Die Jugend macht von ihrem Recht auf Protest Gebrauch, auch in der katholischen Kirche und ganz ausdrücklich die Ministranten der Seelsorgeeinheit St. Radolt in Radolfzell. Die Ministrantengemeischaften von St. Meinrad, Münster, St. Laurentius Markelfingen, St. Zeno Stahringen, St. Gallus Möggingen, St. Ulrich Güttingen, St. Georg Liggeringen und St. Nikolaus Böhringen wollen sich nicht damit abfinden, dass die Glaubenskongregation als eine der Zentralbehörde der römisch-katholischen Kirche im Vatikan den katholischen Priestern die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare verbietet. In einer Stellungnahme schreiben die Ministranten: „Die ablehnende Haltung der Glaubenskongregation zur Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare löst in uns Unverständnis, Ärger und Betroffenheit aus.“
Als sichtbares Zeichen ihres Protests haben die Ministranten am Turm von St. Meinrad die Regenbogen- oder Friedensfahne angebracht. Sie gilt laut Internet-Lexikon Wikipedia „als Zeichen der Toleranz und Akzeptanz, der Vielfalt von Lebensformen, der Hoffnung und der Sehnsucht“. So sehen es auch die Ministranten der Radolfzeller Pfarreien: „Mit unserer Aktion Regenbogenfahnen möchten wir ein Zeichen setzen dafür, wie die Einzigartigkeit eines jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung, unsere Gesellschaft und auch die Kirche, trotz der ablehnenden Haltung der Glaubenskongregation in Rom zur Segnung homosexueller Partnerschaften, mit Lebendigkeit und Vielfalt bereichert.“
Etwa 150 Ministranten in Radolfzell
Solch ein Satz ist nicht eben zwischen zwei Messen aufgeschrieben. Jonas Teige (24), Oberministrant in St. Meinrad, ist in dieser Sache von der Radolfzeller Ministrantengemeinschaft auserkoren worden, „das Thema zu managen“, wie er selbst sagt. Die Entscheidung aus Rom kurz vor Ostern habe zu vielen Diskussionen unter den Ministranten geführt. Das sind nicht wenige in Radolfzell, insgesamt sind es rund 150, die größten Gruppe mit etwa je 50 stellen die Pfarreien Münster und St. Meinrad. Auch die Zahl der Ministrantinnen und Ministranten sei ziemlich gleich aufgeteilt, „das hält sich in etwa die Waage“, sagt Jonas Teige.
Allerdings ist das Verständnis von Kirche für die Ministranten nach dem Erlass aus dem Vatikan in Schieflage geraten. „Wir waren uns von Anfang einig, dass wir diese Aussage aus Rom so nicht stehen lassen können“, berichtet Teige von den Gesprächen unter den Ministranten. Es gebe unter den Messdienern Verständnis und Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Der Oberministrant sagt: „Wir gehen davon aus, dass unsere Kirche bunt ist und jeden akzeptiert.“ Teige zitiert in diesem Zusammenhang Pfarrer Armin Nagel aus Litzelstetten, der in seiner Predigt gesagt habe, dass die Kirche aufhören müsse, in die Schlafzimmer der Menschen zu schauen: „Das trifft es ziemlich auf den Punkt.“
Positive Reaktionen auf die Regenbogenfahne
Aus dieser Predigt und aus anderen Reaktionen schöpft Jonas Teige den Mut, „dass Rom eben nicht alles vorgeben kann und man an der Basis einen Wandel der Kirche weiterhin ermöglicht.“ 99 Prozent der Reaktionen auf das Hissen der Regenbogenfahne am Kirchturm von St. Meinrad seien positiv gewesen, „nur ein Prozent fand das nicht so gut.“
Text der Ministranten
Aus der Stellungnahme der Radolfzeller Ministranten: „In unseren Gemeinschaften der Ministranten wollen wir dafür Sorge tragen, dass jeder Mensch seinen Platz bei uns und in der Kirche finden kann. Wir bitten darum, Menschen, die um den Segen für ihre Liebe bitten, nicht abzuweisen. Inzwischen gibt es wichtige Erkenntnisse der humanwissenschaftlichen Forschung, die eine andere Sicht auf die sexuelle Orientierung von uns Menschen fordern. Darum können wir die Stellungnahme der Glaubenskongregation mit ihrer sich widersprechenden Argumentationsweise nicht akzeptieren und hoffen auf weiterführende Gespräche.“