihre Mitarbeiter schon dauerhaft eingebucht.

Salvatore Gallace, ein Mitarbeiter, findet die Lage am Zähringerplatz optimal, der Platz sei ein Verkehrsknotenpunkt, von überall aus der Stadt gut erreichbar. „Wenn man die Tür aufmacht, könnte man denken, man sei im Urlaub“, sagt er: Viele Sprachen, Multi-Kulti, am Nachmittag gelegentlich einige Betrunkene vorne, aber Probleme, die habe es noch nie gegeben.
In jenem anfangs beschriebenen Betonbau mit Palmen auf dem Platz ist im Erdgeschoss eine Paketstelle. Lokman Shasho, Syrer aus Damaskus, seine Frau und zwei angestellte Mitarbeiter haben hier ihren Laden aufgebaut.

Shaso will „ein guter und ehrlicher Mensch“ sein, der einer älteren Dame auch mal nach Feierabend das Paket persönlich vorbeibringt, wenn sie es nicht abholen kann, und der seinen Kunden auch mal beim Preis entgegenkommt, wenn er sieht, dass sie nicht so viel Geld haben, sagt er.

Seine Arbeitszeit verbringt auch Werner Wiedorn am Platz. Er ist der Inhaber des Fitnessstudios Fit-In in diesem Bau, selbst wohnt er in Allmannsdorf. Über eine Wendeltreppe gelangt man zu ihm. Ja, er könne viel erzählen, schließlich habe er schon in der Theodor-Heuss-Realschule die Schulbank gedrückt, habe mitbekommen, wie das Seerheincenter gebaut wurde.
Es habe einen Bauzaun gegeben mit runden Gucklöchern, durch die er „mit staunenden Augen“ auf eine riesige Baugrube geblickt habe. Die Friedrichstraße, so erinnert er sich, sei eine Allee bis hoch in den Königsbau gewesen. Es habe das Lokal Schauinsland gegeben mit Festsaal, in dem die Fasnacht gefeiert wurde.
„Und irgendwann haben sie auf dem Platz sogar probeweise einen Kreisverkehr ausprobiert“, sagt Wiedorn. Weil er zu gefährlich für die Radfahrer und Fußgänger gewesen sei, sei er wieder entfernt worden.
In dem Gebäude, in dem er nun das Fitnessstudio betreibt, war er erstmals mit fünf, beim Zahnarzt, unten gab es zeitweise einen Supermarkt – „Gottlieb“, später Edeka – die Tanzschule La Danse sei auch schon seit einer Weile ausgezogen. Jetzt gebe es viel Leerstand. Das Haus, so Wiedorn, sei in einem miserablen Zustand.

Ja, und es sei laut, die Sirenen von Rettungsfahrzeugen hallten bis zu seinem Studio hoch, Autoposer drückten ab der Gebhardskirche noch einmal extra aufs Gas. Der Zähringerplatz sei für ihn ein „Konstanzer Sorgenkind“, es gebe überall etwas zu tun. Gut aber, sagt er, dass das Seerheincenter saniert worden sei. Wiedorns Fazit: „Der Platz liegt schön zentral, aber er bietet optisch nichts Schönes.“
Ganz anders spricht Holger Kolb: Er lebt auf 36 Quadratmeter in diesem Bau, nach hinten raus, Nordostseite, da sei es deutlich ruhiger. Ihm gefalle das Großstadtflair, die Kneipen, das bunte Publikum, vom Studenten über den Professor bis zum Migranten, er sei schon mit jedem am Tisch gesessen. „Das hier ist das Gegenteil von Egg“, sagt er.
„Ich will auf jeden Fall hier sterben,“ stellt er mit dem Brustton der Überzeugung fest. Auch wenn er in der Tiefgarage sein Fahrrad mit einem Anker im Betonboden gesichert habe, sein Motorrad schon einmal mit Kot beschmiert gewesen sei, auch wenn es einen Rohrbruch gegeben habe, die Tiefgarage unter Wasser gestanden sei, oft Müll vor dem Eingang liege und Jugendliche gelegentlich aus Langeweile die Bretter des Treppengeländers anzündeten – das alles tut seinem Wohngefühl keinen Abbruch.
Man treffe viele Leute hier, eben auch ein paar Verrückte, aber: „Es ist immer Leben in der Bude“. Und innen? Zumindest die Treppenhauswände sind gestrichen, die Heizung funktioniert. Hausbegehung mit dem Eigentümer, der eine Wohnung in neuem Glanz vorführt. 60 Prozent aller 42 Wohneinheiten, so sagt er, seien innen teilrenoviert. Und außen sei auch schon „Großes“ geplant.
So gibt es eben noch Mietverträge, auf denen gleich auf Seite 1 steht: „Die Mietsache hat alte einfachverglaste und undichte Fenster (…) Die Rollläden sind defekt und müssen vermieterseits nicht erneuert werden.“ Der Eigentümer sieht das so: „Wir sind ehrlich und sagen, was den Mieter erwartet.“ Ob 450 Euro Kaltmiete für etwa 36 Quadratmeter angemessen sind, muss jeder selbst beurteilen.
Holger Kolb ficht das alles nicht an. Er setzt sich gern mal vors Haus zwischen die Baugitter, trifft ein paar Bekannte, da ist ein wenig Grün hin zur Allmannsdorfer Straße.

Und der Verkehr pulst von allen Seiten, Fahrradströme gießen sich die Friedrichstraße herab in die Jahnstraße hinein, Autos und Busse bewegen sich im Rhythmus der Ampeln, Einkaufende werden vom Seerheincenter verschluckt und mit vollen Taschen wieder ausgespuckt. Ein Treiben ohne Anfang und Ende am Zähringer Platz, der vermutlich keine Schönheit mehr werden wird.