Da musste Karin Becker dann doch einmal deutlich werden. Eigentlich wird an dem Abend gefeiert, das Theaterfest hat die Gäste begeistert, die Kostproben des Ensembles sind beklatscht worden. Dann der Auftritt der Intendantin. Wer der Kultur nun Geld wegnehmen wolle, handle fahrlässig, sagt sie. Und sie spricht ausdrücklich nicht nur für ihr Haus. Theater, Philharmonie, Sport – dort zu kürzen „in Zeiten des zunehmenden Rechtspopulismus“, das sei nicht hinzunehmen. Langer Applaus aus dem gut besetzten Saal ist die Antwort.

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Wenige Tage zuvor zuvor, im Oberen Saal des Konzils. Gabriel Venzago, der sonst so feinsinnige Chefdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie, spricht ihn endlich an, den Elefanten im Raum. Es geht darum, warum Orchester für die Gesellschaft wichtig sind. Warum es dabei nicht nur um die reine Kunst geht, die ihnen ihre Berechtigung verleiht, sondern auch der Zusatznutzen fürs Gemeinwesen. Über Rechtpopulisten sagt Venzago nichts. Aber eine Sparvorgabe von 20 Prozent, das sei – ja, er sagt es wortwörtlich so – „scheiße“.

20 Prozent galt eher als symbolische Zahl

Bevor es in den Finanzberatungen der Stadt ans Eingemachte geht, wird aus den Kultureinrichtungen, die jeweils mit Millionensummen pro Jahr aus der Stadtkasse gefördert werden, der Protest so laut wie nie zuvor. Lange hatte man im Hintergrund angenommen, die vom Rat als sogenannter Prüfauftrag beschlossenen Kürzungen von 20 Prozent seien eher symbolisch. Ihre Programme haben Philharmonie und Theater für die Spielzeit 2023/24 noch so gemacht, als stünde da gar nichts an die Wand geschrieben, was manche im Rathaus als dreist oder zumindest trotzig empfinden.

Doch nun, mit jeder Woche, in der die Verwaltung das Thema weiter bearbeitet, wird deutlich: Die Kuh ist noch nicht vom Eis, die 20 Prozent bleiben als Bedrohung bestehen. Denn der Spardruck auf die Stadt nimmt in Zeiten steigender Baukosten und Zinsen weiter zu, bei den Einnahmen gibt es – so steht es in der Vorlage an den Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss für die Sitzung am 21. September –, immer mehr Unsicherheiten. Zugleich ist die Stadt, unter anderem mit dem vom Bund stark geförderten Projekt Smart Green City, Verpflichtungen eingegangen, aus denen sie nicht mehr herauskommt.

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Hinter den Kulissen wird hart gekämpft

Die Vorlagen zu den Kultur-Einsparungen sind zunächst noch unter Verschluss, aber die Beteiligten wissen schon, worum es geht. Zwischen Theater, Philharmonie und Co. auf der einen und der Kämmerei auf der anderen Seite wird hart gerungen. So sagen es, erkennbar um Diplomatie bemüht, mehrere Akteure. Und es zeichnet sich langsam ab, was auf dem Spiel steht.

(Archivbild) Die Debatte ist eröffnet, was für eine (Kultur-)Stadt Konstanz sein will; hier eine SÜDKURIER-Diskussion am 3. Juli mit ...
(Archivbild) Die Debatte ist eröffnet, was für eine (Kultur-)Stadt Konstanz sein will; hier eine SÜDKURIER-Diskussion am 3. Juli mit (von links) Intendantin Karin Becker, Kultur- und Sozialbürgermeister Andreas Osner, Moderator Jörg-Peter Rau, Konzertveranstalter Xhavit Hyseni und Michael Auer, dem langjährigen Leiter des Konstanzer Kammerchors. | Bild: Oliver Hanser/SK-Archiv

Für Karin Becker zum Beispiel ist es die Werkstattbühne. Die kleinste Spielstätte des Theaters, hoch oben im fünften Stock des Gebäudes in der Inselgasse, steht auf der Kippe. Nicht nur, aber auch weil dort eine aufwendige Brandschutz-Sanierung dringend nötig ist. Das Theater müsste dann mit dem großen Haus und der Spiegelhalle auskommen. Sollte die Werkstattbühne geschlossen werden, gibt es auch die bislang aufgeführten Stücke dort nicht mehr. Arbeit einfach zu verlagern, komme für sie nicht in Frage, sagt Becker.

(Archivbild) Und wie sich die Szenen gleichen: Auch hier, am 13. September, geht es um die Zukunft der Kultur, (von links) Susanne Benda ...
(Archivbild) Und wie sich die Szenen gleichen: Auch hier, am 13. September, geht es um die Zukunft der Kultur, (von links) Susanne Benda diskutiert mit Chefdirigent Gabriel Venzago, dem früheren Intendanten Beat Fehlmann und der Musikvermittlerin Kristin Thielemann im Konzil. | Bild: Hanser, Oliver/SK-Archiv

Viele Stücke kann die Philharmonie dann gar nicht spielen

Die Philharmonie dagegen befürchtet, auch das sagt Gabriel Venzago, ganz konkret Stellenstreichungen. Fast das ganze Budget des Orchesters geht ins Personal. Sollten hier 20 Prozent gespart werden müssen, funktioniert das nach seiner Einschätzung nur mit einer formalen Herabstufung des Orchesters.

Würde es vom zweithöchsten bundeseinheitlichen Niveau (definiert durch den Tarifvertrag für Musiker in Konzert- und Theaterorchestern), also B, auf C absteigen, wäre das ein zulässiger Grund für den Abbau von Stellen, die ansonsten durch die Regelungen des öffentlichen Dienstes geschützt sind. Ein kleines Orchester, das würde nach Venzagos Worten heißen, dass Stücke mit großer Besetzung nicht mehr gespielt werden könnten. Und das würde dann auch bei gemeinsamen Konzerten mit den Chören aus der Region zum Problem.

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Freie Kulturschaffende, zum Beispiel auch in Vereinen, haben schon Kürzungen hinnehmen müssen – nachdem jahrelang nicht einmal die Inflation ausgeglichen wurde, überweist die Stadt ihnen nun pauschal zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Allerdings geht es dabei meist um eine Kürzung von einigen hundert Euro. 20 Prozent beim Theater würden dagegen rund 1,4 Millionen Euro bedeuten, bei der Philharmonie ebenfalls mehr als eine Million Euro.

Ab wann Theater, Philharmonie, aber auch Museen und andere städtische Kultureinrichtungen wie viel sparen müssen, ist dabei noch nicht entscheiden. Der Gemeinderat trifft sich am Samstag, 7. Oktober, zu einer Klausurtagung. Am 25. Oktober tritt dann die Haushaltsstrukturkommission zusammen, die bei den möglichen Kürzungen eine zentrale politische Rolle spielt. Für Karin Becker und Gabriel Venzago wird es noch weitere Gelegenheiten geben, deutlich zu werden. Wie es scheint, wollen sie sie auch nutzen.