Herr Gröger, für all diese Projekte, die in den kommenden Jahren anstehen, braucht es Geld. Zum Beispiel aus der Gewerbesteuer. Und da hat Radolfzell trotz der schwierigen Wirtschaftslage noch Potenzial. Wie sieht es im Gewerbegebiet Blurado aus? Ist da irgendwann einmal mit Einnahmen zu rechnen?

Simon Gröger: Wir haben bis heute keinen Vertragsabschluss. Wir sind mit einigen Unternehmen im Gespräch und sind uns auch mit dem Gemeinderat einig, dass es so in diesem Projekt nicht weitergehen kann. Der Energieversorger will von seiner Vertragskonstellation nicht abweichen. Wir müssen also im Blurado radikaler denken. Wir werden uns von der Struktur, der Zuschnitte der Grundstücke und auch der Preisstruktur lösen müssen.

Bleibt es aber ein nachhaltiges Gewerbegebiet, so wie jetzt geplant?

Gröger: Im Hinblick auf den Markt wäre es ratsam, von diesem engen Konzept abzuweichen. Aus dem Vertrag mit dem kalten Nahwärmenetz kommen wir nicht raus. Bei den anderen Parametern hat, glaube ich, auch der Gemeinderat erkannt, dass diese nicht aufgehen. Das hat sicherlich auch mit der aktuellen allgemeinen Wirtschaftslage zu tun, das Gebiet ist nicht das, was Unternehmen gerade brauchen.

Ein großer Posten im Haushalt ist die Querfinanzierung des Spitalfonds geworden. Ohne Hilfe der Stadt konnte das Pflegeheim nicht fertig gebaut werden. Und jetzt stehen auch die Abrisskosten in Millionenhöhe für das alte Krankenhaus an. Wie sehen Sie die Lage beim Spitalfonds?

Gröger: Wir waren tatsächlich letztes Jahr in einer finanziell kritischen Lage und die Stadt hat hier ausgeholfen. Wir hatten sehr viele Krisentermine, ich habe das zur Chefsache gemacht – stets in enger und guter Abstimmung mit Frau Laule. Auch weiterhin habe ich mindestens einmal die Woche einen Termin zum Thema Spitalfonds und schaue genau, dass die Liquidität stimmt.

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Gibt es denn endlich eine Schlussrechnung für das Pflegeheim?

Gröger: Momentan treffen noch die letzten Rechnungen ein, wir sind auf der Zielgeraden. Stand heute gehe ich davon aus, dass die 28,5 Millionen reichen. Ich hoffe, das nicht revidieren zu müssen. Und dann haben wir in den städtischen Haushalt einen Sicherheitspuffer von bis zu 800.000 Euro reingenommen. Den werden wir aber in der Größe sicherlich nicht brauchen, sondern es wird sich am Ende vielleicht in einem Bereich von 200.000 Euro bewegen, welchen die Stadt noch dem Spitalfonds zuschießen muss. Kurze Antwort auf Ihre Frage: Ja, es hat die Stadt Geld gekostet. Es war eine gute und wichtige Investition in das Pflegeheim.

Auf der Baustelle: Das Sommerinterview mit dem SÜDKURIER hat OB Simon Gröger (Mitte) auf der Baustelle der Güttinger Gemeindescheine mit ...
Auf der Baustelle: Das Sommerinterview mit dem SÜDKURIER hat OB Simon Gröger (Mitte) auf der Baustelle der Güttinger Gemeindescheine mit Redakteurin Laura Marinovic (links) und Redaktionsleiterin Anna-Maria Schneider (rechts) geführt. | Bild: Jarausch, Gerald

Und der Abriss und die Neunutzung des ehemaligen Krankenhauses?

Gröger: Der Abbruch wird mit bis zu zwei Millionen vom Landkreis mitfinanziert. Ich gehe davon aus, dass wir in dem Projekt von städtischer Seite keine großen Investitionen tätigen werden. Und dann wird es eine Neubebauung des Grundstücks geben. Ein Baustein ist die medizinische Nutzung, denkbar sind zudem Wohnraum, Gewerberäume und eine Bildungseinrichtung. Diese Nutzungskomponenten hat der Gemeinderat so beschlossen.

Seitens der Stadt werden Kosten in die Projektentwicklung fließen, damit es ein Konzept gibt, welches für einen Investor ausgeschrieben werden soll. Es ist wichtig, dass wir hier in Erfahrung bringen, was die Radolfzeller Bürgerinnen und Bürger möchten. Mir ist es wichtig, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird. Dafür müssen Gemeinderat und Bevölkerung offen diskutieren, was man an dem Standort möchte oder nicht.

Sie setzen ganz schön viel auf Investoren in Radolfzell. Was ist, wenn keiner kommt?

Gröger: Dann läuft es wie bei der Ausschreibung zum Projekt Seebar: Wir müssen mit der neuen Situation umgehen. Im Fall der Seebar haben wir in die neuen öffentlichen Toiletten investiert. In die Seebar hat jemand anderes investiert. Ähnlich auch bei der Tennishalle, da hat es mehrere Anläufe gebraucht, einen passenden Investor zu finden. Aber wir haben einen zuverlässigen und etablierten Investor gefunden, der ein gutes Konzept hat. Es ist eine grundlegende Priorisierung, dass wir unser Geld in Pflichtaufgaben stecken und bei kostenintensiven Projekten, die die Stadt voranbringen, eher schauen, wie man fremdes Geld nutzen kann.

OB Simon Gröger erklärt Laura Marinovic die Lage der Spitalfonds.
OB Simon Gröger erklärt Laura Marinovic die Lage der Spitalfonds. | Bild: Jarausch, Gerald

Das wird auch bei der Bahnhofsentwicklung ein Thema sein. Großprojekte von 10, 20 oder noch mehr Millionen Euro kann der städtische Haushalt nicht leisten. Im Gemeinderat ist es wichtig zu diskutieren, welche realistischen Erwartungen man an einen Investor hat. Projekte, die der Stadt am Herzen liegen, können über das Modell Erbbaurecht in der städtischen Hand gehalten werden. Man muss nicht immer gleich verkaufen.

Gute Nachrichten sucht man aktuell in der Radolfzeller Innenstadt: Die ehemalige Unvergleichbar steht leer, das Zwirners hört auf, das Kaufhaus Kratt schließt nach 106 Jahren und auch die Sparkasse plant ihren Abschied aus dem Zentrum. Wie wollen Sie diese Entwicklung stoppen?

Gröger: Die Achse zwischen Seemaxx und See müssen wir verstärkt im Blick behalten, wichtige Elemente sind die Realisierung des medizinischen Versorgungszentrums auf dem Weltkloster-Areal und das Parkhaus am Bahnhof. Wir wissen um die Sorgen der Gastronomen nach der schwierigen Corona-Zeit, noch dazu kommen große Probleme wie Personalmangel und gestiegene Energiekosten. Wir haben momentan viel Wechsel in der Gastronomie, haben aber auch das Glück, etablierte Betriebe zu haben, die frei werdende Objekte übernehmen – beispielsweise in den Räumen des Zwirners. Für die Unvergleichbar haben wir mehrere Interessenten – hier müssen wir uns als Stadt die Frage stellen, ob wir in das Gebäude investieren sollten.

Die Innenstadt wird für uns die nächsten Jahre in Kombination mit dem Bahnhofsareal die größte Herausforderung sein. Wir werden versuchen müssen, durch frische Ideen und durch ein Denken außerhalb des Tellerrands die Innenstadt in den nächsten Jahren weiterzuentwickeln und weiterhin attraktiv zu halten. Die Nord-Süd-Achse vom Seemaxx bis zum See muss entwickelt werden. Die vielen Besucher des Seemaxx müssen auch in die Innenstadt kommen. Wir müssen die Stadt so gestalten, dass sich Menschen gerne darin aufhalten. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist für mich ganz klar, dass wir uns als Stadt Radolfzell zum Tourismus bekennen müssen. Tourismus ist für mich zentral und wichtig.

Der Hotelkreis schlägt ein Spaß- und Freizeitbad vor. Wie sehen Sie diesen Vorstoß?

Gröger:Ein Freizeitbad finde ich gut. Insbesondere an den regnerischen Tagen oder Wintermonaten kommt oft die Frage von Gästen, was man mit Kindern alles machen kann. Natürlich haben wir die Stadtbibliothek, das Lollipop, das Café Connect und das Stadtmuseum vor Ort, aber ein Bad wäre sicher eine schöne Sache. Hier müssen wir eine entsprechend große Fläche in Radolfzell definieren. Klar ist auch, es wird kein Kleinstbad, wo Kinder schwimmen lernen sollen, sondern ein richtiges Spaßbad. Da muss sich der Gemeinderat früh positionieren, ob er diesen Weg gehen möchte. Ich halte es für verfehlt, ein Projekt fünf Jahre zu diskutieren und es dann doch nicht zu realisieren.

Auf der Baustelle: Das Sommerinterview mit dem SÜDKURIER hat OB Simon Gröger (Mitte) auf der Baustelle der Güttinger Gemeindescheine mit ...
Auf der Baustelle: Das Sommerinterview mit dem SÜDKURIER hat OB Simon Gröger (Mitte) auf der Baustelle der Güttinger Gemeindescheine mit Redakteurin Laura Marinovic (links) und Redaktionsleiterin Anna-Maria Schneider (rechts) geführt. | Bild: Jarausch, Gerald

Vor einigen Jahren war Klimaschutz ein Thema mit höchster Priorität. Heute scheint sich das ein wenig verschoben zu haben. Was ist Ihnen persönlich aktuell wichtiger, Klimaschutz oder die Gewerbesteuer?

Gröger: Ich sehe diesen Trend auch in Radolfzell, dass aktuell mehr Themen wie Krieg, Inflation oder Angst vor Arbeitsplatzverlust dominieren und der Naturschutz in den Hintergrund gerät. Das ist sehr bedauerlich. Für mich persönlich haben Klimaschutzprojekte weiterhin eine hohe Relevanz. Der Klimaschutz ist die große Herausforderung der nächsten Generationen.

Seit meiner Amtszeit sind wir an vielen Stellen weitergekommen. Die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik haben wird erledigt, der Stadtbus wird elektrifiziert. Und im Vergleich zu 2022 haben wir die Energieerzeugung über PV-Anlagen fast vervierfacht. Die Frage wird sein, ob wir die Klimaneutralität 2035 erreichen. Aber die gesetzten Impulse, dass wir Klimaschutz und Nachhaltigkeit umsetzen und leben, werden in der Verwaltung sehr gut verarbeitet.

Sie stehen kurz vor der Halbzeit Ihrer Amtsperiode. Das heißt, wir müssen fragen: Wollen Sie noch mal antreten?

Gröger: Als Familie sind nicht nur nach Radolfzell gezogen, sondern wir haben uns hier niedergelassen. Wir haben hier Wurzeln geschlagen und wurden von den Radolfzellerinnen und Radolfzellern sehr herzlich aufgenommen. Wir haben sogar noch ein weiteres Kind bekommen und wir sehen auch unsere Zukunft in Radolfzell.

Auch als Oberbürgermeister?

Gröger: Das entscheiden einzig und allein die Bürgerinnen und Bürger. Ich würde mich freuen, meinen Teil beitragen zu können, dass sich diese wunderbare Stadt weiterentwickelt. Das heißt, ja, gerne möchte ich in vier Jahren noch einmal kandidieren.

Ist Ihre Tochter eigentlich Konstanzerin oder Singenerin?

Gröger: Sie ist Radolfzellerin.