Der geplante Windpark auf dem Schienerberg sorgt erneut für Diskussionen. Das Unternehmen „Abo Wind“ mit Sitz in Wiesbaden plant im Staatswald auf dem Berg den Bau von fünf Windenergieanlagen mit einer Höhe von je 250 Metern. Die Standorte wurden bereits fixiert. Durch die Verschiebung des fünften Standorts um rund 80 Meter auf Gemeindeboden könnte nun auch die Gemeinde Öhningen als Grundstückverpächter von dem Bau des Windparks finanziell profitieren – insofern das noch in den Kinderschuhen steckende Projekt die Prüfverfahren standhält.

Im Gemeinderat stimmten nun zehn von 13 Gemeinderäten für den Bau einer Anlage auf Öhninger Gemeindefläche. Doch der Weg zur Abstimmung war von Kontroversen begleitet. Denn was zunächst als formelle Beauftragung der Verwaltung zur Vertragsunterzeichnung daher kam, entwickelte sich während der Sitzung zur Grundsatzdebatte zwischen den Gegnern und den Befürwortern der Windkraft – sowohl unter den Räten als auch unter den Bürgern.

Das Windparkprojekt Schienerberg lockte viele Bürger zur ersten Sitzung des Öhninger Gemeinderats nach den Sommerpause an. Sie ...
Das Windparkprojekt Schienerberg lockte viele Bürger zur ersten Sitzung des Öhninger Gemeinderats nach den Sommerpause an. Sie diskutieren teils kontrovers über das geplante Projekt. | Bild: Georg Lange

Gegner weisen auf Gefahren für Mensch und Natur hin

Die Windkraft zog über 50 Bürger zu der Sitzung in den Öhninger Ratssaal, unter ihnen auch Mitglieder der neu gegründeten Initiative „Freunde der Höri“. Sprecher Wolfgang Engelmann forderte vom Öhninger Gemeinderat, dass noch keine Entscheidung über die Ausarbeitung für den Nutzungsvertrag der fünften Anlage fallen sollte, da von dessen Entscheidung auch die umliegenden Gemeinden betroffen seien. Die Initiative forderte einen öffentlichen Dialog mit Bürgern, Politikern, Planern, Unternehmern und unabhängigen Fachleuten – ohne Zeitdruck und gegebenenfalls mit einem Bürgerentscheid.

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Gemeinderat Klaus Nägele (CDU) legte in der Sitzung ein Positionspapier des Ortschaftsrats von Schienen vor. Darin beschrieb der Rat die Windkraft als eine Technologie, die nicht frei von Gefahren sei, und dass sich diese negativ auf das regionale Klima auswirken könnte. Für den Ortschaftsrat stehe der Schutz seiner Bürger an oberster Stelle. Der Rat sehe Risiken für die Trinkwassergewinnung vor Ort, eine Beeinträchtigung der Gesundheit durch Infraschall sowie durch Nanopartikel bei einem möglichen Brand der Windkraftanlage.

Zudem sehe er die Biodiversität und das Ökosystem im Wald in Gefahr sowie eine regionale Dürre durch die Austrocknung der Böden. Die Bürger würden sich als Opfer einer verfehlten Energiepolitik sehen. Die mögliche Kommerzialisierung der fünften Anlage solle für die Gemeinde nachrangig sein. Nägele forderte vorab eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Hier sollen die Anlagen stehen

Quelle: Abo Wind / Südkurier-Grafik: Steller
Quelle: Abo Wind / Südkurier-Grafik: Steller | Bild: Steller, Jessica

Im Rat erklärte Projektleiterin Janine Großjean die Standardreihenfolge des Verfahrens. Zuerst müsse der Standort einer Anlage festgelegt werden. Dann entscheide eine Emissionsprüfung über den möglicherweise notwendigen Wegfall einer Anlage. Zudem würden die Anlagen letztlich zum Schutz des Trinkwassers mit Auffangwannen für eventuell austretendes Öl ausgestattet und von einem Parkwächter regelmäßig kontrolliert, erklärte Großjean.

Die Angst vor Waldbränden in bereits trockenen Gebieten kann die Projektleiterin gut nachvollziehen. Sie verwies auf die integrierten Brandlöschsysteme, die einen Brand vor dem Eintreffen der Feuerwehr löschen sollen. Einer Veränderung des regionalen Klimas könne mit der Wiederaufforstung begegnet werden.

Wäre Atomkraft eine sinnvolle Alternative?

Die von Windkraftgegnern präferierte Atomkraft sieht Gemeinderätin Andrea Dix (Netzwerk) ebenso kritisch wie das von ihnen aufgeführte Argument des Trinkwasserschutzes. Sie hielt den lokalen Kritikern vor, dass auf dem größten Trinkwasserspeicher, dem Bodensee, mehr als 22.000 Motorboote das Trinkwasser gefährden und dass sich die Kritiker von Windkraftanlagen nicht gegen Motorboote aussprechen würden.

Das Unternehmen „Abo Wind“ ist spezialisiert auf das Errichten von Windenergieanlagen in Waldgebieten – wie ...
Das Unternehmen „Abo Wind“ ist spezialisiert auf das Errichten von Windenergieanlagen in Waldgebieten – wie beispielsweise hier der Windpark Hofbieber in Hessen. Nun will es auch einen Windpark auf dem Schienerberg errichten. | Bild: Abo Wind

Auch habe man zusehen müssen, wie zwischen Böhringen und Singen ganze Wälder für Industriegebiete abgeholzt wurden. Auch da hätten sich Kritiker nicht für deren Schutz eingesetzt. Der Eingriff mit den Windkraftanlagen im Wald sei zwar schlimm für die Höri, sagte Dix, doch sie sehe keine andere Alternative.

„Wir haben ein Klimaziel für das Jahr 2035. Das wollen wir unseren Kindern weitergeben“, sagte auch Frank Leitner (OBF). Er stellte die Frage in den Raum, ob dieses durch Kernkrafttechnologien der vierten Generation erreicht werden könnte. Doch diese seien bisher nicht lieferbar, so Leitner. Er stehe neue Technologien aufgeschlossen gegenüber. Doch diese seien nur dann gut, wenn sie morgen verfügbar wären. Um den Klimaschutz erreichen zu können, müsse man nehmen, was aktuell vorhanden ist, sagte Leitner.

Auch der Klimawandel bedroht den Schienerberg

Markus Eiglsperger (FBL) legte dem Gemeinderat und den Bürgern den Klimabericht der Vereinten Nationen vor und zitierte: Die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius sei nur möglich, wenn der Ausstoß der Treibhausgase sofort und drastisch verringert werde. Eigelsperger sagte, dass Windkraft dies leisten könne. Vielleicht könnten auch andere Formen der Energieerzeugung diese Aufgabe lösen, doch jene seien in den nächsten 20 Jahren flächendeckend nicht einführbar.

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Wenn die Gesellschaft sofort handeln müsse, so könne man dies nur mit Technologien erreichen, die verfügbar seien: Wind- und Solarkraft. Den Schienerberg sieht Eiglsperger nicht durch Windräder, sondern bereits durch den Klimawandel bedroht.

Gemeinde hatte Verfahren selbst in der Hand

Stefan Singer (Netzwerk) erinnerte die Bürger daran, dass Öhningen das Verfahren vor sechs Jahren in der eigenen Hand hatte. Er habe sich damals massiv dafür eingesetzt, dass die Gemeinde die Standorte für Windanlagen selbst aussucht, erläuterte der Rat. Doch die Bürgerinitiative „Landschaftsschutz Schienerberg“ verhinderte, dass dieses Verfahren in der Hand der Gemeinde blieb, sagte Singer.

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Nun sei Öhningen der Entscheidung des Landes ausgesetzt – mit Nabenhöhen weit über den damals diskutierten. Sein damaliger Vorschlag habe gelautet, dass Öhningen der Entscheider und Profiteur dessen sein sollte, was es anschauen muss. Doch gerade wegen des damaligen Aktionismus könne jetzt die Gemeinde nicht mehr entscheiden, erläuterte Singer.

Netzwerk-Gemeinderat Singer machte sich dennoch für eine optimistische Herangehensweise stark: Man solle zuversichtlich in die Zukunft schauen. Und dazu gehöre die Zuversicht, dass man die Windräder durch die Entwicklung neuer flächendeckender Technologien nach 30 Jahren wieder abbauen könne.