Die Radolfzeller Richterin Ulrike Steiner verurteilte einen 39-Jährigen wegen Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Zusätzlich muss er bis Ende November 60 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten.

Der Angeklagte, der mit einem Verteidiger gekommen war, gestand die Tat ohne Umschweife vor Gericht – dann gab er Einblick in eine schwierige Familiensituation, geprägt von der psychologischen Erkrankung seines Bruders. Der gelernte Metallbauer sei im Raum Radolfzell aufgewachsen und habe bereits während seiner Ausbildung mit seinem Bruder zusammen im Tiefbau gearbeitet. Nach der Ausbildung hätten die beiden Brüder im Jahr 2000 ein gemeinsames Tiefbauunternehmen gegründet.

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Der Betrieb sei zehn Jahre lang stetig gewachsen und hätte sich in der Region einen Namen gemacht. Im Jahr 2010 sei dann das erste Mal bekannt geworden, dass der Bruder des Angeklagten, der sich um die kaufmännischen Angelegenheiten der GbR kümmerte, psychisch erkrankte. Er holte Aufträge an Land, die wenig lukrativ für das Unternehmen gewesen seien und kaufte teure Maschinen und Autos. Es habe ein Aufenthalt in einer Klinik gefolgt.

Erkrankung kehrt zurück

Der 39-Jährige sei davon ausgegangen, dass sein Bruder die psychische Erkrankung durch die Therapie wieder in den Griff bekommen habe. „2018 ging es dann aber richtig los: Mein Bruder kaufte wieder Maschinen, die keiner bezahlen konnte, stellte neues Personal ein, obwohl wir schon kein Geld mehr hatten, und brachte weiter nur noch schlechte Aufträge rein“, erklärte der Angeklagte vor Gericht. Die Konten seien zu diesem Zeitpunkt bereits mit 60.000 Euro überzogen gewesen.

Als Folge habe die Bank diese gesperrt – auch das private Konto des 39-Jährigen. Der Versuch, seinen Bruder zu entmündigen, sei gescheitert und so habe der Angeklagte aus der Not heraus angefangen, Maschinen zu verkaufen: „Wenn du finanziell so in die Ecke getrieben wirst, versuchst du alles.“ Er gab vor Gericht selbst zu, dass er damals Insolvenz anmelden hätte sollen, „das wäre der einzig richtige Weg gewesen.“ Aus Angst, den Ruf zu verlieren sei ihm das zu der Zeit allerdings nicht in den Kopf gekommen.

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Auch in einem weiteren Unternehmen sei der Angeklagte gemeinsam mit seinem Bruder ein paar Monate Geschäftsführer gewesen, bis er dieses Unternehmen aus Angst, es könnte gleich ablaufen, verlassen habe. Aktuell lebe der 39-Jährige von dem Erbe seiner Großeltern und der Unterstützung seiner Mutter. Sein Verteidiger erklärt: „Trotzdem weiß er momentan nicht, wie er sich eine Wurst kaufen soll.“ Die Gesamtschulden seien in Millionen-Höhe.

Auch das Haus, in dem er wohnt, sei noch mit etwa 250.000 Euro belastet. Arbeiten sei wegen seiner ausgereizten Nerven aber nicht möglich: „Ich nehme Medikamente und kann nachts nicht schlafen. Letztens war ich drei Tage am Stück wach wegen der ganzen Geschichte.“

Seit etwa drei Monaten sei er in psychischer Behandlung. Erschwerend komme hinzu, dass er Unterhalt für seine fünfjährige Tochter zahle, da vor rund zwei Monaten seine Lebensgefährtin ausgezogen sei. Das Verhältnis zu seinem Bruder beschrieb der Angeklagte als schlecht: „Er sieht seine Fehler immer noch nicht ein und ist der Meinung, er hätte in der Vergangenheit alles richtig gemacht.“

Der Staatsanwalt merkte vor Gericht an, dass der Angeklagte seine Beweggründe überzeugend vorbrachte. Für den 39-Jährigen sprach, dass er sich bisher nichts zu Schulden kommen lassen hat und vor Gericht tiefe Reue zeigte. Gegen den Angeklagten sprach, dass der Schaden von 20.000 Euro hoch ist. Der Verteidiger betonte vor Gericht noch ein mal die besonderen Umstände, in denen sich sein Mandant zum Tatzeitpunkt befand.

Außerdem habe sich der 39-Jährige nicht selbst bereichert, sondern habe das Geld der Unterschlagung direkt in die Tilgung eines Teils der Schulden gesteckt. Eine Geldauflage sah aber selbst der Verteidiger als schwierig an, weil die Gesamtverschuldung des Angeklagten bereits sehr hoch war. Der Angeklagte hatte das letzte Wort, schloss sich aber nur schweigend mit einem Nicken an das Gehörte an.

Das Urteil

Vor dem Urteil sprach die Richterin erneut mit dem Angeklagten und riet ihm, trotz der aussichtslosen Lage nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Am Ende verurteilte sie ihn zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Er dürfe sich nun zwei Jahre nichts zu Schulden kommen lassen, ansonsten müsse er die Freiheitsstrafe absitzen. Zusätzlich muss der Angeklagte bis Ende November 60 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten.

„Für den Angeklagten sprach, dass die Tat bereits recht lange her ist und das Leasing-Unternehmen kein Interesse an einer ...
„Für den Angeklagten sprach, dass die Tat bereits recht lange her ist und das Leasing-Unternehmen kein Interesse an einer Strafverfolgung hat.“ Ulrike Steiner, Richterin. | Bild: Jarausch, Gerald

Das maximale Strafmaß für Unterschlagung hätte eine Freiheitsstrafe von mehreren Jahren vorgesehen, was bei der schweren Situation aber weder der Staatsanwalt, noch die Richterin für angemessen hielten. Auch die Bewährungsauflagen habe Richterin Steiner dem Angeklagten nicht auferlegt, um ihn zu quälen, sondern um ihm jemanden an die Hand zu reichen, mit dem er über die ganze Situation sprechen kann.