Erzieherin Sabine Winkhardt erinnert sich genau an den Tag, als sie erfahren hat, dass die Kitas schließen müssen. Es ist bald ein Jahr her. Doch sie sagt: „Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an.“ Damals gingen ihr tausend Fragen durch den Kopf. So wie diese: „Wie halten wir mit Kindern und Eltern Kontakt? Wie geht das alles weiter?“
Selbst heute sind nicht alle Fragen, die der Leitung der Kita im Grün in Litzelstetten damals durch den Kopf gingen, beantwortet. Denn noch immer ist nicht klar, wie die nächsten Monate aussehen werden – wie sehr das Corona-Virus das Leben und Arbeiten weiter bestimmen wird.
Der letzte Morgenkreis
Doch zurück zum Anfang: Das Einzige, was Winkhardt beim ersten Lockdown im Frühjahr und der darauffolgenden Schließung der Kitas mit Gewissheit wusste: Die Kita im Grün bleibt auf unbestimmte Zeit geschlossen. Und auch aktuell sind die Tore nur für wenige Kinder geöffnet.

Sie denkt an den letzten Kita-Tag vor dem ersten Lockdown: „An diesem Tag hatten wir noch einen gemeinsamen Morgenkreis. Da hat jedes Kind einen Samen und einen Stein bekommen. Wir haben dann gesagt: Daran, wie die Pflanze gewachsen ist, kannst du sehen, wie lange wir uns nicht gesehen haben.“
Grüner Faden als Weg des Kontakts
Als die Kitas dann schlossen und die Kinder zuhause bleiben mussten, seien die Erzieher anfangs trotzdem weiterhin jeden Tag vor Ort gewesen – hätten Dinge getan, die sonst im normalen Arbeitsalltag selten ihre Zeit finden: Aufgeräumt, Dinge sortiert. Und desinfiziert. Denn damals war keinem klar, wie gefährlich das Coronavirus noch werden könnte.
Den Kontakt zu Eltern und Kindern wollten die Erzieher aber trotz der räumlichen Distanz nicht verlieren. „Wir haben dann relativ schnell den ‚grünen Faden‘ entwickelt“, so Winkhardt. Mit dieser wöchentlichen Mail wurden fortan, auch heute noch, Eltern und Kinder darüber informiert, was in der Kita gerade alles passiert.
Außerdem geben die Erzieher darin Anregungen für Aktivitäten, die die Kinder auch zuhause umsetzen können. Telefonate mit Eltern und Kindern wurden für Sabine Winkhardt und ihre Erzieher-Kollegen ab dann zum festen Bestandteil des Kita-Alltags.
An normalen Kita-Alltag war nicht zu denken
Als die Kita unter Pandemiebedingungen wieder geöffnet wurde, sei man erleichtert gewesen. Doch an einen normalen Kita-Alltag war trotzdem nicht zu denken, so Winkhardt. Denn von dort an galten strenge Verhaltensregeln.
Gruppen mussten zusammen bleiben. Anfangs habe man noch versucht, den Abstand zwischen den Kindern zu wahren, aber vergebens. Wer auf die Toilette musste, musste fragen. Die Kinder waren das nicht gewohnt.
Winkhardt sagt: „Wir arbeiten hier auf der Grundlage der offenen Arbeit nach dem Infans-Konzept und die Kinder können selbst entscheiden in welchem Bildungsbereich sie tätig sein wollen.“ Das war auf einmal tabu.
Das zu vermitteln sei eine Herausforderung gewesen. Für manche Kinder hieß Kita unter Pandemiebedingungen: getrennt sein von Freunden oder dem Bezugserzieher, so Winkhardt.
Kinder winken sich durch Glastür zu
Ihre Kollegin Severine Hellmuth kann sich an ein Ereignis erinnern, das sich in ihr Gedächtnis gebrannt hat: „Ich weiß noch, wie die Kinder ihren Freunden, die durch die Trennungen in einer anderen Gruppe waren, über den Zaun und durch die Glastüren zugewunken haben.“ Das habe sie traurig gemacht. Natürlich habe man versucht, solche Trennungen zu vermeiden. Doch nicht in jedem Fall habe das funktioniert.
Deshalb sagt Winkhardt: „Vor Corona waren wir in der Kita eine große Gemeinschaft. Das fehlt.“ Auch jetzt noch. Denn momentan sind in der Tagesstätte 21 Kinder in der Notbetreuung – rund ein Drittel der eigentlichen Anzahl an Kindern, die die Kita sonst beleben. Für diese Kinder herrsche derzeit ein normaler Kita-Alltag.
Dennoch fehlt die sonstige Leichtigkeit, findet Severine Hellmuth. Sie vermisst die Lebendigkeit des Kita-Alltags, die Nähe und Gemeinschaft und auch Rituale, wie die Morgenrunde.
Eltern müssen draußen bleiben
Denn Corona ist immer Teil des Alltags. Eltern dürfen beispielsweise den Kindergarten nicht betreten und müssen draußen warten, bis ihr Kind angezogen herauskommt.
Gespräche, die sonst gerne noch zwischen Eltern und Erziehern geführt wurden, fallen weg. Denn es wartet schon der nächste Papa oder die nächste Mama darauf, das Kind abzuholen. Viel Zeit für Gespräche bleibt da nicht.
Obwohl sich der Kita-Alltag sowohl für die Erzieher als auch für die Kinder rigoros verändert hat, sehen Hellmuth und Winkhardt dennoch positive Entwicklungen: „Der Rückhalt der Eltern ist ganz toll. Und wir haben sehr viel Wertschätzung erfahren für das, was wir tun“, sagt Winkhardt. Aber sie sagt auch: „Ich maße mir nicht an, zu sagen, was für uns alle das Beste ist. Aber ich freue mich auf den Tag, an dem die Kitas wieder öffnen dürfen.“