So eine Situation kennt eigentlich jeder, der eine neue Stadt besucht: Man steht vor einem markanten historischen Gebäude und würde gerne mehr über die Ereignisse erfahren, die an dieser Stelle einmal stattgefunden haben. Und spätestens, wenn man mit der eigenen Internetrecherche am Mobiltelefon mehrere Minuten verbracht hat, verlässt einen die Lust weiterzuforschen.
Dank eines Pilotprojektes, das von ehemaligen Studenten der HTWG Konstanz jetzt gestartet wurde, kommt die Stadt Radolfzell als bisher Erste in den Genuss einer App, die genau solche Informationen auf Knopfdruck liefern soll. Die Applikation mit dem sinnigen Namen „zeigmal“ ist nicht nur in der Lage, Informationen über bestimmte Gebäude und Begebenheiten an den jeweiligen Orten aufzuweisen, sondern kann einen Besucher sogar virtuell auf einen kleinen Rundgang durch die Stadt begleiten.
Einblick in die Vergangenheit
Wie funktioniert das Ganze? Immer dann, wenn man an einem interessanten Ort angekommen ist, meldet sich das Handy laut den Verantwortlichen eigenständig mit einem Ton, um darauf hinzuweisen, dass es hier wieder etwas zu erfahren gibt. Technisches Highlight der App ist eine Funktion mit Augmented Reality (deutsch: erweiterte Realität).

Dabei richtet man die Kamera des eigenen Handys auf zum Beispiel eine Häuserzeile in der Innenstadt und bekommt gleichzeitig ein historisches Foto von genau diesem Ort in das heutige Foto eingepasst angezeigt. Auf diese Weise kann man die neue Umgebung intuitiv und visuell erkunden und sieht dabei, wie es hier vor vielen Jahren einmal ausgesehen hat.
Bilder von Stadtarchiv, Förderverein und Fotoclub
Die Funktion soll nicht nur für auswärtige Besucher interessant sein, sondern kann auch alteingesessenen Bürgern ihre Heimat noch einmal etwas näher bringen. Die implementierten Informationen von bisher 30 verschiedenen Orten in der Stadt, die „zeigmal“ seinen Nutzern an die Hand gibt, stammen aus bereits vorhandenen Veröffentlichungen, die die Tourismus- und Stadtmarketing GmbH schon nutzt und aus alten Fotografien, die im Fundus des Stadtarchivs zur Verfügung stehen, wie nun bei einer Vorstellung des Projekts erläutert wurde. Weiteres Material steuerten der Förderverein für Museum und Stadtgeschichte Radolfzell und der Fotoclub Radolfzell bei.
Ausgetüftelt wurde die App von vier Entwicklern. Sie soll die ganze Region miteinander verbinden. „Während große Städte ähnliche Apps für sich bereits nutzen, gibt es so etwas für kleinere Städte oder gar Regionen bisher nicht“, erklärte Till Reitlinger bei der Präsentation der Applikation betonte. Mit „zeigmal“ bestehe nun die Möglichkeit, dass verschiedene kleinere Städte die gleiche Technik nutzen können und die Nutzer nur eine App benötigen, um verschiedene Städte digital unterstützt zu erkunden.
Radolfzell ist die „perfekte Stadt“
Weil die teilnehmenden Städte die Optik an ihr Design anpassen können, sehe die App dann in ihrem Erscheinungsbild ganz individuell aus. Ein weiterer Hintergedanke: Durch diesen Plattformgedanken fallen die Kosten am Ende niedriger für alle aus.
Radolfzell bot sich aus Sicht der Entwickler ideal als Pilotprojekt an, wie sie erklären: „Radolfzell ist die perfekte Stadt, so eine App einzuführen. Sie ist schön, in der richtigen Größe und hat viele historische Orte“, befand Till Reitlinger. Nun soll vor allem jüngeren Menschen eine moderne Möglichkeit an die Hand gegeben werden, sich über die Geschichte, die vor Ort stattgefunden hat, zu informieren. Gleichzeitig können damit Durchreisende oder Menschen mit kurzer Aufenthaltsdauer schnell viel über Radolfzell erfahren.
Was bietet die App noch?
Dazu stehen ihnen zudem noch ein sogenannter „Häppchen-Modus“ mit sehr kurz gehaltenen Informationen und ein podcastähnlicher Dialog zur Verfügung, in dem sich die zwei einheimischen Stadtführer Heike Böhm und Marius Beck über bestimmte Ereignisse austauschen. Ein weiterer Vorteil der App soll sein, dass man sie bereits vor dem eigentlichen Besuch der Stadt nutzen kann – zumindest ohne die Augmented Reality-Inhalte.
Um die Nutzung niederschwellig zu halten, hat man zudem auf eine Anmeldung oder die Eröffnung eines Accounts verzichtet. Für TSR-Geschäftsführerin Regina Brüsewitz ist die Einführung ein kleines Experiment, „auf das wir uns gerne einlassen“, wie sie sagte. Bis zum Sommer sollen dann auch möglichst alle kleinen Fehler, die in so einer Anfangsphase auftreten können, beseitigt sein.