Es ist ein Projekt, das nicht bei jedem Höri-Bewohner Begeisterung auslöst: Auf dem Schienerberg hat das Land einen möglichen Standort für Windräder ausgewiesen – ausgerechnet zwischen Waldflächen und in einem Gebiet, in dem sich laut Landratsamt Konstanz Rot- und Schwarzmilan-Horste befinden. Die Greifvögel werden immer wieder als Grund angeführt, um Windkraftanlagen nicht zu bauen. Aber sind Milane wirklich so stark durch Windräder gefährdet?

Der Standort spielt eine Rolle

„Es kommt ganz stark vor allem auf den Standort an“, sagt Wolfgang Fiedler, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Möggingen. Dort, wo sich Zugrouten der Vögel befinden, „wo man vorhersehen kann, dass sich da Vogelzug konzentriert“, könnte es zu Problemen kommen, wenn Windkraftanlagen aufgestellt werden. Denn auch wenn der Rotmilan politisch oft instrumentalisiert werde, um etwa das Landschaftsbild zu schützen, gehöre er tatsächlich zu den Vogelarten, die recht häufig mit Windrädern kollidieren.

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Zum Verhängnis werden den Tieren dabei die Rotorblätter. Obwohl diese von Weitem aufgrund der großen Dimensionen oftmals ziemlich langsam aussehen, würden sie sich nämlich schnell bewegen, so der Wissenschaftler. „An einem normalen Windtag drehen sich die Spitzen mit deutlich über 100 Kilometern pro Stunde“, sagt er.

Wolfgang Fiedler, Wissenschaftler am Max Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Möggingen.
Wolfgang Fiedler, Wissenschaftler am Max Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Möggingen. | Bild: Marinovic, Laura

Das sei aber nur ein Problem. Das andere sei das Verhalten der Milane: „Die schauen einfach nicht nach vorne“, erklärt Wolfgang Fiedler. Stattdessen hätten sie den Blick auf den Boden, wo sich auch ihre Beutetiere befinden, gerichtet.

Deutschland hat eine Verantwortung

Zwar kommt der Milan in Deutschland aktuell häufig vor – „der Population geht es gut, sie hat sogar zugelegt“, sagt Fiedler. „Aber das Verbreitungsgebiet auf der Welt ist winzig.“ In Deutschland lebe der größte Bestand weltweit. „Und das heißt auch, wir haben die größte Verantwortung.“ Vor allem in Thüringen sowie im Südwesten, also auch in der Bodenseeregion, seien die Greifvögel zuhause. Und hier müssten sie daher auch geschützt werden.

Außerdem pflanze sich der Milan auch nicht sehr stark fort – er habe einmal im Jahr Nachwuchs, lege dabei „meistens ein Ei, manchmal zwei, maximal drei“, so Wolfgang Fiedler.

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Um also Milane schützen zu können, müsse untersucht werden, wo in der Region sie vermehrt unterwegs sind, also wo sie durch den Bau von Windkraftanlagen gefährdet werden würden. „Man muss schauen, wie sie sich konkret verhalten“, sagt der Wissenschaftler.

Noch steht kein Windrad auf der Höri, doch darüber wird aktuell diskutiert.
Noch steht kein Windrad auf der Höri, doch darüber wird aktuell diskutiert. | Bild: Felix Kästle/dpa

Werde rechtzeitig zum Frühjahr mit den Untersuchungen begonnen, würden sie auch nicht mehr als eine Saison in Anspruch nehmen, sagt Wolfgang Fiedler. Nur wenn der Zeitpunkt verpasst werde, komme es zu Verzögerungen. „Dann sind es zwei Jahre.“

Nachhaltiger Strom ist wichtig für die Umwelt

Trotz aller Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Windkraftanlagen gilt aber auch: Irgendwo muss der nachhaltig gewonnene Strom herkommen. Denn Kohle- und Ölkraftwerke haben ihre eigenen Nachteile für die Umwelt: „Alle Energiequellen, die den Klimawandel befeuern, sind problematisch“, sagt Wolfgang Fiedler.

Es sei zwar schwer zu sagen, wie konkret sich der Klimawandel auf den Milan auswirke, „aber irgendwann wird es zu heiß“, so der Wissenschaftler. Und andere Vogelarten, insbesondere solche, die im Norden leben und daher an kühlere Temperaturen gewohnt sind, treffe es hart. „Die verlieren ihren Lebensraum.“

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Wichtig sei, eine Balance zu finden. Allerdings betont Wolfgang Fiedler, dass es schließlich nicht nur am Rotmilan liege, wenn Windkraftanlagen nicht gebaut werden. Bevor derartige Anliegen geprüft werden, hätten andere Ausschlusskriterien, etwa der Abstand zu Siedlungen, häufig bereits dafür gesorgt, dass andere Gebiete für Anlagen nicht in Frage kamen.

Oder kann es doch Milan und Windrad geben?

Allerdings berichtet der Wissenschaftler, womöglich könne in Zukunft auch eine Co-Existenz von Windkraftanlagen und Milanen möglich sein – denn es gebe bereits Anlagen, die Windräder rechtzeitig abschalten, bevor ein Milan gegen die Rotorblätter prallt. „Die sind in der Entwicklung“, so Fiedler. „Und ich denke, das wäre letztendlich auch die Lösung.“