Siegfried Nowatschin hat einen Schwan auf dem Dach, auf seinem Gästebett liegt ein Storch und in einer Truhe im Flur lagern zwei Frösche. Ein Tierfreund ist Nowatschin wohl, doch hat es bei ihm auch einen närrische Grund: Seit über 40 Jahren ist er der Storch der Radolfzeller Froschenzunft.
Ungefähr 1977 begann seine Zeit bei der Zunft. Storch wurde er, weil er groß sei und schlanke Beine habe, zumindest damals, scherzt seine Frau Karola. Als Storch ragt er immer heraus, wenn er mit seinem langen weißen Hals inmitten einer grünen Schar Frösche schreitet und an den Beinen eine rote Strumpfhose trägt.

Sir Henry zu Gast
Um sich in Storchen-Schale zu werfen, brauche es mehrere Menschen, berichtet Nowatschin. Zu zweit hieven sie den Storchenkörper über ihn. Steht nicht gerade ein Umzug oder ein großes Narrentreffen an, bleibe das Feder-Ungetüm zugedeckt auf dem Bett. Um im Schrank oder einer Truhe gelagert zu werden, sei es schlicht zu groß.
Die Konstruktion aus Draht, Stoff, Naturfedern, Leder und Kunststoff ist schwer. Gewogen habe er sie nie, aber es müssten deutlich über ein dutzend Kilogramm sein, sagt Siegfried Nowatschin. Ein eigens für das Häs angefertigter Überwurf, der mit Klettverschluss um den Körper herum geschlossen werden kann, schützt den Storch auf seinem Lager vor Staub und Licht.
Ruht er auf dem Bett, nennt das Ehepaar Nowatschin ihn liebevoll Sir Henry. Er zog bei ihnen ein und wird nicht anderswo gelagert, weil es die Logistik erleichtere. Der Transport mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sei aufgrund der Ausmaße des Storchen kaum möglich. Zu einem Umzug chauffiere er Sir Henry mit seinem Auto. Zuhause habe er ihn außerdem schon dort, wo er ihn reparieren könnte.
Optimierende Operationen
Denn das Kostüm lasse regelmäßig ein paar Federn. Neue und abgelöste befestige er mit Heißkleber. Über die Zeit hat Nowatschin das Kostüm perfektioniert: Er verstärkte das Gerippe und wo der Draht Kleidung aufschnitt oder auf die Haut drückte, kleidete er es mit Leder aus. Der Schnabel war mal aus Pappe. Inzwischen sei er aus Kunststoff. Seitdem klappert er auch. Für die Operationen lag der Storch auf dem heimischen Küchentisch, „und ich bin reingekrochen“, lacht Nowatschin.

Regnet es, hat der Storch Vogelgrippe
Das deutet bereits an: Pflegeleicht ist das Kostüm nicht. „Wollte man es reinigen, müsste man erst die Federn entfernen und hinterher wieder ankleben“. Vielmehr müsse er darauf achten, dass es nicht dreckig werde, sagt sein Träger. Regnet es „will ich nicht und kann ich nicht laufen“, sagt Nowatschin. Die Federn gingen dann kaputt.
Denn ganz in royaler Manier verweile der Schönwetter-Vogel dann in seinem Gemach. Komme es zu Nachfragen, wo denn der Storch sei, antwortet Nowatschin auch mal flapsig, der habe Vogelgrippe und müsse sich auskurieren. Derweil erlebt Nowatschin die Fasnacht als Frosch. Ist die Fasnet vorüber, verlässt der stolze Storch seine Bühne und Sir Henry kehrt zurück in sein Quartier im Gästezimmer der Nowatschins.