In Böhringen und dem benachbarten Aachried waren dieser Tage ungewöhnlich viele Störche zu sehen. Rund 60 Weißstörche, die sich normalerweise zu dieser Jahreszeit längst in südlichen Gefilden eingefunden hätten, sorgten für einen Anblick, den man in der Regel nur von Ende Juli bis Ende September erhält. Danach machen sich nämlich zuerst die Jungtiere und später auch die Alttiere auf den Weg in den Süden. Dabei kreisen sie gemeinsam in der Höhe und nutzen die Thermik dazu, um noch mehr Höhe zu gewinnen. All das war jetzt wieder zu sehen.

Laut Storchenvater Wolfgang Schäfle, der seit 1983 Störche in Böhringen über die Wintermonate füttert und so dafür gesorgt hat, dass die Tiere in der Region wieder heimisch werden, handelt es sich bei den aktuell auftauchenden Störchen um Tiere, die den Zug nach Süden nicht angetreten haben. Offenbar haben sie es nicht für nötig gehalten, wärmere Regionen in Südeuropa oder gar Nordafrika aufzusuchen.

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Böhringen ist bei Störchen beliebt

Weil der 83-Jährige die Nummern an den Beringungen der Störche noch nicht überprüft hat, kann er auch nicht sagen, woher sie stammen. Er vermutet jedoch, dass sie aus verschiedenen Regionen zusammengekommen sind – teils aus Oberschwaben, aber vermutlich auch aus der gesamten Region.

Das bestätigt auch Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung in Möggingen. „Böhringen ist bei den Störchen bekannt“, sagt er. Weil Wolfgang Schäfle mehr als drei Jahrzehnte lang Störche in den Wintermonaten gefüttert habe, sei der Ort bei den Tieren als mögliche Futterquelle in der kalten Jahreszeit beliebt. Allerdings habe er das Zufüttern seit drei Jahren mehr oder weniger eingestellt, weil er dies nicht mehr unbegrenzt lange aufrecht erhalten könne. Auf diese Weise sollen die Störche allmählich entwöhnt werden.

Ungewöhnliches Bild im Winter: Störche versammeln sich in Böhringen.
Ungewöhnliches Bild im Winter: Störche versammeln sich in Böhringen. | Bild: Jarausch, Gerald

Was Störche eigentlich fressen

Eine Ausnahme hat der Storchenvater im vergangenen Winter gemacht, als relativ viel Schnee gelegen hat. In so einem Fall haben die Vögel ernsthafte Probleme, noch Futter zu finden. Auf dem Speiseplan der reinen Fleischfresser stehen Würmer, Insekten und andere Kleintiere wie Mäuse. Frösche fressen die Störche entgegen der landläufigen Meinung eher selten, wie Wolfgang Schäfle erklärt.

Eines indes ist sicher – die jetzt vor Ort gesehenen Störche werden nicht mehr in wärmere Gebiete abwandern, um den Winter zu überstehen. Laut Schäfle halten die Vögel Temperaturen bis zu minus 25 Grad aus. Eine geschlossene Schneedecke sei für sie gefährlicher, weil sie dann kein Futter finden könnten. Aber solche Winter seien in unseren Breitengraden mittlerweile selten geworden, weshalb sich viele Störche die gefährliche Reise nach Spanien oder Nordafrika ersparen würden.

Tagesausflüge zur Futtersuche sind möglich

Allenfalls flögen sie mal kurzerhand in die Burgund-Region, um sich dort satt zu fressen. Die Distanz können sie laut dem Ornithologen Wolfgang Fiedler an einem Tag überwinden. „Und am nächsten Tag können sie wieder zurückfliegen. Das schaffen sie“, sagt er. Zudem blieben vor allem die älteren Paare gerne in der Nähe ihres Nests, so Fiedler. Dann können sie bereits in Januar damit beginnen, Nachwuchs zu schaffen. „Störche haben eine immens hohe Bindung“, erklärt Fiedler. Das kann Storchenvater Wolfgang Schäfle nur bestätigen.

Eine weitere Ausnahme von Störchen, die Schäfle ebenfalls im Winter füttert, ist ein Seniorenpärchen, wie er es nennt. Dabei handelt es sich um ein 36 Jahre altes Weibchen und ein 29-jähriges Männchen. Die beiden hätten offenbar keinen Drang mehr in den Süden zu fliegen und verbringen ihren Lebensabend lieber bei ihrem Storchenvater in Böhringen. Futter gebe es garantiert.

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