Die Corona-Pandemie hat das Leben vieler Menschen überschattet – und es in einem Ausmaß verändert, wie es sich niemand Anfang des Jahres hätte vorstellen können. Kurt Brunelli, Paketzusteller bei DHL, und Mahmet Tolga Erol, Paketzusteller bei Hermes, schildern im achten Teil unserer Serie, wie sie das Jahr unter Corona-Bedingungen erlebt haben, was sie betroffen machte und was ihnen an 2020 trotzdem gefällt.
Das Jahr unter Corona
Weite Teile des öffentlichen Lebens stehen in diesen Wochen zum zweiten Mal still. Für Kurt Brunelli hat sich auf den ersten Blick kaum etwas geändert. Seit 12 Jahren arbeitet er als Paketzusteller in der Radolfzeller Innenstadt, zuvor war er Briefträger und Betriebsleiter im Innendienst. Da ist vieles zur Routine geworden. Und doch sagt Brunelli: „Eigentlich ist Weihnachten die kräftezehrendste Zeit des Jahres. Aber seit Corona ist die Arbeit auch unter dem Jahr anstrengender geworden.“
Die Sendungszahlen seien explodiert, weil deutlich mehr online bestellt werde. Fragt man ihn am Telefon nach den Bestellungen der Leute, hört man ein Schmunzeln durch die Leitung. „Das ist total verrückt. Meine Kunden lassen sich so ziemlich alles liefern.“ In letzter Zeit vor allem Artikel aus dem Sortiment großer Drogerie- und Supermarktketten. Und immer wieder Elektrogeräte.
Ohne Aushilfe geht es nicht
Weil es teilweise so viel Ware sei, dass Brunelli das gar nicht alles schaffen könnte, greift ihm manchmal eine Aushilfe unter die Arme. An anderen Tagen mache er Überstunden. Und ist froh, nur Paketzusteller zu sein. „Die Briefträger haben es mit dem dualen Arbeiten viel schwieriger. Pakete und Briefe gleichzeitig zu verteilen.“
Das „krasseste Umstellung“, wie Kurt Brunelli es nennt, war die coronabedingte Umstellung auf ein zwei Schichtensystem. Damit sich die Paket- und Briefzusteller am zentralen Lager möglichst wenig über den Weg laufen, fange ein Teil um 8 Uhr, der andere um 11 Uhr an die Autos zu beladen. „Und das ist für einen Paketzusteller schon ein komisches Gefühl, wenn man seine Zustelltour erst mittags beginnt und nicht vor 18 oder 19 Uhr fertig ist.“
Auch für Mahmet Erol war das Jahr ein hartes. Erst verlor er seinen Job, fasste bei Hermes in Radolfzell gerade wieder Fuß – da kam Corona. „Es war schon nicht einfach, sich sofort an die Hygienemaßnahmen zu gewöhnen“, sagt der 31-Jährige. Auch die fehlende Anerkennung seiner Kunden machte ihm zu schaffen. „Manche haben am Anfang auf die kontaktlose Zustellung mit Unverständnis reagiert und wollten nicht auf dem Label unterschreiben.“
Was besonders herausfordernd ist
Kurt Brunelli redet schneller, als müssten seine Worte mithalten mit dem Tempo, in dem er eigentlich arbeiten müsste. „Ich glaube, Corona zieht sich noch eine Weile. Und damit bleibt viel Arbeit bei uns. Den Gedanken, dass es mal ruhiger wird, schiebe ich ganz weit weg.“ Gerade im Januar, wenn viele zuhause seien, wenn weiterhin online bestellt würde – und die zusätzlichen Weihnachtsverstärker, die DHL einsetzt, wegfallen – rechnet Brunelli mit einer stressigen Zeit.
Zumindest eine feste Aushilfe, ein Springer, wird ihm dann noch bleiben. Mahmet Erol geht es um ganz praktische Dinge. Um mehr Verständnis im Straßenverkehr. Und Parkmöglichkeiten, die nicht immer gegeben seien. Besonders jetzt, wo die Anwohner seltener weg seien.
Was vermissen die Paketzusteller am meisten?
Das alte Leben, sagt Erol. „Ich vermisse meine Freunde, meine Familie. Sogar das Feiern.“ Auch Kurt Brunelli vermisst seine Freunde und Stammkunden. So sei es für ihn immer noch „komisch“ die Pakete völlig kontaktlos zuzustellen.
Früher habe er alles aus der Hand gegeben, die Sendungen und den Handscanner etwa – und öfter als man vermutet, sei Brunelli noch auf einen Kaffee eingeladen worden. „In der Innenstadt sind ja die Geschäfte. Und ich mache das auch schon so lange, da ist man jedem per Du. Kommt kurz ins Schwätzen, trinkt einen Kaffee – und dann wird weitergearbeitet.“
Sogar die Kinder aus den umliegenden Kindergärten hätten immer schon von Weitem gerufen: „Der Kurt kommt.“ Und hatte Brunelli mal ein Paket für die Kita dabei, hätte er den Kleinen eine Freude machen können. „Ich bin eigentlich nicht der Typ, der ein Paket einfach vor die Tür stellt und verschwindet.“ Doch genau das müsse er – seit Corona.
Und nicht nur Brunelli vermisst die Geselligkeit. Auch seine Kundschaft tut es. Früher, wenn er mal einen Tag frei gehabt habe, hörte er danach, wie sehr er die Kunden verwöhnen würde. weil andere Zusteller ganz anders arbeiteten. Seit Corona hört Kurt Brunelli das immer öfter. „Da wird einem schon warm ums Herz.“
Was war an 2020 gut und was machte Mut?
„Wie meine Kinder mit der Pandemie umgehen“, sagt Mahmet Erol. Dass seine Liebsten die Einschränkungen so gut wegsteckten, gebe ihm Kraft. Kurt Brunelli geht es ähnlich. Er sagt: „Die Familie fängt einen auf.“ Und: „Sie gönnen mir ein schönes Zuhause.“
Und natürlich machten auch die kleinen Rituale Mut. „Meine Frau macht mir jeden morgen Frühstück. Und steckt mir ganz viel Vitamine ein.“ Eine schöne Geste, wie er findet.