Neben Klimakrise und Ukrainekrieg rutscht die Situation von Geflüchteten gerne einmal in den Hintergrund. Doch ist das Thema Asylpolitik und der Umgang mit den vielen Menschen, die vor Krieg, Hunger und Armut nach Deutschland geflohen sind, brandaktuell.
Während auf der großen politischen Bühne ein EU-Asylrecht, der Schutz europäischer Außengrenzen und Flüchtlingsabkommen mit nordafrikanischen Ländern diskutiert werden, geht es im Landkreis Konstanz um viel alltäglichere Dinge wie eine Unterkunft, Versorgung und die finanzielle Belastung durch die vielen Geflüchteten.
Verschiedene Blickwinkel auf komplexe Situation
In diesem Spannungsfeld hatte der Sprecherrat, der Zusammenschluss aller Flüchtlings-Helferkreise aus dem Landkreis Konstanz, zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion eingeladen. Die Singener Bürgermeisterin Ute Seifried, die drei Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch (FDP), Lina Seitzl (SPD) und Andreas Jung (CDU) sowie Rechtsanwalt und Mitglied des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg Sebastian Röder gaben Einblick in politische Debatten, ihre persönliche Haltung und die verschiedenen Blickwinkel auf eine komplexe Situation. Mit Interesse verfolgten nicht nicht die ehrenamtlichen Mitglieder der Helferkreise, Geflüchtete sondern auch mehrere Bürgermeister der Region die Debatte.

Besonders deutlich wurde das Spannungsfeld zwischen Recht und Menschlichkeit. Das Recht aus Asyl bewerteten alle auf dem Podium als Menschenrecht, doch brauche die deutsche Asylpolitik klare Regeln und Grenzen.
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch plädierte für eine klar geregelte Migrationspolitik. Es würden zu viele Menschen nach Deutschland fliehen wollen und es fehle an Infrastruktur. Aktuell seien Bürgerinnen und Bürger überfordert von der Anzahl an Geflüchteten und die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung schwinde. „So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, so Jurisch.
Einwanderung wird zu negativ gesehen
Die SPD-Abgeordnete Lina Seitzl stellte zum Anfang klar, dass Einwanderung nicht per se als negativ zu bewerten sei. Viele Menschen, die einst fremd hier ankamen, hätten Deutschland bereichert und vorangebracht. Doch auch sie sehe die Herausforderungen für die Kommunen, für die Länder und den Bund und vor allem die veränderte öffentliche Debatte. „Die Gefahr kommt von ganz rechts, aber auch von ganz links wenn man Sahra Wagenknecht so reden hört“, so Seitzl.
Andreas Jung, Bundestagsabgeordneter der CDU brachte in seinem Eingangsstatement die Fluchtursachen ins Spiel. Nicht nur Krieg und Armut, auch das Klima werde Menschen zur Flucht zwingen. Asylrecht sei für ihn „humanitäre Pflicht und christliche Verantwortung“, das sehe auch seine Fraktion so. Doch trotz dieser Pflichten müsse man Flüchtlingsströme auch begrenzen. „Es ist ein moralisches Dilemma“, so Jung.
Der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU distanzierte sich auf dem Podium klar gegen die AfD und betonte die Einigkeit der Parteien der Mitte. „Das schlimmste, das passieren könnte, ist dass die gesellschaftliche Akzeptanz bröckelt. Wir als demokratische Parteien der Mitte haben die Verantwortung das zu verhindern“, so Jung.
Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand
Für die Kommunen berichtete Bürgermeisterin Ute Seifried aus ihrem Alltag in Singen. Kommunen hätten sehr viel geleistet, stünden aber aktuell mit dem Rücken zur Wand. Sie beobachte eine Spaltung der Gesellschaft, es gebe Neiddebatten und statt geflüchtete Menschen zu integrieren, würden sich diese in Parallelgesellschaften aufhalten.
„Wir wollen gute Perspektiven bieten, das geht aber nur wenn wir so viele Menschen aufnehmen, wie wir auch begleiten können“, so Seifried. Und sie brachte auch ganz praxisnahe Beispiele: In Singen seien durch die geflüchteten Familien auf einen Schlag 300 Kinder mehr in der Stadt gewesen. Für all diese Kinder Kita-Plätze zu schaffen und Fachpersonal zu finden, sei eine immense Herausforderung.
Eine völlig andere Perspektive brachte Rechtsanwalt Sebastian Röder in die Debatte mit ein. Er machte klar, dass jede Flucht individuell zu betrachten sei, es handele sich schließlich um Menschen. Und obwohl jedem einzelnen Geflüchteten bestimmte Rechte zustehen würden, sobald sie um Asyl bitten würden, würde diese in den großen Flüchtlingslagern an den europäischen Außengrenzen kaum Gehör finden.
Geschweige denn, dass juristischer Beistand oder ein Richter anwesend wären, um das Asylrecht auch durchzusetzen. Der EU-Asylreform stellte Röder, der selbst Mitglied im Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist, kein gutes Zeugnis ist: „Die Reform schafft Recht, die Verantwortung wegschieben zu können.“ Als Folge sieht der Rechtsanwalt nicht mehr und nicht weniger als der Verlust wichtiger Werte der Gesellschaft.
Fluchtursachen bekämpfen ist schwieriger als gedacht
Diese Aussage wollte Ann-Veruschka Jurisch so nicht stehen lassen. „Wenn nicht die EU rechtsstaatliche Verfahren durchführen kann, wer denn dann?“, fragte sie. Ohnehin seien in den Lagern hauptsächlich Menschen, die keinen Asylanspruch hätten. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge läge die Schutzquote in Deutschland bei 56,2 Prozent. Das bedeutet, dass etwas mehr als die Hälfte aller asylsuchenden Menschen als schutzbedürftig anerkennt wurden.
Einen großen Teil der Debatte nahem das Thema Fluchtursachen ein. Auch wenn sich da alle einig waren, dass dies die langfristige Lösung für die Eindämmung der Flüchtlingsströme sei, Flucht präventiv zu verhindern sei komplex. „Wir brauchen Partnerschaften auf Augenhöhe“, so Jung. Doch gebe es auch Ländern, mit denen man wegen des politischen Systems schlicht keine Gespräche führen könne. Aus diesem Grund sei beides wichtig: Grenzen schützen und Fluchtgründe bekämpfen.
Konkrete Zusagen für die Kommunen kommen zu kurz
Die anwesenden Bürgermeister hätten sich von den anwesenden Bundespolitikern sicher mehr konkrete Informationen gewünscht, wie sie vor Ort mit der Situation besser umgehen können oder welche Hilfen sie zu erwarten haben. Woran es in den Kommunen mangelt, schien aber allen klar zu sein. „Es geht nicht nur um mehr Geld, ist geht auch um fehlendes Personal und zu viel Bürokratie“, so Lina Seitzl.
Sie äußerte den Wunsch nach mehr Pragmatismus, wenn es darum ginge Ausbildungen aus dem Ausland anzuerkennen. Alle sprachen sich dafür aus, dass es dringend auch leichtere legale Wege geben müsse, um nach Deutschland zu kommen. Denn der Arbeitsmarkt brauche dringend die Arbeitskraft.