Wenn der Ex-Chef, der sich im wohlverdienten Ruhestand befindet, wieder bei seiner Ex-Arbeit vorbeischaut, kann das mehrere Gründe haben. Entweder er will nach dem Rechten sehen, weil er Bedenken hat, wie das ohne ihn überhaupt funktionieren soll. Oder er will seinen ehemaligen Kollegen die neu gewonnene Freizeit unter die Nase reiben.
Ex-Chef kommt als Patient nach Radolfzell
Die Kategorie, zu der der Besuch von Georg Becker, seit 31. Dezember 2022 nicht mehr Lokalchef in Radolfzell, zählt, muss erst neu erfunden werden. Er kam weder, um zu kontrollieren. Höchstens der Bestand an Berlinern wurde genaustens inspiziert.
Noch wollte er mit seiner Rentnerbräune angeben. Überhaupt war seine Gesichtsfarbe nicht zwingend das, was man unter gesund verstehen könnte. Was war also los? Nach einer kurzen Anamnese durch Assistenzarzt Mario Wössner die schockierende Diagnose: Der Ex-Chef, er kam als Patient in die SÜDKURIER-Notaufnahme.

Als Patient ohne Hoffnung – diese Worte standen auf seinem Sakko – schleppte er sich mit letzter Kraft zum medizinischen Team der Lokalredaktion. Nachdem es im Radolfzeller Krankenhaus keine Hilfe mehr für derart Fälle gibt, wird es wohl in Zukunft häufiger vorkommen, dass auf der Mettnau mehr gestorben als gerettet wird. Tot im Paradies sozusagen. Georg Becker, verkleidet als Mahnmal des Niedergangs der Krankenversorgung in der Stadt.
Chefarztbehandlung vom Feinsten
Doch so schnell lassen wir uns im SK-Krankenhaus Radolfzell nicht unterkriegen. Wir wollen keinen Patienten verlieren, schon gar nicht, wenn dieser uns so lieb und teuer ist wie unser ehemalige Kollege. Die neue Chefärztin persönlich muss da mit dem Stethoskop ran und schauen, wie schlecht es aussieht.
Und in der Tat: Der Herzschlag des Patienten klingt wie der Radolfzeller Narrenmarsch. Kann das gesund sein? Müssen wir operieren? Wir probieren es erst einmal medikamentös. 10 cl fermentierter Traubensaft, oral eingenommen, etwa einmal die Stunde, bis die erste Wirkung spürbar werden sollte.
Damit sollten wir ihn für die nächsten Tage stabilisieren können. Eine Überweisung ins Singener Krankenhaus scheint nicht notwendig zu sein. Dort wäre er vermutlich im Wartesaal der Notaufnahme verdurstet.