Schon lange haben sich Tattoos aus vom Rand in die Mitte der Gesellschaft gekämpft. Wo sie früher noch verpönt waren, gehören sie heute bei vielen zum Alltag. Doch Anfang des vergangenen Jahres musste die Tattoo-Industrie einen herben Schlag hinnehmen. Mit der sogenannten Reach-Verordnung wurde die Mehrheit der Farben verboten, da sie gewisse Pigmente beinhalten können, die schädlich für den menschlichen Körper sind.

Die Branche hat reagiert: Mittlerweile sind reach-konforme Farben auf dem Markt. Doch wie geht es den lokalen Tattoo-Studios nach über einem Jahr unter den veränderten Bedingungen?

Lieferschwierigkeiten durch große Nachfrage

Philipp Laicher, Inhaber des Empire-Ink-Tattoo-Studio in Radolfzell erzählt, dass es anfangs immense Lieferschwierigkeiten für reach-konforme Farben gab. Der Grund: Eine große Anfrage der Studios und ein fehlendes, beziehungsweise limitiertes Angebot an Farben.
Dem stimmt auch Tammo Fleischhauer vom Nachtschatten-Studio zu. Anfangs habe es nur ein reach-konformes Schwarz gegeben, das dementsprechend jeder ergattern wollte.

Doch nicht nur die Lieferschwierigkeiten stellten ein Problem dar. Zusätzlich sei es den Studios nicht erlaubt gewesen, Restbestände zu verwerten. Diese mussten entsorgt werden. Wer sich nicht daran hielt und mit der Farbe weiter stach, habe mit Geld- und Freiheitsstrafen zu rechnen gehabt.

Das sei nicht nur bei den Studios, sondern auch bei Kunden auf Unverständnis gestoßen. Fleischhauer berichtet, dass das Studio viele Stammkunden habe, die mit der alten Farbe völlig zufrieden gewesen seien, da sie mit diesen jahrelang positive Erfahrungen gemacht hätten.

Philipp Laicher erklärt in seinem Studio in der Teggingerstraße, dass es die alte Farbe außerhalb von Europa immer noch zu kaufen gibt- ...
Philipp Laicher erklärt in seinem Studio in der Teggingerstraße, dass es die alte Farbe außerhalb von Europa immer noch zu kaufen gibt- bei Verwendung jedoch mit Risiko auf Geld- und Haftstrafen. | Bild: Sara Gräber

Auf der Suche nach der geeigneten Farbe

Vor allem die Anfangszeit nach der Verordnung sei schwierig gewesen. So erklärt Tammo Fleischhauer, dass die Tattoo-Künstler zu Beginn verschiedenste Farben ausprobieren mussten, um herauszufinden, welche den Standards entsprechen. Seit Januar diesen Jahres seien zudem die Pigmente Blau:15 und Grün:7 verboten. Farben, die für das Mischen anderer Töne sehr wichtig seien.

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Das Nachtschatten-Studio tätowiert laut Fleischhauer größtenteils mit schwarzer Farbe – für sie ein Glück, denn so bleibe es ihnen erspart, permanent Farbenmischungen ausprobieren zu müssen, um die Richtige zu finden. Im angebotenen Sortiment hätten sie bereits ein Schwarz gefunden, mit dem sie sehr zufrieden seien.

Der Prozess sei jedoch ein langer gewesen. Der Tätowierer erzählt, dass mit neuen Farben gestochene, bunte Tattoos nach der Abheilung farblich schlechter waren als direkt nach der Sitzung im Studio. Der Heilungsprozess sei schwieriger gewesen und die Haut habe während des Stechens öfters irritiert reagiert.

Kunden müssen jetzt mehr bezahlen

Doch nicht nur das. Außerdem seien die neuen Farben im Einkauf etwa doppelt so teuer. Das hat auch Folgen für die Kunden. „Anfangs wollten wir unsere Preise nicht anheben, die Kunden können schließlich nichts dafür“, berichtet Yves Weber, Tattoo-Künstler im Nachtschatten-Studio. Schlussendlich hätten sie die Preise dennoch anpassen müssen.

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Fleischhauer erzählt, dass es auch einige Kunden gäbe, die sich von der Reach-Verordnung verunsichern ließen, und des Öfteren nachfragen, ob die nun genutzten Farben konform seien. Sorgen, die es davor nicht gegeben habe.

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Philipp Laicher hingegen glaubt, dass es diese Sorgen nicht gibt. „Wenn eine Person ein Tattoo möchte, wird sie das auch machen – egal wie“, ist er sich sicher. Was ihn außerdem positiv stimmt: Er vermutet, dass manche Kunden automatisch davon ausgehen, dass die reach-konformen Farben automatisch auch das bessere Produkt seien – und deshalb auch weiterhin nicht auf ein Tattoo verzichten würden.