Steigen die Kita-Gebühren in Radolfzell weiter an? Und wenn ja, wie sehr? Direkt in seiner ersten Sitzung am Dienstag, 24. September, wird sich der neue Gemeinderat vermutlich mit diesen Fragen beschäftigen. Denn nachdem das Thema im Juli vertagt worden war, kündigte die Stadtverwaltung an, es direkt nach der Sommerpause angehen zu wollen.
Noch ist offen, in welche Richtung es gehen wird. Denn während der Beschlussvorschlag der Stadt eine pauschale und deutliche Erhöhung der Gebühren vorsieht, hat die FGL einen alternativen, ihrer Meinung nach gerechteren Vorschlag als Antrag für die Sitzung gestellt für einkommensabhängige Gebühren. Manche Kinder würden dann sogar kostenlos betreut.
Zuletzt beschloss der Gemeinderat im Jahr 2021 eine Erhöhung der Gebühren. Sie sollten für drei Jahre bis 2023/24 um 10 Prozent pro Jahr ansteigen, sodass die Elternbeiträge die vom Gemeinderat festgelegte Deckungsquote von 13 Prozent der Betriebskosten decken. Eine zusätzlich von der Landesregierung empfohlene Gebührenerhöhung um 8,5 Prozent zum Kita-Jahr 2023/24 lehnte der Gemeinderat in der Vergangenheit ab. Die aktuellen Gebühren für 2023/2024 liegen laut Stadt daher deutlich unter der Empfehlung.
So hoch sind die aktuellen Gebühren und Kosten
So kostet das erste Kind pro Familie bei den über Dreijährigen mit 30 Stunden Betreuungszeit aktuell 127 Euro monatlich, empfohlen sind 151 Euro. Das zweite Kind kostet aktuell 100 Euro monatlich an Gebühren, empfohlen sind 117 Euro. Beim dritten Kind liegen die Gebühren bei 66 Euro anstatt der empfohlenen 79 Euro.

Beim Betreuungsbedarf mit verlängerten Öffnungszeiten (VÖ) sieht es ähnlich aus. Hier zahlt man für das erste Kind aktuell 152 Euro anstatt der empfohlenen 189 Euro. Beim zweiten Kind sind es 121 Euro anstatt 146 Euro. Und das erste Kind unter drei Jahren kostet momentan 343 Euro, empfohlen wären 445 Euro. Beim zweiten Kind sind es 267 Euro anstatt 331 Euro.
Die Deckungsquote liege deshalb bei gerade einmal 9 Prozent anstatt der anvisierten 13 Prozent. Zudem steigen die Betriebskosten der Kindergärten seither enorm an, wie aus der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung zur Sitzung am 9. Juli zu entnehmen ist. So betrugen die Aufwendungen im Jahr 2021 noch 16,3 Millionen Euro, 2022 schon 16,8 Millionen Euro. Für das Jahr 2023 war mit 19 Millionen Euro geplant worden, für 2024 schon mit über 21 Millionen Euro.
Was schlägt die Stadtverwaltung vor?
Nun will die Stadtverwaltung deutlich nachsteuern, ab dem 1. Januar 2025 sollen neue Gebühren in Kraft treten. Diese sehen für Kinder über drei Jahren eine Gebührenerhöhung um 12 Prozent im ersten Jahr und um 10,5 Prozent im zweiten Jahr vor. Für Kinder unter drei Jahren ist die Erhöhung jeweils noch um einen Prozentpunkt stärker. Die Erhöhung gilt laut Beschlussvorschlag über den Zeitraum von drei Jahren bis 2027, soll im Jahr 2026 aber evaluiert und gegebenenfalls für 2027 nachjustiert werden.
Ziel der Stadt ist laut Sitzungsvorlage, den vom Gemeinderat beschlossenen Deckungsgrad der Elternbeiträge an den Betriebskosten von 13 Prozent zu erreichen. Dadurch soll die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt gesichert werden, um weiterhin den Kita-Ausbau finanzieren zu können und deren Qualität zu erhalten.
FGL kritisiert Vorschlag der Stadt
Die FGL findet diese Erhöhung jedoch sozial ungerecht und hat daher einen eigenen Antrag für die Gemeinderatssitzung am 24. September eingereicht. Die „immens gestiegene finanzielle Belastung“ von Familien finde in der Kalkulation keinerlei Berücksichtigung, beklagt die Fraktion. Die Erhöhung sei daher „nicht verantwortbar“, es gebe „keine ausreichende familien- und sozialverträgliche Komponente“, heißt es in dem Antrag.
„Wir verweigern uns nicht vor einer Gebührenerhöhung, aber sie muss sozial gerecht sein“, stellt der FGL-Fraktionsvorsitzende Siegfried Lehmann auf SÜDKURIER-Nachfrage klar. Der durch die Erhöhung generierte Deckungsbeitrag von etwa 100.000 Euro sei laut Lehmann für die Stadt kein großer Betrag, die Erhöhung um bis zu 40 Euro pro Monat für Familien aber viel Geld.
Warum sind andere Städte günstiger?
Zudem habe Radolfzell im kreisweiten Vergleich bereits jetzt die höchsten Gebühren, gleichzeitig aber die geringste Deckungsquote – und plane nun auch noch die stärkste Erhöhung. So zeigt die FGL anhand einer Vergleichsrechnung für das Jahr 2023/2024 den Unterschied auf. Das Beispiel gilt für das erste Kind über drei Jahren und die Betreuung mit verlängerten Öffnungszeiten.
In Radolfzell kostet dies beispielsweise bei 30 Stunden Betreuungszeit 152 Euro monatlich, in Konstanz nur 69 Euro, in Singen 153 Euro und in Stockach 167 Euro. Bei 35 Stunden seien es 178 Euro in Radolfzell, 83 Euro in Konstanz, 175 Euro in Singen und 196 Euro in Stockach. Und ein Kind über drei Jahren koste in Radolfzell im Durchschnitt 188,67 Euro, in Konstanz hingegen nur 108,33 Euro, in Singen 176,67 Euro und in Stockach 181,50 Euro.
Konstanz erreiche mit niedrigeren Gebühren als Radolfzell ebenfalls einen Deckungsgrad von 9 Prozent, in Singen liege er sogar bei 13 Prozent und in Stockach bei 15 Prozent. „Wir waren total überrascht, als wir gehört haben, dass der Deckungsgrad trotz der vergangenen Gebührenerhöhungen auf 9 Prozent abgesackt ist“, sagt Lehmann. Er wundere sich vor allem, warum die Betriebskosten höher seien als in umliegenden Städten. „Diese Deckungsquote ist eine Wundertüte. Die Stadt muss die Zusammensetzung der Betriebskosten transparent machen“, fordert er.
Was schlägt die FGL stattdessen vor?
Die FGL schlägt daher Kita-Gebühren vor, deren Höhe nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt ist – wie in Konstanz seit dem 1. Januar 2024. Wer mehr verdient, zahlt auch mehr. Ab dem dritten Kind soll die Kita sogar kostenlos sein – ebenfalls wie in Konstanz, wo es allerdings auch Kritik an der Satzung gibt.
Eine entsprechende Satzung solle die Stadt gemeinsam mit dem Gesamtelternbeirat bis Februar erarbeiten und dann zur Abstimmung stellen, sodass die neue Satzung ab 1. September 2025 gelten könnte, schreibt die FGL. Im Zweifel könne er sich auch einen Kompromiss vorstellen: In 2024/25 könnten die Gebühren noch einmal pauschal um 10 Prozent steigen, um in dieser Zeit ein vom Einkommen abhängendes Modell erarbeiten.
Der neue Gemeinderat wird sich nun mit den beiden Vorschlägen von Stadt und FGL auseinandersetzen – vermutlich bereits in der Sitzung am 24. September, wie von der Verwaltung vor der Sommerpause angekündigt.