Das Thema Windräder wird nicht nur politisch sehr kontrovers diskutiert. Auch unter Naturschützern hat man eine unterschiedliche Auffassung, ob Windkraftanlagen nun gut oder schlecht sind. Das zeigt sich beim Windrad-Projekt auf der Höri: Auf dem Schiener Berg bei Öhningen sollen vier Windräder aufgestellt werden. Die Firma ABO Wind will einen Windpark auf Flächen des baden-württembergischen Staatsforsts aufstellen. Während die Naturschutzinitiative (NI) das für das Todesurteils des Waldes auf der Höri hält, sehen die Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Höri dieses Projekt durchaus positiv.

„Wichtig ist doch, dass wir die Verbrennung von fossilen Brennstoffen reduzieren. Die Energie brauchen wir aber dennoch“, sagt Michael Bauer vom BUND Höri. Bei der Bewertung von Standorten für Wind- oder Solarparks gebe es laut BUND drei Kategorien. Manche Standorte könnte man absolut ausschließen, darunter zählen Nationalparks, Naturschutzgebiete, Kernzonen von Biosphärengebieten sowie Bann- und Schonwäldern. Andere Areale müsse man kritisch prüfen. Dann gebe es die Bereiche, die absolut dafür in Frage kommen würden. Und der Schiener Berg gehöre zu Letzterem.
Windpark Verenafohren hat dem Wald nicht geschadet
Die Nachteile oder Gefahren für den Wald, den zum Beispiel die Naturschutzinitiative durch den Bau dieser Anlagen sieht, halten Karl Reichle und Michael Bauer für übertrieben. Seit 2017 gebe es den Windpark Verenafohren bei Tengen und dort sei nach dem Bau der Windräder eine höhere Diversität in dem Wald rund um die Anlagen zu beobachten. Dies erklärt Karl Reichle so: „Sind die Windräder erst einmal aufgestellt, wird die Natur rund um das Windrad nicht mehr gestört und kann sich in Ruhe entwickeln.“
Durch den Einschlag in den Wald würde dieses Areal auch mehr Licht bekommen und anderen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum geben als es ein dichter Wald täte. Der Bau von Windrädern sei zwar ein Einschnitt in die Natur, doch würde der BUND auch das große Ganze sehen. „Windkraft kann den Menschen dabei helfen, den Klimawandel doch noch zu stoppen“, so Bauer.
Rotmilan ist kein Ausschlusskriterium
Auch die Gefährdung des Rotmilan durch die Windräder sehen die Vertreter des BUND Höri nicht ganz so dramatisch wie andere Naturschützer. Durch die bisherigen Schutzmaßnahmen habe die Rotmilan-Population einen Sprung gemacht, erklärt Michael Bauer. Doch sieht er die Studie des Biologen Rainer Raab auch kritisch.
Dieser hatte Anfang 2022 im ZDF Magazin Frontal die ersten Ergebnisse veröffentlicht, demnach nicht das Windrad, sondern Gift die häufigste Todesursache von geschützten Rotmilanen sein soll. Hierfür hatte er Vögel mit GPS-Sendern ausgestattet. „Ich finde, da ist der Zusammenhang noch nicht ausreichend beweisen“, sagt Michael Bauer. Auch der Nabu hält laut einer Presseinformation diese Ergebnisse für nicht aussagekräftig.
Dennoch gebe es in Baden-Württemberg ein ausgewogenes Konzept zum Schutz des Rotmilans. Ein so genanntes Dichtezentrum des Rotmilan-Vorkommens besteht laut Landesregierung erst ab sieben Revierpaaren in einem Umkreis von 3,3 Kilometern. Aber auch das ist kein absolutes Ausschlusskriterium mehr für den Bau von Windkraftanlagen, heißt es laut der Landesregierung. „Eine Option ist es, die Windräder bei erhöhter Flugaktivität präventiv abzuschalten“, sagt Karl Reichle.
Solarpark könnte eine Aufwertung darstellen
Ähnlich sehen Reichle und Bauer auch den geplanten Solarpark. In der Nähe zur Schweizer Grenze, westlich von Schienen, will RES Deutschland einen Solarpark bauen. „Die geplante Fläche für die Solaranlage ist bis auf eine kleine Ecke eigentlich ein Acker, nichts daran ist bisher ökologisch. Die Solaranlage wertet diese Fläche auf“, sagt Michael Bauer.
Wichtig sei, dass man die Anlage so hoch baue, dass die Vegetation darunter noch ausreichend Licht bekäme. Hier könnten sich Pflanzen dann ungestört entwickeln und zu einer ökologisch wertvollen Fläche gepflegt werden. Auch der Zaun solle 20 Zentimeter über den Boden aufgestellt werden, sodass kleinere Tiere sich weiterhin frei bewegen könnten. „Diese Solaranlage wäre nicht nur aus Naturschutzgründen, sondern auch aus Umweltschutzgründen ein Gewinn“, fasst Michael Bauer zusammen.
BUND will Vermittler sein
„Der BUND auf der Höri sieht sich als Vermittler zwischen den Parteien“, sagt Bauer. Beim Dialogforum Energiewende und Naturschutz engagieren sich BUND und Nabu, um Konflikte zwischen den Beteiligten zu lösen und einen konstruktiven Dialog zu führen. Auch werden Fortbildungen für Naturschutzinteressierte angeboten. Dieses Projekt gibt es seit 2012 und es wird mit Landesmitteln unterstützt.
Auch beim Thema Windpark oder Solaranlagen gebe es viele Meinungen, aber zu wenig Wissen, sagt er. Dass sich die Windräder negativ auf den Tourismus auswirken könnten, halten beide Naturschützer für sehr unwahrscheinlich: „Ich habe noch nie von einem Ort gehört, der keine Besucher mehr wegen ein paar Windrädern bekommen hat“, sagt Karl Reichle. Bis die Windräder jedoch tatsächlich stehen könnten, wird es noch einige Jahre dauern, so lange braucht es für die Planung.