In Radolfzell tickt die Uhr: Nicht einmal mehr drei Wochen bleiben bis zur Schließung des Krankenhauses, am 30. Juni soll der Betrieb auf der Mettnau eingestellt werden. Fest steht das schon seit Anfang des Jahres – bislang waren aber noch viele Fragen rund um den Verbleib der Klinikmitarbeiter, des Inventars und die zukünftige medizinische Versorgung im Landkreis offen geblieben. Ein wenig Licht ins Dunkel brachte nun ein Pressetermin mit Verantwortlichen des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) – allerdings nicht in allen Belangen.

Wohin ziehen die medizinischen Abteilungen?

Während das Krankenhaus in Radolfzell geschlossen wird, sollen die medizinischen Angebote, die bislang auf der Mettnau gemacht wurden, nun an anderen GLKN-Standorten aufrechterhalten werden. „Die Leistungseinheiten verschwinden nicht“, versichert Geschäftsführer Bernd Sieber. Die Geriatrie ziehe so ans Klinikum in Konstanz um, die Innere Abteilung mit der Allgemeinen Inneren Medizin, der Diabetologie, dem Fußzentrum und der Überwachungsstation nach Singen und das ambulante Operieren zum Teil nach Engen, zum Teil nach Singen.

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Wie Thomas Hafner, Chefarzt der Anästhesiologischen Abteilung in Radolfzell, berichtet, fanden bislang jährlich etwa 2000 ambulante Operationen in Radolfzell statt und etwa 700 in Engen. Weil es nicht möglich sei, in den beiden Operationssälen in Engen zusätzlich auch all jene Eingriffe durchzuführen, die bislang in Radolfzell vorgenommen wurden, seien eben auch Operationen in Singen nötig. Dafür wird ein bislang ungenutzter Operationssaal für ambulante Operationen am Singener Klinikum reaktiviert, erklärt die dortige kaufmännische Direktorin, Rebecca Sellmann. Hauptsächlich sollen ambulante Operationen aber in Engen durchgeführt werden. „Wir hoffen, dass wir die Zahl dort mindestens verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen können“, sagt Thomas Hafner.

Werden in Radolfzell noch Patienten aufgenommen?

Um den Betrieb in der Klinik nach und nach herunterfahren und am 30. Juni schließen zu können, verhängt der GLKN Aufnahmestopps. Seit dem 12. Juni werden keine Patienten mehr in der geriatrischen Abteilung aufgenommen und ab dem 19. Juni auch keine Patienten mehr im elektiven Bereich der Inneren Medizin. Ab dem 23. Juni beendet der Bereich des ambulanten Operierens seinen Betrieb.

Bald wird die Tür des Krankenhauses hinter ihnen geschlossen (von links): Sigmar Hägele (Betriebsrat), Chefarzt Sebastian Jung, Christa ...
Bald wird die Tür des Krankenhauses hinter ihnen geschlossen (von links): Sigmar Hägele (Betriebsrat), Chefarzt Sebastian Jung, Christa Bartuschek (Betriebsrat), Rebecca Sellmann (kaufmännische Direktorin Hegau-Bodensee-Klinikum), Achim Gowin (Chefarzt für Altersmedizin), Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender Zeno Danner, Andreas Berkowitz (Bereichsleitung Pflege), Thomas Hafner (Chefarzt Anästhesiologie) und GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber. | Bild: Marinovic, Laura

Dennoch betont Bernd Sieber: „Wenn ein Notfall reinkommt, wird er natürlich auch noch behandelt“ – zumindest bis zum 30. Juni um 12 Uhr. Danach ist laut den Verantwortlichen mit dem Deutschen Roten Kreuz vereinbart, dass Notfallpatienten nicht mehr zum Radolfzeller Klinikum, sondern nach Singen und Konstanz gebracht wird. „Patienten, die am 30. Juni noch da sind, werden in Kooperation mit dem Rettungsdienst verlegt“, erklärt Rebecca Sellmann.

Werden alle Mitarbeiter übernommen?

Laut Bernd Sieber wurde jedem der 215 Mitarbeiter am Radolfzeller Krankenhaus mindestens ein Angebot gemacht, um sie künftig an einem anderen Standort des GLKN zu beschäftigen. Wie Rebecca Sellmann berichtet, entschlossen sich 90 Prozent dazu, das Angebot anzunehmen – das sei „eine hervorragende Quote“. Künftig werden nun zwölf Ärztinnen und Ärzte aus Radolfzell am Klinikum in Singen arbeiten und neun in Konstanz. Von den ursprünglich 80 Pflegekräften gehen 29 nach Konstanz und 43 nach Singen.

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Um möglichst viele Mitarbeiter zu halten, wurde laut den Verantwortlichen ein Sozialplan ausgearbeitet. Dieser sehe unter anderem Weiterbildungen bei neuen Aufgaben, die Übernahme bereits genehmigter Urlaube, Fortbildungen und Freizeitausgleiche sowie einen Ausgleich für Mehrstrecke und Mehrzeit bei der Anfahrt zum neuen Arbeitsplatz für drei Jahre vor.

Was passiert mit dem Inventar?

Nicht nur die Mitarbeiter aus dem Radolfzeller Klinikum sollen übernommen werden. Auch Inventar, also etwa medizinische Geräte, sollen an neue Standorte der verschiedenen Abteilungen umziehen. 450 Umzugskartons wurden laut Rebecca Sellmann für das Radolfzeller Krankenhaus bestellt, ab dem 19. Juni sollen nach und nach alle Räume ausgeräumt werden.

Zum Teil nutze man die Gelegenheit auch, um mit den Geräten aus Radolfzell das ein oder andere veraltete Anlage in Konstanz und Singen auszutauschen. Und wie Chefarzt Sebastian Jung berichtet, gebe es in Radolfzell auch Geräte, die es in der Inneren Medizin in Singen bislang noch nicht gebe – zum Beispiel im Bereich der Lungendiagnostik.

Möbel, die keine Verwendung mehr finden, sollen aber nicht automatisch im Müll landen. Laut Sellmann arbeite man mit Vereinen zusammen, die zum Beispiel Menschen in der Ukraine unterstützen, sowie der Caritas.

Gibt es in Singen und Konstanz überhaupt genügend Kapazitäten?

Mitarbeiter, Möbel, Geräte – damit sie alle Platz finden in Singen und Konstanz, müsse man dort „ein Stück zusammenrücken“, so GLKN-Geschäftsführer Sieber. Laut Thomas Beringer, kaufmännischer Direktor am Klinikum Konstanz, und Rebecca Sellmann, gibt es aber in den beiden Krankenhäusern freie Flächen, auf denen die umziehenden Abteilungen aus Radolfzell untergebracht werden können. Grund sei etwa, dass in der Vergangenheit durch Personalmangel Stationen geschlossen werden mussten.

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Allerdings muss auch intern ein bisschen hin- und hergerückt werden: „Wir müssen die einen oder anderen Umzüge in Singen machen, um Räumlichkeiten schaffen zu können“, so Sellmann. Und Bernd Sieber betont schon jetzt, dass man auf lange Sicht durchaus neue Kapazitäten brauche – darum solle ja auch ein neues Krankenhaus an einem neuen Standort gebaut werden.

Werden die Praxen in der Klinik weiter bestehen bleiben?

Die Gynäkologie-Praxis sowie die Hals-Nasen-Ohren-Praxis, die sich derzeit in den Räumlichkeiten des Klinikums zur Miete beim GLKN befinden, sollen laut Bernd Sieber auch nach der Schließung des Krankenhauses zumindest erstmal dort bleiben können. „Ob sie bleiben wollen, wissen wir noch nicht“, sagt er. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Markus Steinwaller erklärt allerdings, er und sein Kollege John Thiericke seien dazu aufgefordert worden, die Räume des Krankenhauses bis zum 31. Dezember 2024 zu räumen.

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Was wird aus dem Krankenhausgebäude?

Wofür könnte das Radolfzeller Krankenhausgebäude zukünftig genutzt werden? Zeno Danner hält sich diesbezüglich bedeckt. Er könne zum aktuellen Zeitpunkt noch nichts sagen, erklärt er. Gespräche mit den beteiligten Parteien laufen aber.

Kann nach der Schließung im Notfall schnell genug reagiert werden?

Auch nach der Schließung des Krankenhauses soll es in Radolfzell zumindest noch Helfer im Notfall geben: Anästhesiologie-Chefarzt Thomas weist darauf hin, dass es am DRK-Zentrum einen Notfallstandort mit einem Notarzt gibt, der im Ernstfall schnell von Radolfzell aus zur Hilfe eilen kann. „Diese notärztliche Versorgung besteht weiter.“

In einer ursprünglichen Version des Artikels hieß es lediglich, die Praxen im Krankenhausgebäude könnten dort auch nach der Schließung verbleiben, man habe ihnen nicht gekündigt. Nachdem HNO-Arzt Markus Steinwaller sich beim SÜDKURIER meldete, wurde seine Information ergänzt.