In der Hebelstraße vor dem Leichtathletikstadion treffen Wunsch und Realität aufeinander. Denn der eigentlich von der Stadt ausgeschriebene Neubau einer Kindertageseinrichtung mit Wohnbebauung findet keinen Interessenten. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik wurde von der Verwaltung darüber informiert, dass sich bisher noch kein passender Investor gefunden hätte, der die Pläne des Gemeinderates verwirklichen möchte.

Auf die Ausschreibungen hat sich kein Bewerber gemeldet

Ausgeschrieben war anfangs der Neubau eines Kindergartens mit Geschosswohnungsbau. Der Kindergarten sollte dann von der Stadt Radolfzell angemietet werden und Platz für 75 Kinder schaffen. Kita-Plätze, die in der Stadt dringend benötigt werden. Der zusätzliche Wohnungsbau sollte weitere Mietwohnungen schaffen, die in der Stadt ebenfalls gebraucht werden. Auf diese Ausschreibung hatte sich allerdings kein Investor gemeldet.

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In einem zweiten Ausschreibungsverfahren wurde allein der Kindergarten zweigeschossig in Holzmodulbauweise ausgeschrieben und daraufhin hätten sich laut Sitzungsvorlage zwei Interessenten gemeldet. Doch nachdem die Stadt den beiden Investoren die Unterlagen zur Durchsicht übergeben hätte, sei einer der Bewerber bereits wieder abgesprungen, erklärte Gerhard Schöpperle, Fachbereichsleiter Hochbau und Gebäudemanagement. Der andere prüfe gerade die Machbarkeit und welche Miete er von der Stadt dann für den Kindergarten verlangen müsste.

Neuer Investor meldet sich

Gleichzeitig habe sich auf die erste Ausschreibung doch noch ein Interessent gemeldet, der Kita und Wohnungen bauen würde. Allerdings mit einer Bedingung: Er bräuchte ein Geschoss mehr an Wohnungen, damit sich das Projekt für ihn auch finanziell lohne. Heißt, der Kindergarten würde im Erdgeschoss untergebracht, und darüber sollten dann drei Stockwerke Wohnungen entstehen. Geplant waren eigentlich nur zwei Stockwerke Wohnungsbau.

Oberbürgermeister Martin Staab brachte es auf den Punkt: „Der Wunsch möglichst wenig Fläche zu versiegeln, neuen Wohnraum und gleichzeitig neue Sozialwohnungen zu schaffen, ist am Markt nicht umsetzbar“. Die Stadt selbst könne solche Projekte nur schwer umsetzen. Geld dafür sei im Haushalt eigentlich nicht vorhanden und eine eigene Wohnungsbaugesellschaft hatte vor einigen Jahren keine Mehrheit im Gemeinderat gefunden.

FGL schlägt vor, die soziale Preisbindung aufzuheben

Eine pragmatische Lösung schlug Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste, vor. Er plädierte dafür, die baulandpolitischen Grundsätze für dieses Bauprojekt ausnahmsweise auszusetzen. Für gewöhnlich muss jeder Investor, wenn er auf städtischem Grund bauen möchte, 30 Prozent sozialen Wohnungsbau realisieren. Laut Lehmann könne man, um dem Investor das Projekt doch schmackhaft zu machen, die Wohnungen ohne soziale Preisbindung überlassen. „Es wäre zwar ein Bruch, aber in der Abwägung wäre ich bereit es zu machen“, sagte Lehmann.

„Es wäre zwar ein Bruch, aber in Abwägung wäre ich bereit es zu machen.“Siegfried Lehmann, FGL
„Es wäre zwar ein Bruch, aber in Abwägung wäre ich bereit es zu machen.“Siegfried Lehmann, FGL | Bild: DPA

Norbert Lumbe, Fraktionssprecher der SPD, schlug vor, dem Wunsch des Investors nachzukommen und das zusätzliche Stockwerk zu genehmigen. „Der schnelle Bau des Kindergartens hat oberste Priorität“, sagte Lumbe. Wenn man das Gebäude wieder näher an die Straße platzieren würde, dann könnte man auch das zusätzliche Stockwerk verkraften.

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Walter Hiller, Freie Wähler, wehrte sich mit aller Kraft gegen die Aufhebung der baulandpolitischen Grundsätze. Der Kindergarten sei zwar wichtig, aber man dürfe keinen Präzedenzfall schaffen und müsse alle gleich behandeln. „Die Grundsätze aufzuheben wird uns auf die Füße fallen“, so Hiller. Gleichzeitig konnte er sich aber auch nicht mit einem zusätzlichen Geschoss anfreunden, da sei an der Stelle zu mächtig.

Ausschreibung muss neu erfolgen

Am Ende entschied der Ausschuss für Planung, Umwelt und Technik mehrere Investorenausschreibungen neu aufzusetzen. Eine mit einer eingeschossigen Kita und zwei Geschossen Wohnungsbau, aber ohne Berücksichtigung der baulandpolitischen Grundsätze. Und eine mit drei Geschossen Wohnungen, mit sozialer Preisbindung, allerdings erst nachdem eine Volumenanalyse angefertigt werde, ob an der Stelle vier Stockwerke vertretbar wären.

„Der schnelle Bau des Kindergartens hat oberste Priorität.“Norbert Lumbe, SPD
„Der schnelle Bau des Kindergartens hat oberste Priorität.“Norbert Lumbe, SPD | Bild: SK

Währenddessen meldet sich der Gesamtelternbeirat (GEB) Kita zu Wort. Angesichts des akuten Mangels an Kinderbetreuungsplätzen sei man über das Vorgehen des Ausschusses, bereits gefasste Beschlüsse wieder aufzuheben oder zu ändern, frustriert, schreibt GEB-Vorsitzende Julia Birster in einem offenen Brief.

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Statt einen zügigen Kita-Bau anzustreben, seien wieder neue Vorschläge besprochen und Volumenstudien in Auftrag gegeben und Ausschreibungen veranlasst worden, deren Ausgang wieder ungewiss sei. „Die Inbetriebnahme der Kita rückt damit in weite Ferne“, schreibt Birster. Die Historie dieser Beschlüsse erwecke bei den Eltern den Eindruck, dass die kritische Situation der Familien nicht gesehen werde – oder schlimmer: keine Rolle spiele.

„Die Grundsätze aufzuheben wird uns auf die Füße fallen.“Walter Hiller, Freie Wähler
„Die Grundsätze aufzuheben wird uns auf die Füße fallen.“Walter Hiller, Freie Wähler | Bild: SK

„Durch diese fragwürdigen Beschlüsse werden Gelder, Zeit und Ressourcen verschwendet, was der Stadt, den Familien und besonders den Kindern schadet“, macht die GEB-Vorsitzende deutlich. Die hohe Zahl an fehlenden Kita-Plätzen liege laut Birster bei aktuell 90 Stück. Das brächte viele Familien in eine schwierige Situation. Gleichzeitig würde die Stadt in den nächsten drei Jahren die Kitagebühren um 30 Prozent erhöhen. Wann der Kindergarten in der Hebelstraße, ob nun mit oder ohne soziale Preisbindung der Wohnungen, gebaut wird, ist völlig unklar.